Abenteuer, Herausforderung und Natur pur - Bikepacking bietet die perfekte Kombination. Für mich bedeutet es, die Freude am Radfahren mit dem Reiz des Unbekannten zu verbinden. Jede Tour bringt ihre eigenen Herausforderungen mit sich, mal vorhersehbar, mal nicht.
Fahrten von A nach B, etwa zum Besuch einer Familienfeier, waren vor einigen Jahren meine ersten Bikepacking-Touren. Zuletzt nahm ich an mehreren Ultracycling-Events wie Badlands, Bright Midnight oder Seven Serpents teil. Mit dem Deutschland-Trail ging es zurück zum Ursprung: einen Termin mit einer Radreise verbinden. Die Gravel-Edition vom Deutschland-Trail führte mich von einer Dienstreise zur Tour de France Femmes avec Zwift zurück nach München.
Eine erste Umsetzung vom Deutschland-Trail gab es vor ein paar Jahren. Damals ist mein ehemaliger Kollege Stefan Loibl mit dem Mountainbike quer durchs Land geradelt mit der Intension, die schönsten MTB-Trails des Landes zu entdecken. Mit dabei: Leserinnen und Leser unseres Schwesternmagazins BIKE, die ihm ihre Lieblingstrails in ihrer Region zeigten. So oder so ähnlich sollte es auch bei der Gravel-Edition vom Deutschland-Trail laufen. Sowohl in TOUR als auch in BIKE wurde aufgerufen, Routenvorschläge einzureichen und mich ein Stück auf meiner Bikepacking-Tour zu begleiten.
Die grobe Route habe ich selbst gesteckt, entlanggehangelt an Etappenorten der Deutschland-Tour 2024. Für die Detailplanung bat ich Leserinnen und Leser um Rat und erhielt Vorschläge für die einzelnen Etappen, die ich zum finalen Plan zusammenfügte. Wer wollte, durfte ein Stück mitfahren. So war ich oft in kleinen Gruppen unterwegs und konnte den (Rad-) Geschichten meiner Begleiterinnen und Begleiter lauschen.
Der Startschuss fiel in Schengen, einem symbolträchtigen Ort für offene Grenzen in Europa. Von dort schlängelte sich die Route, passend dazu, entlang der deutsch-französischen Grenze. Die Etappe war fordernd mit 130 Kilometern und 2100 Höhenmetern, belohnte aber mit grandiosen Ausblicken, etwa auf die Saarschleife, die ich nur von Bildern kannte. Der einzige Wermutstropfen war ein defekter Reifen, der viel Zeit und Nerven raubte. Mehr dazu später. Vom Start am Europadenkmal in Schengen bis zum Europadenkmal in Überherrn (Denkmal für die großen Europäer) werden wir vom Saarländischen Rundfunk begleitet. Das Denkmal für die Großen Europäer ist ein Symbol für die deutsch-französischen Aussöhnung. Das Ergebnis erschien im Aktuellen Bericht bei Minute 27:07.
An der Saar verabschiedeten sich die heutigen Mitfahrer und traten ihren Heimweg an, ein Mix aus Bahn und Rad. Ich fuhr in die City zum heutigen Hotel. Kurz vorher erhielt ich eine Benachrichtigung auf meinem Handy, dass ein Paket nicht zugestellt werden konnte, was als Expresssendung Hotel geschickt wurde. In dem Paket von mir an mich selbst war mein Trinkrucksack, Trinkpulver, Ersatz-Bremsbeläge, meine Regenhose und Überschuhe. Vieles, was ich noch nicht brauchte bei der Tour de France Femmes, wohl aber auf der Bikepacking-Tour.
Nach dem anstrengenden Auftakt wurde Etappe 2 zur willkommenen Verschnaufpause - abgesehen von einer nicht vorhersehbaren Herausforderung, die weiter unten beschrieben wird. Um das Problem zu lösen, mussten wir die Route komplett neu planen. Zum Glück war Theo dabei, der in Saarbrücken lebt und sich über diese spontane Änderung freute, denn so konnte er mir und den anderen Mitfahrern seine Lieblingsstrecken zeigen, um die wir mit der originalen Planung einen weiten Bogen gemacht hätten. Auf rund 75 Kilometern durch sanfteres Terrain war mein Highlight die Halde Göttelborn und ein Kaffee, zu dem Mitfahrer Elmar einlud. Nachmittags verleitete uns Regen dazu, abzukürzen und statt einer weiteren Schleife den direkten Weg nach Zweibrücken zu nehmen. Wie viele Kilometer und Höhenmeter es am Ende genau waren, kann ich nicht sagen, da ich am Radladen, in dem ich das Reifenproblem vom Vortag angegangen bin, am Garmin auf Stopp gedrückt habe und dann vergessen habe, wieder Start zu drücken. Im Hotel angekommen, wusch ich das Rad-Kit im Waschbecken und wrang es im Handtuch aus. Nach dem Abendessen fielen Fotografin Pia Nowak und ich müde ins Bett.
