Auf der letztjährigen Eurobike stellte der Fahrradhersteller aus Fernost die neue Plattform vor. Als “Begleiter für die rasante Welt der Gravel-Rennen”, so die offizielle Mitteilung. Dabei deutete schon die Modellbezeichnung darauf hin, dass die Neuheit mehr Eigenschaften mit dem fast gleichnamigen Marathonmodell der Taiwaner als mit einem modernen Gravelbike teilt.
Fast folgerichtig übernimmt die Neuheit die Rahmengeometrie des langstreckentauglichen Scultura Endurance und bringt den Fahrer in eine aufrechte Sitzposition. Interessant: Auf dem Silex, ein waschechtes Gravelbike in Meridas Sortiment, nimmt der Fahrer minimal gestreckter Platz. Beim Fahrverhalten zeigt sich das GR gutmütig und rollt mit einer wohldosierten Laufruhe über Asphalt und Schotter.
Während viele Allroad-Bikes ab Werk bei der Reifenwahl knausern und nur die Option für breitere Pneus lassen, schöpft das Merida diese bereits aus. Die effektiv 38 Millimeter breiten Terra Speed von Continental lassen eine schnelle Gangart zu, kommen aber nicht an das Komfortniveau von Gravelreifen heran. Im Unterschied zu Offroad-Spezialisten ist damit das Einsatzgebiet etwas kleiner, für die Schotterautobahn eignen sich die hochwertigen Gummis aber allemal.
Der Federkomfort des Rahmen-Sets ist gut, insbesondere die Carbon-Sattelstütze mit 15 Millimetern Versatz dämpft Vibrationen spürbar. Auf ruppigem Geläuf kommt das GR jedoch an seine Grenzen, da speziell die Lenker-Vorbau-Kombi aus Aluminium recht unnachgiebig ist und Stöße vom Fahrbahnbelag wenig absorbiert. Das einfache Cockpit trägt wie der robuste Carbonrahmen und schwere Carbonlaufradsatz zum recht hohen Gesamtgewicht von fast neun Kilo bei. Sowohl rennmäßige Gravelbikes als auch vielseitige Allroadbikes sind mitunter deutlich leichter und können unter acht Kilogramm wiegen.
Beim Antrieb orientiert sich das Scultura klar an Straßenrädern, indem es sich mit einer elektronischen SRAM Force und 2x12-Übersetzung schalten lässt. Dadurch stehen mehr Gänge als bei typischen Gravelbikes mit nur einem Kettenblatt zur Verfügung, zudem sind die Sprünge kleiner. Spezielle Kühlrippen an den Bremssätteln sollen unter Volllast gegen Überhitzung schützen.
Im Unterschied zu klassischen Geländerädern lässt sich das Rahmen-Set des GR “nur” mit Schutzblechen nachrüsten. Auf Montagepunkte für Gepäcktaschen verzichtet Merida. Ein Mini-Tool ist dennoch immer an Bord: Der Pannenhelfer steckt in einer Gummihalterung unter dem Sattel. Dass es bessere Stellen zur Aufbewahrung gibt, zeigten unser Testfahrten auf durchweichten Böden.
Gravel- oder Allroadbike? Für TOUR fällt die Antwort eindeutig aus: Die Rahmengeometrie, relativ schmalen Pneus und der geringe Zusatznutzen verorten das Scultura Endurance GR 8000 als vielseitigen Alleskönner, der sowohl auf asphaltierten Wegen als auch leichten Wald- und Schotterwegen funktioniert und damit per Definition als Allroadbike gilt.
Merida bietet neben dem 5499 Euro teuren Top-Modell, das in Deutschland nur in grauer Lackierung erhältlich ist, noch zwei weitere Ausstattungsvarianten an. Das GR 5000 basiert ebenfalls auf einem Carbonrahmen und schaltet mechanisch mit Shimanos neuer GRX, das GR 500 für 1699 Euro kommt mit einem Alu-Rahmen und 2x10-Übersetzung der Gravel-Gruppe.