Vor wenigen Wochen erreichte uns die Info, dass Bob Parlee im Alter von 70 Jahren den Kampf gegen den Krebs verloren hat. Der US-amerikanische Carbon-Pionier und Maßrahmenbauer gehörte zwar nicht zu den bekanntesten Namen der Branche, doch vor allem in seinem Heimatland erreichten seine Kreationen Kultstatus. Mit der Marke Parlee wird es auch ohne den Firmengründer weitergehen, denn das Unternehmen wurde bereits im vergangenen Jahr von einem Investor gestützt, nachdem es in finanzielle Schieflage geraten war. Zum frischen Wind gehört auch die Erweiterung des Sortiments um Modelle, die in Standardgeometrien angeboten werden (vorher baute Parlee ausschließlich Maßrahmen) und preislich etwas weniger exklusiv ausfallen sollen.
Statt in der eigenen Fertigungsstätte in den USA werden sie in Europa, genauer in Portugal, hergestellt. Dazu gehören das Gravelbike Taos sowie das hier gezeigte Ouray; ein Aero-Straßenrenner soll folgen. Wirklich günstig sind auch diese Parlees nicht, doch für das Geld bekommt man ein Rad, das mit dem Begriff “Understatement” wohl treffend beschrieben ist.
Die makellos verarbeiteten, klar sichtbaren Carbonmatten werden lediglich von einer zarten Wachsschicht geschützt, was zusätzlich Gewicht spart. Der Rahmen zeichnet eine klare, moderne Linie, verzichtet aber auf technischen Firlefanz. Die klassische, runde Sattelstütze mit bewährter Klemmschelle steht dafür exemplarisch. Mit UDH-Schaltauge und T47-Tretlager adaptiert das Parlee neue Standards, die längere Haltbarkeit und leichteren Service versprechen.
Das Ouray ist im Kern ein komfortables Straßenrad, das für ruppigen Untergrund mit bis zu 38 Millimeter breiten Reifen umgewidmet werden kann. Die Ausstattung mit Rennrad-Übersetzung und Aero-Felgen ist ganz klar Straßenmaterial, aber wer will, kann mit dem Ouray auch abseits davon gut auf Abenteuersuche gehen. Die profillosen 35-Millimeter-Pneus, die wir für diesen Vergleich aufgezogen haben, wölben sich auf den breiten, hakenlosen Zipp-Felgen fast auf Maximalmaß. In Rahmen und Gabel wäre zwar Platz für noch mehr, aber schon mit diesem Set-up kann das Rad auf vielen Geländepassagen mit dem Giant Revolt mithalten: Der Geradeauslauf ist formidabel, das Komfortniveau auch.
Das ändert sich, sobald es nass oder der Untergrund lose wird, dann kommen die glatten Pneus rasch ins Schwimmen. Dafür geht es auf der Straße umso flotter voran. Dass die Sitzposition auf dem Ouray beinahe so sportlich ausfällt wie auf dem Canyon Inflite, liegt weniger am Rahmen selbst, der bietet sogar einen ausgesprochen komfortablen Schnitt. Die Lenkerkombi von Pro positioniert die Schaltgriffe jedoch weit vorne und tief. Das zieht den Fahrer in die Länge und bringt viel Gewicht aufs Vorderrad. Wer’s komfortabler mag, kann beim Händler Wünsche äußern: Gesetzt sind zwölf vorkonfigurierte Ausstattungsvarianten mit Gruppen von Sram oder Shimano; Vorbaulänge, Lenkerbreite, Sattelstütze und Kurbellänge werden ohne Aufpreis angepasst.
Das Allroad-Modell der Kanadier kommt serienmäßig mit schmalen Straßenpneus, es lassen sich bis zu 40 Millimeter breite Gravelreifen aufziehen. Das Argon 18 Krypton überzeugt mit einem komfortablen und spurtreuen Fahrwerk, die Sitzposition ist vergleichsweise sportlich. Preis: ab 2363 Euro.
Allroad-Fahrspaß für den kleineren Geldbeutel bietet Giant mit dem Contend AR. Ab 1699 Euro gibt es einen soliden Alu-Rahmen mit betont aufrechter Sitzposition und Reifenfreiheit bis 38 Millimeter. Der Kompromiss ist ein recht hohes Gewicht von 9,5 Kilo, die profilierten Serienreifen eignen sich bereits für Ausflüge ins Gelände.
Das Roqa wird entweder mit Straßen- oder Gravelbereifung angeboten, dazwischen ist alles möglich. Mit Einfach-Antrieb sind sogar bis 45 Millimeter Reifenbreite drin. Mit einer sehr aufrechten Sitzposition ist es prädestiniert für gemütliche Touren. Der Einstieg beginnt mit Shimano-105-Gruppe bei 2999 Euro.