Es fühlt sich an wie ein herkömmliches Fahrrad! Wenn diese oft von Marketingexperten verwendete Aussage auf irgendein Pedelec-Typ zutrifft, dann am ehesten auf Renn- und Gravelbikes mit elektrischer Unterstützung. Das mag paradox klingen, da sie die leichtesten Modelle in der Welt der E-Bikes sind. Man könnte meinen, dass das Aufladen des Motors und des Akkus das Handling, die Wendigkeit und sogar das Aussehen beeinträchtigen würde. Doch auch die Hersteller haben erkannt, dass sie nicht alles technisch Mögliche in solch ein Fahrrad stecken müssen. Stattdessen setzen sie auf die Tugend der Bescheidenheit.
Aufgrund der empfindlichen Fahrphysik eines E-Gravelbikes im Vergleich zu schwereren Downhillbikes oder SUVs und dem agilen Handling eines leichten Rennrades, wird bei E-Gravelbikes eher auf maximale Leistung, Steuerungs-Schnickschnack und Akkukapazität verzichtet. Unter unseren sorgfältig ausgewählten E-Gravelbikes aus einem anderen Test finden wir verhältnismäßig leichte Pedelecs, die kaum schwerer sind als ein Mittelklasse-Biobike. Genau hier setzen wir an. Wir wollten nämlich herausfinden, wie groß oder klein der Unterschied zwischen Gravel und E-Gravel wirklich ist.
Um einen fairen Vergleich zu ermöglichen, haben wir nach einem Paar gesucht, das bis auf den Antrieb so ähnlich wie möglich ist. Unsere Suche führte uns zur Carbon-Edelschmiede Storck, wo wir das Storck Grix.2 und e:Grix entdeckt haben. Obwohl sie nicht exakt gleich sind, weisen ihre Rahmengeometrien eine identische Millimetergenauigkeit auf. Auch der Q-Faktor, also der horizontale Abstand zwischen den Füßen beim Treten, ist bei beiden Modellen identisch.
Das e:Grix ist mit dem X20-Heckmotor von Mahle ausgestattet, der ein Drehmoment von 55 Nm bietet. Dadurch sind keine Modifikationen am Tretlager erforderlich. Der größte Unterschied liegt im zusätzlichen Gewicht von eineinhalb Kilogramm, das sich hauptsächlich in der Hinterradnabe befindet. Im Unterrohr des Rahmens kommt ca. ein weiteres Pfund dazu. Die Auswirkungen auf die Aerodynamik durch minimal dickere Rohre am Pedelec sind vernachlässigbar. Zusammengefasst stellt sich die Frage: Wie beeinflussen das Mehrgewicht und die Gewichtsverteilung die Fahreigenschaften negativ und wie steht dies im Verhältnis zum dynamischen Vorteil des Motors? Und welche Auswirkungen hat dies auf den Fahrspaß?
Der Faktor Mensch im Test war ich. Meine persönlichen Daten wie “Rahmenhöhe”, Gewicht, Dauerleistung, maximale Power und Herzfrequenzen bei Langstrecken und intensiven Anstrengungen sind bekannt. Als leidenschaftlicher Radsportler bin ich mit meinen Werten vertraut. Bei solchen Testgeschichten versuche ich jedoch auch immer, andere Fahrertypen zu simulieren - also so zu fahren wie Leser mit mehr Power und fahrerischen Fähigkeiten oder sogar wie absolute Einsteiger.
Die Testrunde, auf der das Duell stattfinden sollte, war bewusst kurz und abwechslungsreich gestaltet. Sie führte durch das malerische Bergische Land und beinhaltete einen hohen Anteil an Gravelwegen sowie wenige Straßen. Mit einigen anspruchsvollen Anstiegen und technischen Passagen war sie typisch für eine Sonntagmorgen-Runde. Die Reichweite im Diagramm unten ist keine gemessene, sondern eine realistisch geschätzte Größe. Der genaue Wert kann stark von äußeren Faktoren abhängen.
