Einzeltest 2017Canyon Endurace CF SLX 9.0

Unbekannt

 · 02.03.2017

Einzeltest 2017: Canyon Endurace CF SLX 9.0Foto: Markus Greber
Canyon Endurace CF SLX 9.0

Mit durchdachten Details tritt das ­Endurace an, um bei Marathonrennern im Canyon-­Sortiment eine Lücke zu schließen. Es wirft eine interessante Frage auf: Kann ein Rennrad auch zu sehr gefedert sein?

Das neue Endurace CF SLX ist das Marathon-­Pendant zu den wettkampforientierten High-End-Modellen Aeroad CF SLX und Ultimate CF SLX von Canyon. 4.300 Euro kostet das Testmodell Endurace CF SLX 9.0 mit mechanischer Dura-Ace-­Schaltung; das liegt preislich in der Mitte von fünf Ausstattungsvarianten. Das Rad wiegt 7,3 Kilo, was in ­Anbetracht der Aus­stattung wenig ist; auch das Rahmen-Set in Größe M inklusive Lenklager ist mit 1.190 Gramm leicht. Optisch ähnelt es dem Ultimate CF SLX, von dem unter anderem die aerodynamisch geformten Rohrprofile stammen – ein Novum für Marathonrenner. Auch die elegante Lenker-Vorbau-Einheit scheint vom Ultimate übernommen, die Form des ­Bügels ist aber auf die Ansprüche von Touren- und Marathonfahrern abgestimmt. Der breite, angenehm zu grei­fende Oberlenker kommt dem Fahrer leicht entgegen. Die Lenker­enden sind etwas zu den Seiten ausgestellt, der Vorbau steigt ­minimal nach oben an. Man sitzt daher einen Tick aufrechter, als es der STR-Wert von 1,53 erwarten lässt – und insgesamt sehr entspannt.

Wie viele andere neue Räder ist das Endurace CF SLX nur für Scheibenbremsen konzipiert; eine Version mit Felgenbremsen ist nicht geplant. Die BR-RS805-Bremsen von Shimano mit Ice-Tech-Freeza-Scheiben von je 160 Milli­metern Durchmesser zeigen im Test keine Schwäche. Selbst die Monsterabfahrt vom Kitzbüheler Horn mit bis zu 22 Prozent ­Gefälle brachte die Bremsen bei 76 Kilo System­gewicht aus Fahrer und Rad nicht ans Limit. Die stabilen Alu-Laufräder von DT Swiss werden von Steckachsen mit je 12 Milli­metern Durchmesser fixiert. Ungewöhnlich ist das mit 21 Millimetern sehr breite Felgenbett. Die nominell 28 Millimeter breiten ­Reifen von ­Continental blähen sich darin auf stattliche 31 Millimeter Breite, womit sogar Ausflüge auf Schotterwege möglich werden. Gabel und Hinterbau bieten Platz für bis zu 32 ­Millimeter breite Gummis.

Neben den Reifen vermittelt vor allem die serienmäßige VCLS-2-Blattfederstütze fast sänftengleichen Federkomfort. Ihr drehbarer Kopf erlaubt zwei Sattelpositionen mit mehr oder weniger Abstand zum Lenker. Eine deutlich unterhalb der Rohroberkante ins Sitzrohr integrierte Segmentklemmung ­fixiert die Stütze materialschonend. Oberhalb der Klemmung wird die Stütze in einer elastischen Kunststoffhülse geführt. Dadurch verlängert sich der Bereich, in dem die Stütze federn kann, je nach Rahmengröße um bis zu elf Zentimeter. Um die Biegefähigkeit der Konstruktion vollends auszureizen, ist das Sitzrohr etwas nach vorne verlagert und leicht geknickt, während das Oberrohr eher kurz ausfällt. Trotzdem lässt sich über die große horizontale Verstellbarkeit des Sattels jeder sinnvolle Sitzwinkel realisieren.

