Was macht ein waschechter Berliner im Markgräflerland, ganz tief im südlichsten Zipfel der Republik, nahe der Grenze zur Schweiz? „Glücklich werden“, antwortet Felix Odebrecht breit grinsend. Der einstige Radprofi zog vor 16 Jahren in ein kleines Dorf im Markgräflerland. Alemannisch, also den hiesigen Dialekt, versteht er mittlerweile. Sprechen kann er es nicht. Egal. Sein Bekenntnis ist klar: „Ich will hier nie wieder weg.“ Was nicht nur daran liegt, dass er Wurzeln geschlagen und eine Familie gegründet hat oder einen wirtschaftlich erfolgreichen Fahrradladen im Weindorf Hügelheim betreibt, der zum Magneten der lokalen Bike-Szene geworden ist.
Es liegt vor allem auch an den großartigen Rennradstrecken, die Odebrecht im äußersten Südwesten vorfand. „Als Profi war die Entscheidung naheliegend, ins Markgräflerland zu ziehen. Als ich von Berlin hierherkam, fand ich alle Streckenprofile, die ich für mein Training benötigte“, erklärt er. Stand auf seinem Wettkampfplan beispielsweise das Amstel Gold Race, musste er für die perfekte Vorbereitung bloß vor die Haustür gehen und aufs Rad steigen: „Hier kann ich stundenlang auf asphaltierten Nebenstrecken über Wellen und knackige Rampen fahren, die genau dem Charakter der Frühjahrsklassiker entsprechen.“
Und wenn Odebrecht mal flach fahren wollte, war auch das kein Problem: Dann pedalierte er einfach kilometerlang durch die Rheinebene, rauf Richtung Kaiserstuhl, runter nach Basel oder rüber ins Elsass nach Frankreich. Brauchte der Profi dagegen lange Berge, sind auch diese nur einen Steinwurf entfernt – immerhin gehört nicht nur der Blauen zum Markgräflerland, und der ist über 1.000 Meter hoch, sondern auch der zweithöchste Schwarzwaldberg Belchen, der sich in Sichtweite von Odebrechts Velo-Station über der Rheinebene erhebt.
Tägliche Verlockungen also: „Am Anfang wollte ich gar nicht mehr vom Rad runter. Es fiel mir sogar schwer, die Ruhetage einzuhalten.“ Man kann das auch in zwei Wörtern zusammenfassen. „Das Paradies!“, meint Odebrecht. „Für mich ist das Markgräflerland eines der abwechslungsreichsten Gebiete in Deutschland, es gibt nichts Besseres – und ich war als Profi auf vielen Rundfahrten in allen Bundesländern unterwegs.“
Nach ein paar Kilometern in den Hügeln hinter Hügelheim bin ich geneigt, dem uneingeschränkt zuzustimmen. Es ist früh am Morgen, und wir rauschen eine wunderbar geschwungene Straße zwischen Badenweiler und Kandern entlang. Null Verkehr. Dafür ein dunstig- goldenes Morgenlicht, das sich über die Wellenkämme der Hügellandschaft ergießt – mit fantastischen Blicken nach links und rechts auf den Schwarzwald und die Vogesen.
Die Straße schlängelt sich zwischen Rebhängen und Wald dahin, wir rollen durch abgelegene Weindörfer, machen Tempo auf einem abfallenden Hohlweg, nur um gleich wieder im Wiegetritt und viel zu schnell in eine der berüchtigten Markgräfler Rampen hineinzurauschen, bis uns das Laktat in den Oberschenkeln zwickt. Aber dann geht es ja auch sogleich wieder runter. „Wie Achterbahnfahren“, sagt Odebrecht.
Wir folgen einem Teil seiner Lieblingstour, die er kürzlich für den hiesigen Tourismusverband zusammenstellte und „The Hell of Markgräflerland“ taufte. „Die Hölle – weil ich fast jede Steigung eingebaut habe, die die Gegend zu bieten hat“, grinst Odebrecht teuflisch. Den knüppelharten Rundkurs habe er ursprünglich für seinen Kumpel Simon Geschke aus dem nahen Freiburg entworfen, Radprofi im französischen Team Cofidis. „Simon brauchte nach einer Verletzungsphase eine Vorbereitung für Lüttich-Bastogne-Lüttich. Ich habe die Strecke über kleine Straßen mit wenig Verkehr genau so gelegt, dass er die passenden Intensitäten setzen konnte, um sich vorzubereiten.“
Allerdings habe er, Odebrecht, etwas geschummelt – und Geschke mit dem Motorroller begleitet. Er sei zwar fit, „aber mit Simon in der Vorbereitung kann ich nicht mehr mithalten“. Gut für mich, denn so kann ich wiederum mit dem 38-jährigen Odebrecht mithalten, der noch immer einen ordentlichen Antritt hat – und aus dem Schwärmen gar nicht mehr herauskommt: „Der ständige Wechsel, hoch, runter, kurz, steil, davon krieg’ ich nie genug!“
Zum Glück kann man trotz reichlich Nervenkitzel und Laktat-Einschuss das Markgräflerland auch ziemlich gut genießen. Es liegen schließlich genügend einladende Straußwirtschaften am Weg, von deren lauschigen Terrassen aus man den Blick über die sonnenbeschienene Landschaft streifen lassen kann. Und abends erholen sich die geschundenen Beinmuskeln bei einem gediegenen Markgräfler Menü, etwa Badisches Ochsenfleisch, butterweich, an Meerrettichsoße, dazu Salzkartoffeln. Hmm. Ob das dritte Glas Gutedel, wie der leichte Weißwein der Region heißt, meiner dringend notwendigen Regeneration so förderlich ist? Mal sehen. Morgen früh. In den Hügeln der Hölle.