Die Duell-Runde war meine erste Fahrt mit dem e:Grix Gravelbike. Zuvor hatte ich bereits andere Gravelbikes mit Motor ausprobiert, aber der Heckmotor des e:Grix hat mich positiv überrascht und ein sehr natürliches Fahrgefühl vermittelt. Die Strecke bis ins Bergische Land war größtenteils flach und abgesehen von Ampeln und Kreuzungen bin ich kaum im Pedelec-Modus gefahren. Sowohl das e:Grix als auch das nicht motorisierte Rad sind echte Sportler, mit einer knackigen Sitzposition und gutem Druck auf dem Pedal in jeder Griffhaltung. Zusammen mit etwas Rückenwind und den smarten Reifen konnte ich jedes Mal die Geschwindigkeitsbegrenzung überschreiten, bei der sich der Antrieb deaktiviert.
Den schnellen Start an Ampeln von Stadtpedelecs habe ich nicht vermisst. Das e:Grix kommt schon in der niedrigsten Stufe gut voran. Beim Storck Grix.2 unterscheiden sich nur die ersten paar Tritte davon. Da es noch leichter ist, ist die Beschleunigung ähnlich beeindruckend. Pro Ampel verliert man gegenüber dem E-Bike zwei Sekunden - und vielleicht noch eine weitere beim nächsten Halt. Vielleicht bilde ich es mir auch ein, aber man spürt minimal das zusätzliche Gewicht im Heck. In Kurven spielt das jedoch weniger eine Rolle. Hier profitiert das e:Grix von seinem Heckmotor, während das Vorderteil ohne zusätzliches Gewicht genauso schnell in die Kurven lenkt. Wenn überhaupt, bemerkt man den Unterschied bei sehr schnellen Richtungswechseln.
Der Mahle-Motor macht vor allem an Steigungen und in tiefem Sand einen großen Unterschied. Hier wird die Anstrengung erheblich reduziert, was natürlich logisch ist. Allerdings fährt man nicht deutlich schneller. Persönlich konzentriere ich mich intuitiv eher darauf, eine saubere Fahrlinie zu halten und trete nicht so hart wie möglich in die Pedale. Beim Storck Grix.2 macht es zwar Spaß, sich voll auszupowern, aber mit dem Motor und maximaler Tretleistung wäre das Tempo fast ein bisschen zu hoch.
Obwohl ich mich ohne groß darüber nachzudenken in einer Art “Rennsituation” befunden habe, habe ich den Antrieb eher zur Entlastung genutzt als zum Zeitgewinn. Und nicht zu vergessen: auch für mehr Komfort! Durch das Treten eines schwereren Ganges sitzt man grundsätzlich angenehmer über Stock und Stein, wodurch die großen Ritzel des E-Bikes fast ungenutzt blieben. Das war ein absoluter Bonus bei der Fahrt über die Wurzeln im Bergischen Wald. Beim Grix.2 musste ich dagegen öfter aus dem Sattel gehen.
Die gesammelten Daten aus der Runde machen ein Fazit sozusagen überflüssig. Es fällt auf, dass ich trotz einer deutlich höheren Leistung und zusätzlicher Energie aus dem Akku kaum schneller war. Und das lag nicht daran, dass man mit dem e:Grix in Kurven oder Abfahrten Zeit verliert. Der Antrieb würde nur einen echten Zeitgewinn bringen, wenn man sich dazu zwingt, ihn möglichst oft einzusetzen. Aber so zu fahren fühlt sich sehr krampfhaft an! Wenn man den Motor intuitiv nutzt, sinkt einfach die Anstrengung um eine Stufe ab. Meine deutlich niedrigere Herzfrequenz spricht für sich. Und das lag nicht daran, dass ich mich mit dem e:Grix geschont hätte - der Maximalpuls ist ja ähnlich.
Die Fahrleistungen mit und ohne Motor sind ähnlich wie die technischen Daten. Das Pedelec unterstützt nur in den anstrengenden Momenten und sorgt für eine etwas flachere Pulslinie. Würde es im Bergischen lange Berge geben, hätte das Pedelec wahrscheinlich mehr Vorteile gehabt. Wie sieht es mit dem Spaßfaktor aus? Welches Bike würde ich kaufen? Vor dem Duell hätte ich klar gesagt: das Storck Grix.2. Aber nachher habe ich meine Meinung geändert. Sein Vorsprung war knapp und beruhte eher auf meiner persönlichen Vorliebe, mich noch gerne anzustrengen. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass es in Zukunft anders sein könnte oder dass viele gesundheitsorientierte Biker eine andere Meinung haben könnten. In diesem Fall wäre der höhere Preis auch eine gute Investition.