Marathonräder um 4000 Euro12 Endurance-Rennräder im Test

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Foto: Focus / Manuel Sulzer
Zwischen vielseitigen Gravelbikes und Wettkampf-Boliden mit breiten Tubeless-Reifen kämpft das klassische Marathonrennrad um seine Daseinsberechtigung. Unser Test zwölf aktueller Marathonräder zeigt: In technischer Hinsicht profitieren die Endurance-Bikes von diesem Wettstreit.

Fahren Sie gerne 200 Kilometer oder mehr am Stück? Oder drehen Sie lieber gemütliche, kurze Feierabendrunden? Oder liebäugeln Sie gar erst damit, mit dem Rennradfahren anzufangen, und träumen von Ihrem ersten Alpenpass? In jedem Fall sollten Sie diesen Test lesen. Denn auf all die Szenarien zielen die Räder ab, die wir hier miteinander vergleichen.

Sogenannte Endurance- oder Marathonräder werden mit dem Ziel gebaut, auch auf extrem langen Touren zuverlässig und bequem zu sein. Was für die Langstrecke bequem ist, kommt auch Genussfahrern und Einsteigern entgegen. Deshalb gelten Endurance-Bikes als ideale Vehikel, um die Faszination des Radsports auch für weniger trainierte und leidensfähige Hobbysportlerinnen und -sportler erfahrbar zu machen.

Für einen unkomplizierten und verhältnismäßig preiswerten Einstieg in den Straßen-Radsport sind Endurance-Rennräder die erste Wahl.

Was zeichnet Marathonräder aus?

Eine bequemere Sitzposition, etwas breitere Reifen, kleinere Übersetzungen und weniger komplizierte Technik sind die wesentlichen Unterschiede zu den prominenteren, aber in vielerlei Hinsicht anspruchsvollen Rennmaschinen von Radprofis. Diese auf Bedürfnisse von Freizeitradlern zugeschnittenen Details machten die Gattung ab Anfang der 2000er-Jahre zunehmend populär. Zwar begleitet manche Modelle ein etwas biederes Image, für einen unkomplizierten und verhältnismäßig preiswerten Einstieg in den Straßenradsport etablierten sie sich aber als erste Wahl. Doch die komfortabel abgestimmten Straßenrenner gerieten zuletzt etwas aus dem Fokus.

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In wenigen Jahren wurden sie bei den Verkaufszahlen vom Gravelbike überholt. Viele Hersteller bieten deshalb kaum noch günstige Straßenrennräder an, konzentrieren ihr Angebot auf die vielseitig nutzbaren Gravelbikes. Aus dem Profiradsport kommt mittlerweile auch kein Rückenwind mehr für die Gattung: Bei Rennen wie Paris–Roubaix, die lange Zeit ein Testlabor und Schaufenster für komfortable Endurance-Renner waren, stehen heute vielfach die Aero-Boliden am Start, die auch bei allen anderen Rennen gefahren werden, weil sie im Laufe der Weiterentwicklung komfortabler geworden sind und genügend breite Reifen auch für ruppige Strecken zulassen.

Sicher unterwegs: Die Marathonrenner in diesem Test sind eine sichere Bank: Steife Rahmen, solide Komponenten und starke Bremsen vermitteln selbst weniger erfahrenen Piloten ein gutes Gefühl, auch bei hohem Tempo.Foto: Stevens / Markus GreberSicher unterwegs: Die Marathonrenner in diesem Test sind eine sichere Bank: Steife Rahmen, solide Komponenten und starke Bremsen vermitteln selbst weniger erfahrenen Piloten ein gutes Gefühl, auch bei hohem Tempo.

Blick auf die Mitte

Dass die Weiterentwicklung bei den Langstrecken-Spezialisten damit stehen bleibt, bedeutet das aber nicht, denn in mittleren Preislagen sind die “vernünftigen” Straßenrenner immer noch beliebt, das zeigt zum Beispiel die jüngste Leserbefragung von TOUR: 40 Prozent der Teilnehmenden würden als Nächstes ein Marathonrennrad kaufen, das sind deutlich mehr als Race- oder Gravelbike-Interessierte.

An einer Neuorientierung der Endurance-Kategorie arbeiten die Hersteller daher mit unvermindertem Ehrgeiz. Wie die ganz preiswerten sind allerdings auch nobel ausgestattete Varianten selten geworden, dafür ist das Angebot zwischen 3000 und 5000 Euro umso größer. Von der technischen Entwicklung anderer Rennradkategorien profitiert auch das Marathonrennrad, wie unser aktueller Test zeigt. Eingeladen haben wir Räder, die um die 4000 Euro kosten, was dem Plan der allermeisten Leser entspricht, die demnächst in ein Rad mit elektronischer Schaltung investieren wollen.

Helfer in der Not: Stört nicht und ist da, wenn man’s braucht: Canyon versteckt ein Bordwerkzeug unter einer Klappe im Oberrohr. Merida packt eines unter dem Sattel.Foto: Matthias BorchersHelfer in der Not: Stört nicht und ist da, wenn man’s braucht: Canyon versteckt ein Bordwerkzeug unter einer Klappe im Oberrohr. Merida packt eines unter dem Sattel.

Das Testfeld

Zwölf Hersteller sind unserer Einladung gefolgt, darunter globale Taktgeber wie Giant, Merida und Scott, die großen deutschen Versandmarken Canyon und Rose sowie die Fachhandelsmarke Cube, die zuletzt immer wieder mit spektakulärem Preis-Leistungs-Verhältnis auffielen. In dieser Preisklasse trifft man die günstigsten Elektro-Ensembles von Shimano (105 Di2) und Sram (Rival AXS) an, in seltenen Fällen auch ein höherwertiges Pendant. Moderne Carbonrahmen sind Standard, leichte Carbonfelgen noch nicht, bei guten Angeboten aber möglich.

Schon auf den ersten Blick wird deutlich, wie unterschiedlich attraktiv die Angebote in dieser Preisklasse ausfallen. Preis und Ausstattungsniveau korrelieren offenbar kaum, dadurch auch nicht das Gewicht der Räder. Wieder sticht Cube hervor, denn mit der Sram Force und leichten Carbonfelgen ist das Cube Agree C:62 SLX weit über Durchschnitt bestückt und mit weniger als 7,5 Kilo das mit Abstand leichteste Rad im Test. Zum Vergleich: Das Focus Paralane 8.8 mit Sram Rival, Alu-Felgen und günstigen Reifen wiegt gut 1,5 Kilogramm mehr und ist 300 Euro teurer.

Wer mit der untypisch sportlichen Ausrichtung des Cube klarkommt – dazu später mehr –, muss hier eigentlich zuschlagen. Attraktiv sind auch das Veto B983 als einziges Ultegra-Rad im Test sowie das Rose Reveal aufgrund des günstigen Preises. Ein zentrales Werbeversprechen für Marathonräder ist ein hohes Maß an Fahrkomfort, der nicht nur mit breiten Reifen, sondern auch mit federnden Rahmen, Gabeln und Sattelstützen erreicht werden soll.

Auf unserem Komfortprüfstand kann vor allem das Canyon Endurace CF SLX 7 Di2 punkten; an das Niveau der Blattfederstütze kommt die Konkurrenz auch mehr als zehn Jahre nach der Einführung nicht heran. Das Gros der Kandidaten federt passabel, Abzüge müssen in dieser Disziplin das Cervélo Caledonia 105 Di2, das Stevens Izoard Pro und das Veto B983 hinnehmen.

Unsere Marathonräder setzen neue Trends

An einem Testfeld mit solch prominenten Marken lassen sich natürlich auch neue Trends ablesen. Einer macht auch vor dieser Gattung nicht halt, nämlich der zu immer breiteren Reifen. Überwiegender Konsens der Hersteller ist, dass die typische Reifenbreite auf der Langstrecke in Zukunft bei 30 bis 32 Millimetern liegt. Bei den meisten Modellen ist sogar noch Luft für 35er eingeplant. Das macht die Räder etwas schwerer, aber auch robuster und komfortabler und erweitert das Einsatzspektrum auch auf ungeteerte Wege.