Prasselnder Regen an Tag 3, da fiel Aufbrechen schwer. Erst einmal zog ich Regenklamotten an, Überschuhe und Regenjacke. Das war viel zu warm, also die Jacke direkt wieder ausgezogen. Dann schwang ich mich aufs Rad. Heute war ich allein unterwegs, kein Wunder bei dem Wetter. Einmal gestartet, freute ich mich über die nun mysthisch anmutende Landschaft. Aufsteigender Nebel verlieh ihr das besondere Antlitz. Mein Höhepunkt auf 106 Kilometern mit 1800 Höhenmetern war die Abfahrt von der Kalmit nach Neustadt – buchstäblich wechselte der Wald hier alle paar hundert Meter sein Gesicht, das Abendlicht unterstrich die Szenerie. Der Plan für diese Nacht sah vor, dass Pia und ich auf einem Wildcampingplatz unser Zelt aufschlagen. Wegen Kälte und Nässe verzichteten wir aber aufs Campen und kamen in den Genuss herzlicher Gastfreundschaft der TOUR-Leser Matthias und Claudia, die uns ein Bett anboten und für uns kochten.
Nach einem leckeren Frühstück mit unseren Gastgebern, verabschiedete sich Claudia und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Matthias begleitete mich auf der Etappe. Über Heidelberg ging es in den Odenwald: 50 Kilometer flach. Immer wieder stießen Mitfahrer hinzu, so dass wir schnell eine Gruppe waren. In Heidelberg lud Routenplaner Peter in seinen Garten ein. Dort gab es Kaffee, Kuchen und Brezen für alle. Und den Lacher des Tages: einer seiner Hunde hatte den Garten zum Hundeklo erklärt und vier von uns waren in den Haufen getreten.
Nach der Pause folgten 1200 Höhenmeter auf 70 Kilometern, Königistuhl und Katzenbuckel belohnten mit tollen Fernblicken. Die von TOUR-Leser Peter Sandmann zusammengestellte Route überzeugte mit Schotterwegen und flowigen Trails, das Rocky Mountain Solo zeigte sein Können. Unsere Gruppe harmonierte perfekt, alle fuhren etwa gleich schnell. Am Ziel in Neckargerach zelteten wir auf einem gemütlichen Campingplatz direkt am Fluss, auch Matthias war noch dabei. An Erholen war jedoch nicht zu denken, die Sommerschlafsäcke waren der nächtlichen Kälte nicht gewachsen.
Dank der schlaflosen Nacht hing nicht nur ich durch. Pia ging es ähnlich. Matthias nicht. Nach einem gemeinsamen Frühstück verabschiedete er sich, für ihn ging es heute zurück nach Neustadt an der Weinstraße, während meine Route mich in ständigem Auf und Ab nach Stuttgart führen sollte, 1800 Höhenmeter und 117 Kilometer. Erst wollte mein Garmin den Livetrack nicht starten - oder in der App nicht anzeigen. Das hat mich eine halbe Stunde gekostet. Gut, dass für den Anfang keine Mitfahrer angekündigt waren, sonst wäre ich nur noch genervter von der Verzögerung gewesen. Erst auf dem letzten Abschnitt hatte ich Begleitung, vorher genoss ich das Alleinsein - schöne Abwechslung. Dank der nahezu schlaflosen Nacht kämpfte ich heute gegen die Müdigkeit. Musik in den Ohren gab mir Energie - und auch ein kurzer Powernap auf einer Bank. Bevor ich am Abend die heutigen Mitfahrer verabschiedete, aßen wir gemeinsam Falafel.
