Auf die Plätze, fertig, stylisch!Das Enve Melee im Einzeltest

Jens Klötzer

 · 21.09.2023

Der Weg zum Komplettrad: Mit dem Melee will Enve ein gutes Einsteiger-Rennrad anbieten
Foto: Skyshot/Greber
Das Enve Melee im Detail
Für Enve ist das Melee ein wichtiger Schritt vom Felgenspezialisten hin zur Komplettradmarke. Das edel wirkende Rennrad ist in vielerlei Hinsicht spannend und könnte den Nerv vieler treffen – wäre da nicht der Preis.

Dass die Komponentenmarke Enve inzwischen auch als Rahmenhersteller aktiv ist, dürfte hierzulande noch wenigen Rennrad-Fans bekannt sein. Zwar ist die Tochter der finnischen Amer-Sports-Gruppe mit Carbonteilen vom Laufrad bis zur Sattelstütze global präsent. Doch das erste Enve-Rahmen-Set Custom Road, nach Auftrag und auf Maß für eine solvente Kundschaft gefertigt, wird nur im Produktionsland USA vermarktet. Mit dem Straßenrad Melee stellen sich die Amerikaner seit einem Jahr auch dem internationalen Wettbewerb. Statt im Heimatland wird das Rahmen-Set – wie die Rahmen der meisten Wettbewerber auch – von einem asiatischen Zulieferer gebaut. An die Stelle der Maßfertigung aus ­einzelnen Rohren tritt die übliche Monocoque-Bauweise; es gibt also vorgefertigte Geometrien in immerhin sieben verschiedenen Größen.

Das Melee, was übersetzt so viel wie „Handgemenge“ bedeutet, ist dennoch kein Rennrad von der Stange. Angeboten wird das Rahmen-Set mit Sattelstütze, Vorbau und Lenker, deren Abmessungen man selbst bestimmt – so ist man nicht auf eine Vorkonfektionierung des Herstellers angewiesen. Komplettiert wird das Rad in Eigenregie oder bei einem Vertragshändler; als Komplettrad wird das Enve Melee nur selten angeboten.

Unter 7 Kilo möglich

Unser Testrad kommt mit einer Ultegra-Di2-­Schaltgruppe von Shimano, die angesichts der luxuriösen Carbonlaufräder und etlicher Kohlefaserteile fast wie eine Sparmaßnahme wirkt. Das Rad macht insgesamt einen dezenten und aufgeräumten, überaus edlen Eindruck; vor allem die metallisch glänzende Lackierung namens Damaskusgrau ist ein Augenschmeichler. Die Rahmenformen zeugen von einem sportlichen Anspruch, erkennbar stand ein ausgewogenes Verhältnis von guter Aerodynamik und geringem Gewicht im Lastenheft. Das ist dem Melee gut gelungen; der Rahmen ist trotz der satten Lackierung mit knapp unter 1000 Gramm relativ leicht, mit einer Top-Schaltgruppe wäre ein Komplettgewicht unter sieben Kilogramm drin. Im Windkanalversuch schneidet das Rad mit 218 Watt erforderlicher Tretleistung für 45 km/h besser ab als viele Allrounder größerer Hersteller. Das liegt auch an den schnellen, aber teuren Carbonlaufrädern. An ausgewiesene Aero­-Experten kommt das Rad nicht heran, doch das ist auch nicht sein Anspruch.

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Einsteiger-Rennrad: Kann viel, kostet viel

Schon die Breite der montierten Reifen zeigt an, dass sich das Melee nicht nur auf Highspeed auf gut geteerten Rennstrecken beschränken will. Die nominell 29 Millimeter breiten Pneus blähen sich auf den breiten Felgen auf gut 30 Millimeter, was das ohnehin recht komfortable Rad uneingeschränkt langstreckentauglich macht. Mehr noch:

Mit einer zulässigen Reifenbreite von bis zu 35 Millimetern sind auch leichte Gravel­touren denkbar, wodurch das Melee ziemlich einzigartig wird. Auch die integrierten Gewinde für fest montierte Schutzbleche sucht man an anderen Rädern mit solch sportlichem Zuschnitt vergebens.