Wenig Platz: Das Stevens Izoard wurde noch für 25-Millimeter-Reifen entwickelt. Schon die 28er laufen nur knapp an den Sitzstreben vorbei; an zeitgemäße 32er ist nicht zu denken.Foto: Matthias BorchersWenig Platz: Das Stevens Izoard wurde noch für 25-Millimeter-Reifen entwickelt. Schon die 28er laufen nur knapp an den Sitzstreben vorbei; an zeitgemäße 32er ist nicht zu denken.

Da 28 Millimeter breite Pneus inzwischen an Wettkampfrädern Standard sind, setzen sich die Marathonräder damit wieder ein Stück ab und drängen in die kleine Nische sogenannter Allroadbikes. Ausnahmen sind Cube – die betont sportliche Neuinterpretation des Agree rollt auf 28-Millimeter-Pneus – sowie Storck und Stevens, bei denen die Entwicklung der Rahmen schon einige Jahre zurückliegt.

Noch deutlich weiter gehen Giant und Koga. Das Koga Roqa lässt 42 Millimeter breite Stollenreifen zu, das Giant immerhin 38er-Pneus – wird das ausgereizt, können sie es mit Gravelbikes aufnehmen. Bei den Geometrien setzen die meisten Hersteller auf Bewährtes; die Sitzposition auf einem typischen Marathonrennrad ist durchaus sportlich, aber gegenüber klassischen Race-Geometrien deutlich entschärft. Dass es hier auch Ausnahmen und Extreme gibt, ist gut, denn Sitzposition und Fahrverhalten sind schließlich eine Frage von Körpermaßen und individuellen Vorlieben. Wer eine betont aufrechte Position sucht, sollte sich Canyon, Merida und Rose anschauen.

Mehr Vielfalt und spannende Experimente

Die komfortabel ausgelegten Modelle überzeugen in der Regel auch mit gutem Geradeauslauf. Sehr sportlich, durchaus vergleichbar mit Wettkampfrennern, sitzt es sich auf Cube, Storck und Veto. Sie lenken sich tendenziell auch etwas nervöser. Die Integration von Bauteilen, wie sie bei Wettkampfrädern in den vergangenen Jahren die Entwicklung bestimmte, nimmt auch in dieser Kategorie zu, selbst wenn das dem einfachen Handling nicht immer zuträglich ist. Mit Ausnahme von Cervélo und Storck verlaufen die Leitungen in oder an Lenker und Vorbau entlang ins Steuerrohr. Das schaut modern aus, verursacht meist aber Probleme bei der Positionsanpassung.

Cube und Storck kommen mit einteiligen Cockpits aus Carbon, die an Top-Rennmaschinen erinnern, aber extrem teuer im Austausch sind. Für viele Interessenten sinnvoller dürften Befestigungsösen für Taschen oder feste Schutzbleche sein. Über Letzteres verfügt immerhin die Hälfte der Testräder.

Dass sich eine einst fest etablierte Radkategorie in gewisser Weise neu erfinden muss, hat auch gute Seiten: Mehr Vielfalt und spannende Experimente bereichern das Genre. So dürfte sich für fast jeden Anspruch ein passendes Konzept finden – über kurz oder lang. Detaillierte Testergebnisse finden Sie in der Übersicht; die Charaktere, Stärken und Schwächen der einzelnen Kandidaten haben wir in den unten verlinkten Testbriefen zusammengefasst.

Die Einzelnoten der Marathonräder im Überblick

Die Einzelnoten der Marathonräder im ÜberblickFoto: TOURDie Einzelnoten der Marathonräder im Überblick

Auf einen Blick: Rot sind die Teilnoten ab 4,0. So sehen Sie, welche Räder wegen schwächerer Einzelnoten für Sie nicht infrage kommen.

* LL = lebenslang, CR = Crash Replacement, RA = Rennausschluss

Alle 12 Marathonräder des Vergleichstests

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