Klassische, betont leichte Rennräder werden in Profirennen immer seltener gefahren, auf den meisten Strecken bekommen aerodynamisch optimierte Maschinen den Vorzug. Mancher Hersteller ist gar dazu übergegangen, diese Modelle ganz einzustellen und nur noch einen Allrounder für alle Rennen einzusetzen. Im Gegensatz dazu hält Cervélo im Race-Segment an seiner Zwei-Räder-Strategie fest. Neben dem aerodynamisch schnellen S5, das Jonas Vingegaard jüngst zum Vuelta-Sieg pilotierte, ergänzt das R5 als leichtes Bergrad das Portfolio und steht unter anderem den Profis bei Visma | Lease a Bike als Alternative für Hochgebirgsetappen zur Verfügung. Mit einer erneuten, deutlichen Gewichtsreduzierung soll sich der Vorteil nun häufiger auszahlen. Bei der Tour de France Femmes fuhr Pauline Ferrand-Prévot auf dem damals noch unveröffentlichten Kletterflitzer den entscheidenden Vorsprung auf dem Weg zu ihrem Gesamtsieg heraus. Man darf davon ausgehen, dass das Rad der 1,65 Meter kleinen Französin in Größe 48 deutlich schwerer war als das von uns getestete Modell in Größe 56, denn in Profirennen muss sie sich an das Mindest-Radgewicht von 6,8 Kilogramm halten. Bei unserem Testrad dagegen darf der kanadische Hersteller zeigen, was möglich ist: Ohne Umwerfer und mit nur einem Kettenblatt ausgestattet, schickte uns Cervélo die leichtestmögliche Konfiguration zum Fahrtest.
Die radikale Diät des R5 erstreckt sich über alle Bauteile. Rahmen und Gabel wiegen unter anderem dank schlankerer Rohrformen insgesamt 100 Gramm weniger; das neue One-Piece-Cockpit sei knapp 140 Gramm leichter. In Summe sollen die neuen Komponenten aus eigener Fertigung 326 Gramm herausholen. Bei den Bauteilen von Drittanbietern werden nach Cervélo-Angaben weitere 380 Gramm eingespart: Die Reserve SL-Laufräder mit leichteren Felgen wurden speziell für das R5 entwickelt; zarte Vittoria Zeitfahr-Pneus sparen weitere Gramm. Und klar: Weil auch Farbe wiegt, gibt’s das neue R5 ausschließlich in Schwarz. Dergestalt stehen 6,05 Kilogramm auf der Waage – das ist zwar etwas mehr als angekündigt, aber ein Top-Wert. Genüber dem Vorgängermodell, 2022 im TOUR-Test, ist das mehr als ein Kilogramm weniger. Von den großen Radherstellern wird es nur knapp vom Scott Addict RC Ultimate unterboten, das wir mit 5,88 Kilogramm gewogen haben.
Wie sich so ein Fliegengewicht fährt? Verspielt, das trifft es wohl am besten. Die Lenkung ist sensibel, aber nicht zu nervös; am Berg schiebt jede Kurbelumdrehung das Rad nach vorne, als wäre das Trägheitsgesetz außer Kraft gesetzt. Der gute Federkomfort am Sattel bleibt eine Stärke des Rades, das zeigt auch ein erster Durchlauf durchs TOUR-Labor. Was zu einer Gesamtnote noch fehlt, ist der Aerodynamik-Wert, doch allzu viel sollte man sich davon nicht versprechen. Der Vorgänger schnitt mit 231 Watt nur durchschnittlich ab; am Rahmen des neuen R5 ist nicht ersichtlich, warum es einen größeren Satz nach vorne machen sollte.
Um das Rad UCI-legal zu beschweren, reichen Pedale und ein Computer nicht aus. Wir würden unter anderem robustere Tubeless-Reifen und eine Zweifach-Kurbel empfehlen, so ist auch Ferrand-Prèvot das R5 gefahren. Der 1x13-Antrieb von SRAM erscheint uns für dieses Rad sogar völlig ungeeignet. Bandbreite und Abstufung mögen für gemäßigtes Terrain und starke Beine noch okay sein, aber der kurze Radstand und das Mono-Kettenblatt bleiben eine technisch schwierige Kombination. Dass der Berggang hörbar mahlt und sich der größte im Grunde nicht unter Last fahren lässt, ohne Angst um die Kette zu haben, ist bei diesem Preis ein No-Go. Den 2x12-Antrieb gibt es wahlweise ohne Aufpreis, mit SRAM Force oder Shimano Ultegra kostet das R5 3000 Euro weniger.
extrem leicht, komfortabel, ausgewogenes Handling
mit Einfach-Antrieb nur eingeschränkt nutzbar, teuer