Die 6. Etappe war mit 130 Kilometern die längste, hinzu kamen 1850 Höhenmeter. Dank meiner Mitfahrer Raffael von AlbSchotter und Max war sie die schnellste, 20 km/h. Doch wir hasteten nicht nur durch bzw. über die Alb, sondern hielten auch inne, um die ein oder andere Aussicht zu genießen und auch mal ein Stück Kuchen zu essen. Ein Highlight war die Begegnung mit einer Alpaka-Wanderung. 20 Kilometer vor Etappenziel Ulm, am Blautopf, drehten Raffael und Max um. Pia und ich gönnten uns eine kurze Verschnaufpause mit Eisschokolade, bevor ich die letzten 20 Kilometer in Angriff nahm. Wir waren bei Vera eingeladen, Mitfahrerin auf Etappe 7. Sie und ihr Partner versorgten uns mit köstlichen Speisen und am nächsten Morgen gab es sogar selbst gebackene Brötchen.
Diese Etappe war einfacher, mit 950 Höhenmeter überschaubar. In Ulm starteten wir zu dritt, drei Frauen, denn neben Vera und mir kam noch Marina aus Bamberg dazu, die gleich zwei Tage mitfahren würde. Heute ließen wir uns viel Zeit und machten eine ausgedehnte Pause an einer Radler-Tankstelle an der Donau. Unsere geplante Ankunftszeit in Augsburg war 19 Uhr. Doch wir waren zu schnell. Nach einigen Telefonaten hatten wir unsere Ankunft in einem gemütlichen Biergarten in Augsburg rund 1,5 Stunden nach vorn verschoben. In der Abendsonne ließen wir dann den Tag ausklingen - eingeladen von Reifenhersteller Maxxis.
Der letzte Tag: 92 Kilometer und 600 Höhenmeter trennten mich noch vom Ziel. Wir starteten 7 Uhr, zwei Stunden eher als an den vorigen Tagen, denn geplante Zielankunft war 13 Uhr. Auch heute war die Strecke abwechslungsreich. Sogar die letzten Meter nach München rein hatten noch Neues und Unbekanntes zu bieten.
Ich war zu Tagesbeginn etwas geknickt, denn einige Mitfahrer mussten kurzfristig absagen. Umso schöner war es, dass sich kurzfristig noch Leute zum Mitfahren anmeldeten und dazu kamen, einige mussten wieder abbiegen, bevor wir München erreicht hatten.
Und dann: Punktlandung. Exakt 13 Uhr erreichte ich mit der 9-köpfigen Gruppe das Ziel. Wir wurden herzlich empfangen Nach dem obligatorischen Gruppenfoto gab’s Snacks und Getränke am Konsum.Kiez.Kaffee in München.
Jede Bikepacking-Tour bringt ihre eigenen Herausforderungen mit sich. Mal sind sie vorhersehbar, mal nicht. Die zwei größten Schwierigkeiten auf dieser Tour waren:
Am ersten Tag kostete ein defekter Reifen Zeit und Nerven. Zwei Tage vor Start ließ sich ein großer Cut im Reifen zunächst mit einem Tubeless-Flicken abdichten. Auf den ersten 5 Kilometern der richtigen Tour meldete sich das Loch in der Lauffläche zurück. Eine zweite “Wurst” brachte keinen Erfolg, auch Dichtmilch nachfüllen nicht. Letzte Rettung: Schlauch. Paul vom TriShop Saar half vor Ladenöffnung, den Reifen zu flicken.
Um bei An- und Abreise weniger schleppen zu müssen, schicke ich mir selbst Pakete. Dieses Mal lief es schief. Das Paket mit Trinkrucksack, Überschuhen, Regenhose und mehr kam nicht an. Ein weiterer Zustellversuch ins Hotel in Saarbrücken schlug fehl, warum, lässt sich nicht nachvollziehen. Nach viel Hin und Her blieb nur, Etappe 3 neu zu planen und zum Logistikzentrum zu fahren; zur Freude von Mitfahrer Theo, der nun seine Lieblingswege präsentieren konnte.
Die Tour zeigte wieder einmal, dass es keiner Fernreise bedarf, um Unbekanntes zu entdecken. Viel Schönes liegt direkt vor der Haustür. Ein besonderes Dankeschön gilt denjenigen, die diese Route mitgestaltet und begleitet haben – ihr habt diese Tour zu einem besonderen Erlebnis gemacht!