Müllheim im Markgräflerland erreicht man per Regionalbahn von Freiburg im Breisgau in rund zwanzig Minuten. Von Frankfurt am Main nach Freiburg braucht der ICE etwas über zwei Stunden. Für die Fahrradmitnahme im ICE bucht man eine Fahrradkarte (9 Euro) und einen Stellplatz; die Fahrradkarte ist auch im Nahverkehr gültig.
Unser Standort Müllheim im Markgräflerland liegt an der A 5, von Frankfurt am Main dorthin sind es 300 Kilometer, von München (über Karlsruhe) 450 Kilometer.
Von April bis Oktober. Die Region ist Deutschlands wärmste und sonnigste Ecke. Durch die burgundische Pforte strömt milde Mittelmeerluft in das Hügelland zwischen Rhein und Schwarzwald. Selbst im Oktober liegt das mittlere Tagesmaximum noch bei über 16 Grad Celsius.
Hügelheim (4 km nördlich von Müllheim)
Velo Station, Telefon 07631/9897584, www.velo-station.de, Bikeservice und sehr guter Espresso im Laden von Ex-Profi Felix Odebrecht.
www.schwarzwald-tourismus.info
Müllheim im Markgräflerland
Hotel Alte Post, Telefon 07631/17870, www.alte-post.net, feines Hotel mit tollem Ambiente, ruhig, obwohl es an der B 3 liegt. Das angeschlossene Restaurant Hebelstube ist top (siehe „Essen & Trinken“). Doppelzimmer mit Frühstück ab 113 Euro.
Die Südwestecke Deutschlands ist seit jeher bekannt für die Liebe zu gutem Essen und Trinken. Im Markgräflerland hat sich eine spannende Kombination aus badischer, französischer und schweizerischer Küche herausgebildet. Hier findet jeder das passende für Gaumen und Geldbeutel: deftige Landküche ebenso wie kulinarische Hochkultur. Und natürlich die hervorragenden Markgräfler Weine: Typische Rebsorten sind der weiße Gutedel und der rote Spätburgunder.
Müllheim im Markgräflerland
Restaurant Hebelstube im Hotel Alte Post (siehe „Unterkunft“), gehobene Regionalküche mit kreativem Einschlag und einer hervorragenden Auswahl lokaler Weine. Sehr freundliche Gastgeber. >> Motto des Hauses: Ein Gericht schmeckt nur so gut, wie die Produkte es sind und der Koch sie zu kombinieren weiß – das gelingt in der Hebelstube hervorragend.
Gutedel ist die Markgräfler Weinsorte schlechthin – einst als Schoppenwein unterschätzt, gibt es heute herausragend ausgebaute und richtig edle Weine der eher feinen und zurückhaltenden Rebe. Gute Adresse, um mal zu kosten: Weingut Dörflinger in Müllheim, 07631/2207, www.weingut-doerflinger.de
Römermuseum Villa urbana
Das Museum präsentiert das Hauptgebäude einer ehemaligen Villa urbana. Außerdem sind Fundstücke des täglichen Gebrauchs ausgestellt sowie Teile eines Mosaikbodens und buntes Fensterglas zu sehen. Eine Computersimulation zeigt einen Rundgang durch das virtuell wiedererstandene Haupthaus, www.heitersheim.de, dort unter „Tourismus“ und „Museen“.
Kanutour auf dem Altrhein
Geführte Touren von Bad Bellingen bis Grißheim (3,5 Stunden) auf dem Altrhein, der fast parallel zum Hauptrhein (Binnenschifffahrt) von Basel bis nach Breisach fließt. Dieser Flussabschnitt ist der eigentliche frühere Ur-Rhein, der nicht mehr vom Schiffsverkehr genutzt wird. Touren bei gutem Wetter bis Mitte Oktober.
Infos unter blackforestmagic.de/kanu
Radkarte R 756 „Südlicher Schwarzwald“, 1:75.000, Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg 2012, 5,50 Euro.
„Südschwarzwald mit Freiburg, Basel und Markgräflerland“, 328 Seiten, Michael Müller Verlag 2023; 20,90 Euro. Detailliert, flott geschrieben, mit großem Kapitel über das Markgräflerland.
106 Kilometer, 2.200 Höhenmeter, max. 16 % Steigung
Hügel, Hügel, Hügel. Heute braucht es Ausdauer und Beinkraft! Ab Müllheim drücken wir zum Auftakt ein paar deftige Rampen weg, ehe mit dem Kreuzweg (1079 m) ein Schwarzwaldpass Körner fordert. Nach der Abfahrt ins Münstertal geht’s ab Staufen über knackige Weinberg- und flachere Wirtschaftswege. Die Schlaufe über Schönberg und aufs Geiersnest kann man auch weglassen – aber es wäre schade drum!
Staufen im Breisgau (bei Km 46,2 kurz links zur Kirche)
Coffee and More, Telefon 07633/981824, www.coffeeandmore.de, keines, gemütliches Café mit eigener Rösterei in der Altstadt von Staufen.
Miss Gugelhupf, Telefon 0152/52666074, www.missgugelhupf.de, Café und Bistro, perfekt für einen leckeren Snack oder Kuchen auf halber Strecke.
92 Kilometer, 2.200 Höhenmeter, max. 17 % Steigung
Gleich zum Auftakt geht es fast tausend Höhenmeter am Stück über zwölf Kilometer auf den höchsten Gipfel des Markgräflerlands, den Blauen im Schwarzwald. Und danach ist mitnichten Ausrollen angesagt: Die idyllisch geschwungene Hügellandschaft des Markgräflerlands mit ihren Rebhängen, Obstwiesen und lauschigen Hohlwegen ist gespickt mit steilen Anstiegen und scharfen Rampen.