Historisch, ikonisch, exklusiv: Mit dem C68 legt Colnago sein Carbon-Flaggschiff neu auf. Der italienische Traditionshersteller setzt weiterhin auf eine modulare Bauweise, stattet das neue Modell mit Blockchain-Technologie aus und bietet erstmals einen Direktvertrieb an.
Als Ernesto Colnago vor inzwischen 28 Jahren das C40 präsentierte, versetzte er die Rennrad-Welt in Staunen. Ein Carbon-Rennrad soll die Tortur bei Paris-Roubaix bestehen? Daran glaubten die wenigsten. Selbst der inzwischen 90-Jährige hatte seine Zweifel. „Noch in der Nacht vor dem Rennen hat mich Teamchef Giorgio Squinzi angerufen und mir prophezeit, dass die Räder auseinanderfliegen würden. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und das Rennen unter Schweißausbrüchen am Fernseher verfolgt“, gestand Colnago einst im Gespräch mit TOUR. Doch der Mut des umtriebigen Firmengründers zahlte sich aus. Das C40 gewann auf Anhieb den härtesten Eintagesklassiker der Welt und heimste in den Folgejahren unzählige weitere Erfolge ein. Schon fünf Jahre zuvor, im Jahr 1989, hatte Colnago mit dem C35 zusammen mit Autobauer Ferrari einen ersten Carbon-Rahmen entwickelt, der aber nie in Rennen eingesetzt wurde. Die Erfahrung mit dem Werkstoff zahlte sich dennoch aus. Kurzum: Eine Legende war geboren.
Das C68 ist der neueste Spross der C-Serie. Damals wie heute zählt es zu den spektakulärsten Rennrädern der Welt, allein der in Cambiago handgefertigte Rahmen ist ein Kunstwerk für sich. Wie bei den Vorgängern werden die einzelnen Carbon-Bauteile zusammengeklebt, wobei die Rohre nicht mehr an den Knotenpunkten in klassische Muffen gesteckt werden. Vielmehr wird der Rahmen in kleinere Bauteile zerlegt, die sich laut Colnago bei der Fertigung einfacher als ein Monocoque-Rahmen kontrollieren lassen.
Die Knotenpunkte fallen optisch allerdings weniger markant aus als beim Vorgängermodell C64. Außerdem ermöglicht diese Konstruktion mehr Freiheiten beim Größenspektrum. Serienmäßig ist das C68 in sieben Rahmengrößen erhältlich. Zudem soll der Rahmen leichter und steifer sein, Colnago nennt ein Rahmengewicht von rund 930 Gramm in Größe 51. Noch mehr Exklusivität bietet das C68Ti, bei dem am Steuerrohr eine Titanmuffe aus dem 3D-Drucker eingesetzt wird. Durch diesen Kniff können die Italiener auf Wunsch weiterhin Rahmen auf Maß anbieten.
Anders als der Carbon-Rahmen ist das neue Cockpit CC.01 aus einem Stück gefertigt, wodurch es leichter und steifer sein soll. Die integrierte Lenker-Vorbau-Einheit lässt sich in vier Breiten und sieben Längen konfigurieren, insgesamt stehen damit 16 Kombinationen zur Wahl. Praktisch: Im Steuerrohr ist ein knapp 70 Gramm leichtes Minitool versteckt. Futuristisch: Ein NFT-Aufkleber am Unterrohr dient als eine Art digitaler Ausweis, in dem Informationen über Herstellung und Besitz hinterlegt sind – so sieht Diebstahlschutz im 21. Jahrhundert aus.
Wir hatten bereits vor der offiziellen Vorstellung die Möglichkeit, das C68 ausgiebig zu testen - und die Neuheit ließ kaum Wünsche offen. Vor allem die Fahrstabilität ist bemerkenswert, das Colnago bringt so schnell nichts aus der Spur. Bei der Sitzposition setzen die Italiener auf einen gelungenen Mix aus Sportlichkeit und Komfort (STR: 1,52). Vibrationen federt die abgeflachte Sattelstütze - dasselbe Modell wie an Tadej Pogacars V3Rs - in Kombination mit den 28 Millimeter breiten Reifen von Pirelli ordentlich ab, bei längeren Ausfahrten wäre allerdings etwas mehr Flex wünschenswert. Die stramme Übersetzung (52/36, 11-30 Zähne) erinnert an die Renngene der C-Serie.
Dass das C68 kein Rad von der Stange ist, zeigt sich allerdings auch im Preis. Das “günstigste” Modell mit SRAM Red eTap und Zipp-Laufrädern startet bei 13.260 Euro. Unser Testrad mit Schaltung (Dura-Ace Di2 2x12) und Laufrädern (Dura-Ace C50) von Shimano liegt bei 14.065 Euro. Zudem ist eine Version mit Campagnolo-Komponenten (Super Record, Bora Ultra WTO 45) für 15.770 Euro erhältlich. Die limitierten C68Ti-Modelle liegen zwischen 14.205 und 16.780 Euro. Die Rahmensets kosten je nach Ausführung 5.650 und 6.600 Euro. Wer noch Geld für eine Sonderlackierung übrig hat, der muss zusätzlich 1.200 Euro einkalkulieren. Eine Version mit Felgenbremsen soll noch kommen.
Ab Herbst ist das C68 zudem als Allroad-Variante mit Platz für bis zu 35 Millimeter breiten Reifen verfügbar. Etwas später ist eine Gravel-Version mit maximaler Reifenfreiheit von 45 Millimetern geplant.