Jens Klötzer
· 02.10.2025
"Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann" - mit diesem philosophisch anmutenden Zitat vom französischen Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry, Autor des berühmten Romans „Der kleine Prinz“, leitet Specialized die Präsentation des neuen Aethos ein. Mit der zweiten Generation des Leichtbau-Renners verfolgt der US-Hersteller auch ein philosophisch anmutendes Ziel: Das Aethos 2 soll mehr sein als ein kompromisslos leichtes Rennrad, sondern die Tür öffnen zu einem aufs absolut Wesentliche reduzierten Fahrerlebnis – so steht es im Pressetext.
Das vor vier Jahren erstmals eingeführte Modell war lange das leichteste Rennrad eines Serienherstellers, und das mit großem Abstand. Ein von uns getestetes Exemplar wog in Größe 56 mit Dura-Ace-Ausstattung nur 6,1 Kilogramm. Mit den jüngst erschienenen Modellen Scott Addict RC Ultimate (5,9 Kilogramm), das sich im TOUR-Test eine Traumnote sicherte, und Cervélo R5 (6,0 Kilogramm) wurde die Marke inzwischen geknackt. Diese dezidierten Wettkampf-Modelle stehen zwar nicht in direkter Konkurrenz zum Aethos, das seit jeher als Rad für enthusiastische Freizeitsportler positioniert ist. Mit der Kunst des Weglassens soll die zweite Generation des Aethos dennoch wieder Bestmarken setzen: Laut Specialized ist das neue Aethos 2 mit 5,9 Kilogramm das bislang leichteste Rennrad der Marke.
Dass die derzeitigen Top-Gewichte der Konkurrenz sich nicht erneut signifikant unterbieten lassen, dessen sind sich die US-Amerikaner offenbar bewusst. Zwar soll der S-Works-Rahmen des Aethos aus Fact-12r-Carbon nur 595 Gramm wiegen und damit aktuell der leichteste Serienrahmen der Welt sein. Auch die „normale“ Factr-10r-Version ist mit 705 Gramm im Marktumfeld, wo aerodynamisch designte Carbonrahmen durchschnittlich rund 1.000 Gramm wiegen, immer noch sehr leicht. Doch Specialized betont, dass Gewichtsrekorde bei der Entwicklung des neuen Aethos nicht allein im Vordergrund standen.
Der Rahmen wirkt optisch nur behutsam verändert: Markante Aero-Profile sucht man weiter vergebens; das klassische, runde Rohr und eine traditionelle Diamant-Geometrie dominieren. Ein Tribut an die Moderne sind die in Lenker und Vorbau integrierten Bremsleitungen und für die Top-Version ein einteiliges Carbon-Cockpit – die erste Generation hatte darauf aus Gewichtsgründen noch verzichtet. Das Aethos verfügt aber weiter über eine runde Sattelstütze mit klassischer Klemmschelle sowie ein geschraubtes BSA-Tretlager.
Wesentliche Änderungen zum Vorgängermodell betreffen die Geometrie, womit Specialized wohl auf die Ansprüche der Zielgruppe reagiert: Zwar soll das viel gelobte präzise Handling des Aethos auch Merkmal der neuen Generation geblieben sein. Auf Datenbasis des hausinternen Bikefitting-Programms namens Body Geometry wurde die Geometrie aber für einen größeren Kundenkreis angepasst. Laut Hersteller wurden dafür 100.000 Datensätze ausgewertet. Konkret bedeutet das vor allem, dass die Sitzposition komfortabler geworden ist: Gegenüber dem Vorgänger bietet das Aethos 2 bei den meisten Rahmengrößen 15 Millimeter mehr Stack. Nur für die beiden kleinsten Größen 49 und 52 beträgt der Aufschlag etwas weniger. Damit positioniert Specialized das Rad noch deutlicher als Endurance-Modell als bislang; das Ur-Modell hatte noch eine wettkampforientierte Geometrie.
Weitere Änderungen sind ein um sieben Millimeter verlängerter Radstand und ein um 0,5 Grad flacherer Lenkwinkel, was für eine bessere Laufruhe auf der Geraden spricht. Das Tretlager wurde drei Millimeter tiefer gesetzt, davon verspricht sich Specialized eine stabilere Straßenlage in schnellen Kurven. An modernen Ansprüchen orientiert sich ebenfalls der Platz für breitere Reifen: 35 Millimeter passen nun durch Rahmen und Gabel.
Mit der Präsentation des Aethos 2 einher gehen die neue Lenker-Vorbau-Einheit und ein neuer Laufradsatz von Roval. Beide hören auf den Namen Alpinist, was auf die leichtesten Komponenten der Eigenmarke hinweist, und sind auch als separate Komponenten erhältlich. Ein 40 Zentimeter breites Alpinist Cockpit II soll 270 Gramm wiegen und zirka 30 Prozent mehr Dämpfung bieten als das vom Tarmac SL8 - hier geht’s zum TOUR-Test des Race-Allrounders - bekannte aerodynamische Rapide-Cockpit. Mit einer klassischen 1-1/8-Zoll-Klemmung ist es auch mit anderen Rädern kompatibel. Es ist mit Ausnahme der günstigsten Version “Expert” an allen Ausstattungsvarianten des Aethos 2 verbaut.
Der Alpinist CLX III Laufradsatz soll mit nun 1.131 Gramm für Vorder- und Hinterrad ebenfalls Gewicht gespart haben: Mehr als 100 Gramm allein durch den Einsatz neuer Carbonspeichen. Außerdem kommen leichtere Naben zum Einsatz, deren Innenleben stammt von Zulieferer DT Swiss. Die Felge blieb unverändert. Der neue Laufradsatz steckt nur in den teuren S-Works-Varianten.
Von beiden verfügbaren Qualitäten werden auch Rahmen-Sets zum Selbstaufbau angeboten: Die Basis des “Pro” und “Expert” für 3799, das leichtere Top-Modell S-Works für 5499 Euro. Das Portfolio der Komplettangebote führen die Top-Versionen S-Works Aethos 2 mit Shimano Dura-Ace oder SRAM Red AXS an. Beide Räder kosten das gleiche: 13.499 Euro. Die Gewichte sind jeweils mit rund sechs Kilogramm angegeben. Die Pro-Varianten mit schwererem Rahmen kommen mit Shimanos Ultegra Di2 oder SRAM Force AXS für je 8499 Euro und rund 6,7 Kilogramm Gesamtgewicht. Die “Einstiegsvariante” namens Expert verzichtet auf das Roval Carbon-Cockpit und bietet stattdessen einen klassisch geklemmten Carbonlenker. Sie kostet 6299 Euro und soll knapp über sieben Kilogramm wiegen. Eine außerdem in der Pressemitteilung gelistete Expert-Version mit SRAM Force wird in Europa offiziell nicht angeboten.