Decathlon macht Ernst. Die französische Sporthandelskette weitet ihr Sortiment an Rennrädern stetig aus, auch eine Rückkehr als Sponsor in die World Tour steht im Raum. Das Van Rysel NCR CF ist ein Allroad-Rennrad mit Carbonrahmen und -gabel, das Reifen bis 35 Millimeter Breite akzeptiert. Der klassische Aufbau ist völlig frei vom Trend zur Integration. Vorbau, Lenker, Sattelstütze – hier kann man nach Lust und Laune schrauben und anpassen und benötigt keinerlei Spezialteile.
Trotzdem steht das Rad sehr aufgeräumt da. Die Rival-AXS-Funkschaltgruppe von SRAM benötigt keine Kabel, die Hydraulikleitungen der Bremsen verlaufen überwiegend in Rahmen und Gabel, treten nur beim Lenkkopf kurz ins Freie. Der geslopte Rahmen ist elegant geformt, die Sitzstreben schmiegen sich mit schönem Schwung kompakt ans Sitzrohr, der blaue Lack leuchtet mit dem Himmel um die Wette und stimmt heiter. Aerodynamische Feinheiten bietet der Rahmen keine, aber jenseits der Rennstrecke muss das keine Spaßbremse sein.
Die Sitzposition auf dem Rad ist sportlicher als in der Allroad-Klasse üblich. Der Rahmen entspricht in seiner Auslegung mit einem Stack-to-Reach-Quotienten von 1,43 eher einem Race-Modell. Entschärft wird dies aber durch einen kurzen Vorbau (90 Millimeter in Größe M) und einen Lenker mit kurzem Reach. Ab Werk gibt’s 30-Millimeter-Spacer zum Umstecken, sodass der Lenker bei Bedarf höher gestellt werden kann. Das Rad fährt und lenkt sich ausgewogen und neutral, mit leichter Tendenz zu gutem Geradeauslauf.
Der Fahrkomfort des Rahmens ist sehr gut – tief angelegte Sitzstreben und die dünne Alu-Stütze lassen das Heck überraschend stark federn. Der Fahreindruck lässt aber dennoch etwas Geschmeidigkeit vermissen, was vermutlich an der Bereifung liegt. Die Fusion-5-Reifen von Hutchinson sind zwar tubeless-ready, serienmäßig aber mit Schläuchen ausgestattet.
Sie rollen etwas störrisch über schlechte Straßen und fallen für 28er-Reifen (bei 19 Millimeter Innenmaß der Felge) auch relativ schlank aus. Wir messen 28,5 Millimeter echte Breite. Schnellere und komfortable Reifen, wie der Continental GP 5000 oder Schwalbes Pro One, wären ein sinnvolles Upgrade. Wer noch mehr Federung will, könnte mit einer Carbonsattelstütze auch das Heck noch lebendiger federn lassen.
Der leicht angewinkelte Oberlenker liegt gut in der Hand, dämpft Vibrationen aber nicht besonders effektiv. Der tiefe, nach hinten abfallende Bogen bringt die Hände weit weg von der Bremse – das passt nicht zum Allroad-Anspruch und fühlt sich ergonomisch nicht günstig an. Den Lenker würden wir daher tauschen, der Rest passt. Der mit „Van Rysel“ etikettierte Sattel ist auf kurzen Strecken bequem. Für die Langstrecke dürfte er etwas straffer sein.
Das SRAM-AXS-Getriebe mit 48/35 auf 10-36 bietet eine leichte Untersetzung und ausreichend lange Gänge, um es fliegen zu lassen. Die Gänge wechseln geschmeidig und zuverlässig, die Schaltlogik mit je einem Paddel links und rechts ist unübertroffen einfach, Kettenabwürfe kamen nicht vor. Die Ergonomie der Rival-Griffe ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, besonders wenn man die schlanken Shimano-Hebel gewöhnt ist. Aber das ist sicher Geschmackssache.
Die Bremsen (160/140 Millimeter Durchmesser vorne/hinten) langen ordentlich zu, neigen aber schon im Trockenen zum Quietschen. Das Rad ist mit 8,71 Kilogramm ohne Pedale kein Leichtgewicht, für die Preisklasse aber nicht übergewichtig. Relevanter ist ohnehin das gute Gangspektrum, das die meisten Straßensteigungen ausreichend entschärft.
Über die variable Reifenbreite lässt sich die Maschine gut an das gewünschte Einsatzspektrum anpassen. Mit breiteren Reifen sind auch Schotterwege machbar. Fulcrums Racing-3-DB-Laufräder sind technische Leckerbissen. Die 28 Millimeter hohen Felgen sind klug eingespeicht, die rundum gleichmäßige Spannung auf beiden Seiten des Nabenflanschs verhindert, dass sich Speichen lockern können. Aufbau und Lagerqualität sind gut, der Laufrad-Satz bei 1660 Gramm angenehm leicht.
Alles in allem eine solide Maschine, die vielseitig und leicht zu warten ist. Wer ein relativ günstiges Straßenrad ohne Systemintegration, aber sonst auf der Höhe der Zeit sucht, mit viel Spielraum für breitere Reifen, findet im Van Rysel ein Rad für viele Fälle.
>> Das Van Rysel bekommt eine TOUR-Gesamtnote von 2,1
*Gewogene Gewichte
**Herstellerangabe Testgröße fett.
***Stack/Reach projiziertes senkrechtes/waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr;
STR (Stack to Reach) 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition.
****Laufradgewichte inklusive Bereifung, Kassette, Schnellspanner/Steckachsen und ggf. Bremsscheiben.
*****Einzelnoten, die unterschiedlich gewichtet in die Gesamtnote einfließen, drucken wir aus Platzgründen nur zum Teil ab. Die Noten werden bis zur Endnote mit allen Nachkommastellen gerechnet; zur besseren Übersichtlichkeit geben wir aber alle Noten mit gerundeter Nachkommastelle an.