Mit der ersten Generation des Aethos schuf Specialized ein Rennrad, das aus dem Stand Kultstatus erlangte. Das vor vier Jahren eingeführte Modell war lange das leichteste Serien-Rennrad, und zwar mit großem Abstand. Eine andere Daseinsberechtigung hatte das Rad nicht. Die Geometrie wurde vom Profi-Boliden Tarmac kopiert, womit es theoretisch als Wettkampfgerät zählte. Doch dafür ist das Rad laut Reglement nicht nur zu leicht; die konsequente Fokussierung auf Leichtbau ignorierte den Stand der Technik in Sachen Aerodynamik, weshalb es – mit Zusatzgewicht – nur einen einzigen verbrieften Renneinsatz auf einer Tour-de-France-Etappe gab, wohl vorrangig aus Marketing-Gründen. Wegen seiner guten Fahreigenschaften, der klassischen, reduzierten Optik und des konkurrenzlos niedrigen Gewichts – ein von uns getestetes Exemplar wog in Größe 56 mit Dura-Ace-Ausstattung nur 6,1 Kilogramm – erfreute sich das Rad bei Enthusiasten dennoch großer Beliebtheit.
Die jüngst erschienenen Profi-Modelle Scott Addict RC Ultimate (5,9 Kilogramm) und Cervélo R5 (6,0 Kilogramm) haben das Gewicht inzwischen unterboten. Sie stehen zwar nicht in direkter Konkurrenz zum Aethos, das seit jeher als Rad für Enthusiasten und Freizeitsportler positioniert ist. Dennoch soll die zweite Generation des Specialized wieder Bestmarken setzen. Der Rahmen der S-Works genannten Top-Variante soll nur 595 Gramm wiegen und aktuell der leichteste Serienrahmen der Welt sein. Er wirkt optisch nur behutsam verändert. Markante Aero-Profile sucht man weiterhin vergebens; das klassische, runde Rohr und eine traditionelle Diamantrahmen-Form dominieren. Eine runde Sattelstütze mit Klemmschelle sowie ein geschraubtes BSA-Tretlager unterstreichen die Reduzierung aufs Wesentliche. Ein Tribut an die Moderne sind die in Lenker und Vorbau integrierten Bremsleitungen und für die Top-Versionen ein einteiliges Carbon-Cockpit – die erste Generation hatte darauf noch verzichtet. Gewicht will Specialized vor allem bei den Anbauteilen gespart haben: Das mit dem Aethos eingeführte Carbon-Cockpit soll 270 Gramm wiegen, der ebenfalls neue Laufradsatz Alpinist CLX III nun 1131 Gramm für Vorder- und Hinterrad – das sind mehr als 100 Gramm weniger, allein durch den Einsatz neuer Carbonspeichen.
Unser Testrad ist mit der gleichen Schaltgruppe aufgebaut wie das Vorgängermodell, der Blick auf die TOUR-Waage offenbart aber nur einen minimalen Fortschritt: Gerade mal 30 Gramm leichter ist die zweite Generation geworden. Mit einer SRAM-Red-Gruppe und kleinerer Rahmengröße könnte man in die Nähe der Herstellerangabe von 5,9 Kilogramm kommen, doch allein auf weiter Flur ist das neue Aethos in dieser Hinsicht nicht. Die viel wichtigere Neuerung betrifft indes die Geometrie, was sich erst im Sattel offenbart. Auf Datenbasis des Specialized-eigenen Bikefitting-Programms Body Geometry wurde sie für einen größeren Kundenkreis angepasst, so der Hersteller. Konkret wurde die Sitzposition deutlich komfortabler: Gegenüber dem Vorgänger sitzt der Lenker beim Aethos 2 bei den meisten Rahmengrößen 15 Millimeter höher. Das ist noch sportlich, bewegt sich aber im Spektrum vieler prominenter Endurance-Modelle.
Das viel gelobte präzise Handling des Aethos soll aber auch Kennzeichen der neuen Generation sein. Das können wir weitgehend bestätigen, wobei sich das neue Aethos etwas gutmütiger fährt als sein nervöser Vorgänger. Ein sieben Millimeter längerer Radstand und ein etwas flacherer Lenkwinkel verbessern die Laufruhe auf der Geraden. Das Tretlager wurde drei Millimeter tiefergesetzt, das soll laut Specialized eine stabilere Straßenlage in schnellen Kurven bringen. Auch die breiteren Reifen tragen zu mehr Fahrsicherheit bei: 28 statt 26 Millimeter sind nun Serie, in Rahmen und Gabel passen bis zu 35 Millimeter breite Pneus. Damit konkurriert das Rad auch beim Komfort mit Marathonrennern. Das 40 Zentimeter breite Alpinist Cockpit II soll zirka 30 Prozent besser dämpfen als das vom Tarmac bekannte aerodynamische Rapide-Cockpit. Im Testlabor schneidet das Aethos beim Frontkomfort tatsächlich bemerkenswert gut ab, auf der Straße fühlt sich das Rad damit besser ausbalanciert an als viele Konkurrenten: Straff, aber nicht hart, sowohl am Sattel als auch am Lenker.
Ein Schnäppchen sind die S-Works-Räder traditionell nicht: Das Portfolio führen die Top-Versionen mit Shimanos Dura-Ace oder SRAM Red AXS an, die beide 13.499 Euro kosten. Die Pro-Varianten mit schwererem Rahmen kommen mit Shimanos Ultegra Di2 oder SRAM Force AXS für je 8499 Euro und wiegen rund 6,7 Kilogramm. Die günstigste Variante namens Expert verzichtet auf das Roval-Carbon-Cockpit und trägt stattdessen einen klassisch geklemmten Carbonlenker. Sie kostet 6299 Euro und soll knapp über sieben Kilogramm wiegen.
extrem leicht; lebendiges, aber sicheres Handling
sehr teuer, für ein Endurance-Rad straffe Übersetzung