  Canyon Endurace CF SLX 9.0Foto: Markus Greber
Canyon Endurace CF SLX 9.0

Komfort-Rekordwerte

Der hohe Aufwand drückt sich in Labor­werten aus, mit denen sich das Endurace CF SLX weit von allen Konkurrenten absetzt: In der vorderen Sattelposition liegt der Wert am Sattel bei 69 N/mm, in der hinteren bei 64 N/mm – beides einsame Rekordwerte für Rennräder. In vielen Situationen fährt sich diese Abstimmung angenehm. Das große Reifenvolumen, gefüllt mit relativ geringem Druck – wir wählten fünf bis sechs Bar –, beschert dem Fahrer vor allem dort Wohl­gefühle, wo er sonst kräftig durch­gerüttelt wird, etwa auf Kopfsteinpflaster. Die Reifen lassen nie das Gefühl aufkommen, zäh zu rollen, Traktion und Kontrolle über das Rad sind hervorragend.

Allerdings wird nicht jeder Fahrer mit der soften Abstimmung glücklich. Beim schnellen Durchfahren einzelner Schlaglöcher schnellt die Stütze recht rüde zurück und ­federt nach; bei sehr hohen Trittfrequenzen schwingt sie zudem deutlich, da sie keine Dämpfung aufweist. Rennfahrer und schwere Piloten, die das stören dürfte, könnten eine straffer abgestimmte konventionelle Stütze nachrüsten. Leichte Fahrer dagegen können auf dem Endurace CF SLX erfahren, wie kom­for­tabel Renn­räder ­heute sein können.

Ein weiterer Kritikpunkt, der ebenfalls nicht alle potenziellen Käufer betrifft, ist die knappe Fußfreiheit. Bei Rädern bis Größe M können ab Schuhgröße 43 die Schuhspitzen bei starkem Lenk­einschlag den Reifen touchieren. Das Problem ist bei ­Canyon nicht neu, andere Hersteller haben es nicht. Entscheidend ­getrübt wird der Fahr­eindruck dadurch jedoch nicht. Mit der extrem komfortablen Abstimmung vor ­allem am Heck muss das Endurace CF SLX zumindest in seiner Preisklasse keine Konkurrenz fürchten.

PLUS fahrstabil, leicht, Reifenfreiheit bis 32 Millimeter, top bei Preis-Leistung
MINUS Lenker-Vorbau-Einheit erschwert Positionsanpassung und Transport, knappe Fußfreiheit, Sattelstütze für schwere Fahrer und hohe Trittfrequenzen zu weich abgestimmt

GESAMTNOTE 1,5

Preis 4.299 Euro
Gewicht 7,3 Kilo

Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager* 796/359/35 Gramm
Rahmengrößen** XXS/XS/S/M/L/XL/XXL
Sitz-/Ober-/Steuerrohr 515/540/156 mm
Stack/Reach/STR*** 578/378 mm/1,53
Antrieb/Schaltung Shimano Dura-Ace (52/36 Z., BB86)
Bremsen Shimano BR-RS805 (160/160 mm)
Laufräder/Reifen (Gewichte) DT Swiss Dicut RR21/Conti GP 4000S2, 28 mm (1.219/1.583 Gramm)

MESSWERTE & EINZELNOTEN****
Gewicht Komplettrad 7,3 Kilo: 2,3
Lenkkopfsteifigkeit 103 Nm/°: 1,0
Seitensteifigkeit Gabel 52 N/mm: 2,3
Tretlagersteifigkeit 66 N/mm: 1,0
Federweg Sattelstütze 69 N/mm: 1,0
Federweg Gabel 73 N/mm: 2,3

  Canyon Endurace CF SLX 9.0Foto: TOUR Testabteilung
Canyon Endurace CF SLX 9.0
  Canyon Endurace CF SLX 9.0Foto: TOUR Testabteilung
Canyon Endurace CF SLX 9.0

* Gewogene ­Gewichte.
** Herstellerangabe Testgröße fett.
*** Stack/Reach projiziertes senkrechtes/waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr; STR (Stack to Reach) 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition.
**** Einzelnoten, die unterschiedlich gewichtet in die Gesamtnote einfließen, drucken wir aus Platzgründen nur zum Teil ab. Die Noten werden bis zur Endnote mit allen Nachkommastellen gerechnet; zur besseren Übersichtlichkeit geben wir aber alle Noten mit gerundeter Nachkommastelle an.

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