Aus einem Guss: Vorbau und Lenker kommen ebenfalls von Enve und fügen sich nahtlos ins Gesamtbild, lassen sich aber getrennt voneinander anpassenFoto: Matthias BorchersAus einem Guss: Vorbau und Lenker kommen ebenfalls von Enve und fügen sich nahtlos ins Gesamtbild, lassen sich aber getrennt voneinander anpassen

Berechenbares Fahrverhalten, sportliche Sitzposition

Das Lenkverhalten ist auf die breite Bereifung abgestimmt und mit unserem Aufbau fährt sich das Rad wunderbar ausgewogen und berechenbar, auch Anfänger kommen damit spielend zurecht. Die Sitzposition ist durchaus sportlich, aber nicht extrem, sodass das Rad Rennfahrer ebenso ansprechen dürfte wie ambitionierte Tourenfahrerinnen. Ein Rad für einen großen Kundenkreis also – in der Theorie. Denn die Preisgestaltung wird den Kreis auf sehr anspruchsvolle und vor allem solvente Interessenten beschränken. Für das Rahmen-Set werden 5500 Euro aufgerufen, das ist trotz der perfekten Verarbeitung und vieler gut durchdachter Details ambitioniert. Der Aufbau des Testrades mit Shimanos elektronischer Ultegra dürfte laut Hersteller je nach Händlerkonditionen um die 12.000 Euro liegen. Mit einer (noch) exklusiveren Ausstattung und dem Aufbau­service eines Fachhändlers sind Preise über 15.000 Euro nicht ausgeschlossen.

Enve Melee im Detail

Enve MeleeFoto: Matthias BorchersEnve Melee
  • Preis: 5500 Euro (Rahmen-Set)
  • Info: www.enve.com
  • Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager*: 982/432/83 Gramm
  • Rahmengrößen**: 47, 50, 52, 54, 56, 58, 60
  • Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 490/555/161 Millimeter
  • Stack/Reach/STR***: 580/391 Millimeter/1,48
  • Radstand/Nachlauf: 995/57 Millimeter

Ausstattung

  • Antrieb/Schaltung: Shimano Ultegra Di2 (2x12; 52/36, 11-34 Z.)
  • Bremsen: Shimano Ultegra (160/140 mm)
  • Laufräder/Reifen (Gewichte)****: Enve SES 3.4/Enve SES 29 mm (v./h.: 1.151/1.583 g)
Stärken und Schwächen des Enve Melee in der TOUR-GrafikStärken und Schwächen des Enve Melee in der TOUR-Grafik

Messwerte und Einzelnoten *****

  • Gewicht Komplettrad 7,3 Kilo 2,3
  • Lenkkopfsteifigkeit 96 Nm/° 1,3
  • Seitensteifigkeit Gabel 43 N/mm 2,7
  • Tretlagersteifigkeit 57 N/mm 1,7
  • Federhärte Sattelstütze 149 N/mm 1,7
  • Aerodynamik****** 218 Watt 2,7

*Gewogene ­Gewichte

**Herstellerangabe Testgröße fett.

***Stack/Reach projiziertes senkrechtes/waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr; STR (Stack to Reach) 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition.

****Laufradgewichte inklusive Bereifung, Kassette, Schnellspanner/Steckachsen und ggf. Bremsscheiben.

*****Einzelnoten, die unterschiedlich gewichtet in die Gesamtnote einfließen, drucken wir aus Platzgründen nur zum Teil ab. Die Noten werden bis zur Endnote mit allen Nachkommastellen gerechnet; zur besseren Übersichtlichkeit geben wir aber alle Noten mit gerundeter Nachkommastelle an.

******Aerodynamik theoretisch benötigte Tretleistung, um den Luftwiderstand bei 45 km/h zu überwinden, gemessen im Windkanal mit einem tretenden Bein.

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