Das Votec VRC Pro im Test

Julian Schultz

 · 02.06.2022

Das Votec VRC Pro im TestFoto: Kerstin Leicht

Das modellgepflegte Votec VRC Pro schaltet künftig elektronisch - entweder mit SRAMs Rival eTap oder der Ultegra Di2 von Shimano. Der Grundcharakter des vielseitigen Rades für ­Asphalt- und Schotterwege bleibt dagegen ­unverändert.

Schwieriger Spagat

Gibt es zwischen Marathon-Rennrad und Gravelbike noch Platz für eine weitere Gattung? Offenbar ja. Zumindest zwängen sich immer wieder neue Räder zwischen die beiden etablierten Kategorien. Die Rede ist von Allroad-Bikes. Wie es der Name suggeriert, sollen sie sich auf nahezu jedem Untergrund wohlfühlen und die Langstreckentauglichkeit eines Marathonrades mit der Geländegängigkeit eines Gravelbikes vereinen. Ob dieser Spagat gelingt?

Den Beweis muss im TOUR-Test das neue Votec VRC Pro an­treten, das sich laut Hersteller “auf allen Straßen zu Hause fühlt” und für das aktuelle Modelljahr mit elektronischen Zwölffach-­Gruppen wahlweise von SRAM oder Shi­mano überarbeitet wurde.

Bevor man sich in den Sattel des Votec VRC Pro schwingt, sticht bereits der markante Knoten zwischen Sitz- und Oberrohr ins Auge. Wie beim Vorgänger - der relativ wuchtige Carbonrahmen blieb bei der Modellpflege un­berührt - beherbergt er die Sattelstützen­klemmung. Mit zwei Innensechskant­schrauben ist diese am Oberrohr befestigt und lässt sich samt Sattelstütze entfernen. Die eingestellte Sitzhöhe bleibt dabei fixiert. Das nette ­Detail macht das VRC etwas war­tungsfreund­licher, bietet ansonsten aber keinen allzu großen Mehrwert.

Tief ansetzende Klemmung

Im Sattel präsenter sind die Stärken der Konstruktion beim Federkomfort. Durch die tief ansetzende Klemmung flext schon die günstige Alu-Sattelstütze spürbar. Eine Carbonstütze würde noch deutlich mehr nachgeben, ist aber erst ab den beiden teuersten Ausstattungsvarianten (ab 3.999 Euro) serienmäßig beim Votec VRC Pro an Bord. In Relation dazu verhält sich die Fahrradfront extrem unnachgiebig, die ­massive Carbongabel federt kaum. Sowohl vergleichbare Allroad-Bikes wie das BMC Roadmachine X (TOUR 1/2022) als auch ­aktuelle Endurance-Modelle wie Roses ­Reveal Four (TOUR 4/2022) können das ­deutlich besser.

Der Lenkerdurchmesser an den Griffpositionen ist für ein Allroad-Bike relativ klein
Foto: Kerstin Leicht

Diese Härte können die 32 Millimeter breiten Serienreifen immerhin etwas kompensieren. Auf Asphalt und brettebenen Schotterautobahnen bügelt das flinke Votec die Unebenheiten weg. Sobald der Untergrund jedoch loser wird, beginnt das Votec VRC Pro über die Steinchen zu hoppeln, auf schlammigen ­Böden beißen die glatten Vittoria-Pneus vom Typ Terreno Zero zu wenig in den Untergrund. Auch wenn Rahmen und Gabel noch bis zu 35 Millimeter breite Reifen zulassen würden: Ein aufs Gelände spezialisiertes Gravelbike ersetzt das VRC also nicht.

Hohes Gewicht, moderne Technik

Die Rahmengeometrie ist ausgewogen und taugt für entspannte Touren wie hohe Geschwindigkeiten gleichermaßen. Durch den vergleichsweise langen Radstand, gepaart mit einem extremen Nachlauf, rollt das Votec ­VRC Pro äußerst spurtreu und ruhig, auch auf losem Untergrund. Bei schnellen Abfahrten oder Ausweichmanövern im Gelände – Stichwort: Schlaglöcher - reagiert es dafür ziemlich behäbig. Auch das recht hohe Gesamtgewicht von 8,7 Kilogramm verhindert spritzige ­Manöver, sowohl das Rahmen-Set als auch die Laufräder fallen schwer aus.

Bei den Schaltgruppen spendiert die Stuttgarter ­Versandhandelsmarke, die über die Onlineplattformen fahrrad.de und bruegelmann.de vertrieben wird, dem VRC modernste Technik. Die getestete Pro-Variante ist zu einem bemerkenswert fairen Preis mit Shimanos neuer Ultegra Di2 2x12 ausgestattet, die mit präzisen Gangwechseln sowie kraftvollen Bremsen überzeugt. Dank der 1:1-Übersetzung nimmt das ­Votec auch steilere Rampen unter die Räder. Auch am 500 Euro preiswerteren VRC Comp, der günstigsten Variante, schaltet man mit SRAMs Rival eTap AXS per Funk und mit kleiner Übersetzung (48/35, 10-36 Zähne), muss aber ein Mehrgewicht von rund 500 Gramm einkalkulieren. Das Rahmen-Set gibt es in limitierter Stückzahl für 1.499 Euro.

Fazit

Insgesamt zeigt das Votec VRC Pro die Charaktereigenschaften, die man von einem Allroad-Bike erwarten kann. Vor allem auf planierten Feld- und Waldwegen schöpft es es sein Potenzial aus, der Fahrspaß ist dann durchaus mit dem eines Race-Gravelbikes vergleichbar. Auch auf Asphalt macht das Votec - trotz seines hohen Gewichts - eine gute Figur und konkurriert mit günstigen Marathonrädern. Entgegen der Herstellerangabe fühlt es sich aber nur bedingt “auf allen Straßen zu Hause”. Anspruchsvolles Gelände sollte man mit dem VRC Pro meiden und den Spezialisten überlassen. Bei Votec hören diese auf den Namen VRX und wurden Ende vergangenen Jahres ebenfalls überarbeitet.

Fakten zum Votec VRC Pro

  • Preis: 3.499 Euro
  • Gewicht Komplettrad: 8,7 Kilo
  • Info: www.votec.de
Votec VRC ProFoto: Kerstin Leicht
Votec VRC Pro

Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager*: 1.318/410/62 Gramm

Rahmengrößen**: XS, S, M, L, XL

Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 505/555/168 Millimeter

Stack/Reach/STR***: 583/389 Millimeter/1,50

Radstand/Nachlauf: 1.005/62 Millimeter

Ausstattung

Antrieb/Schaltung: Shimano Ultegra Di2 (2x12, 50/34, 11-34 Z.)

Bremsen: Shimano Ultegra (160/140 mm)

Laufräder/Reifen (Gewichte): Mavic Allroad S/Vittoria Terreno Zero 32 mm (v./h.1.546/2.002 g)


*Gewogene ­Gewichte.

**Herstellerangabe Testgröße fett.

***Stack/Reach projiziertes senkrechtes/waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr; STR (Stack to Reach) 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition.