Das Programm der Hamburger Marke Stevens wird für 2026 um ein zweites Gravelbike erweitert. Bislang war das Camino der Gravel-Allrounder für alle Lebenslagen. Wer es agiler und leichter mochte, fand nur im Cyclocross-Klassiker Super Prestige ein sportlich ausgerichtetes Geländerennrad, das mit schmalen Reifen und extrem wendiger Geometrie aber für die kurzen Rennen auf winkeligen Rundkursen optimiert ist. Nun bekommt das Camino einen sportiven Ableger, das Camino RS. Es soll für Gravelrennen und schnelle Fahrten im Gelände dienen und dabei die Fahreigenschaften moderner Gravelbikes mitbringen. Der Carbonrahmen ist laut Hersteller rund 200 Gramm leichter als der des Camino Pro. Verantwortlich dafür sind unter anderem die „fehlenden” Anschraubpunkte, wie sie an typischen Bikepacking-Modellen zu finden sind.
Das schlicht designte Rahmen-Set verzichtet auch auf jegliche weitere Features, die Gravelbikes alltags- und reisetauglich machen: Kein Staufach, keine Schutzblechösen, nicht mal Fixpunkte für eine kleine Oberrohrtasche gibt es. Dafür angedeutet aerodynamische Rohrformen an Unterrohr, Steuerrohr und Gabelkopf, sie sollen dem Aero-Renner Arcalis entlehnt sein. Davon abgesehen wirkt das Rad sehr klassisch, es zeigt eine klare Diamantform mit geraden Rohren, aufgebaut mit geklemmtem Lenker und runder Sattelstütze. Das Top-Modell mit SRAM Force-Antrieb mit 13 Ritzeln und Carbonfelgen von Zipp zeigt denn auch eindrucksvoll, dass ein halbwegs bezahlbares Gravelbike nicht zwingend schwer wie ein Panzer sein muss. Knapp über acht Kilo sind ein starkes Ergebnis, wie ein Blick auf die Konkurrenz verdeutlicht. Im aktuellen Testjahr rollte bislang kein leichteres Gravelbike in unser Labor; unter den signifikant leichteren Rädern finden sich nur sündteure Boliden wie Specialized Crux oder BMC Kaius. Dabei gäbe es beim Aufbau des Camino RS sogar noch Sparpotenzial: Mit einer Top-Gruppe und leichteren Laufrädern wären 7,5 Kilogramm durchaus drin, das wäre dann absolute Top-Liga.
Das geringe Gewicht zahlt sich vor allem auf Kursen aus, auf denen es viel zu tun gibt: Knackige Anstiege, mit Wurzeln übersäter Waldboden und schmale Trails mit vielen Kurven, dort kann das Stevens glänzen und bereitet jede Menge Fahrspaß. Dabei bietet es mehr Reserven als ein klassisches Crossrad und erfordert weniger fahrerisches Können. Aber auch auf anderen Terrains fühlt es sich wohl. Auf glatten Pisten und Asphalt überzeugen die schnellen Reifen, bei hohem Tempo liegt das Rad auch auf ruppigen Geraden stabil genug, dass man es lange laufen lassen kann. Der ausbalancierte Mix der Lenkgeometrie, der vom vielseitigen Camino fast eins zu eins übernommen wurde, trifft die goldene Mitte zwischen Laufruhe und Agilität und steht auch dem Camino RS gut.
Das Fahrwerk ist sportlich-straff abgestimmt, die Carbonstütze steckt feine Vibrationen gut weg, wippt aber nicht wie extreme Komfortstützen mancher Adventure-Gravelbikes. Grobe Schläge müssen Fahrerin oder Fahrer abfedern, denn ein Tribut an geringes Gewicht und viel Speed sind die für heutige Verhältnisse recht schmalen 40-Millimeter-Reifen. Mit maximal 45 Millimeter breiten Pneus lässt sich das Stevens noch etwas komfortabler und geländetauglicher abstimmen. Mountainbike-Dimensionen, die heute in viele Gravelbikes passen, gehen beim Camino RS aber nicht. Für die am Top-Modell montierte Übersetzung sollte man zumindest in den Bergen gute Beine haben: Die 13 Ritzel der XPLR-Kassette werden von einem 44-Zähne-Blatt angetrieben, so dass im ersten Gang nur eine knappe Untersetzung zur Verfügung steht. Dafür wirkt sie bei hohem Tempo harmonisch abgestuft.
Nicht ganz zum sportlichen Charakter passt die vergleichsweise komfortable Sitzposition. Auf dem Papier scheint der nackte Rahmen noch ausgewogen geschnitten und liegt in der Mitte zwischen gestreckter Race- und aufrechter Endurance-Geometrie. Die Steuersatzkappe, die die Bremsleitungen ins Steuerrohr führt, rückt den Lenker aber fast zwei Zentimeter nach oben, hinzu kommt ein Oberlenker mit leichtem Rise. Auf vergleichbaren Race-Gravelbikes sitzt man deutlich sportlicher und mit mehr Sattelüberhöhung. Ändern ließe sich das nur mit einem Tausch des Vorbaus. Dank standardisierter Klemmung und nicht komplett integrierten Leitungen ist das relativ einfach, die Möglichkeiten sind aber auch hier begrenzt.
Neben der gezeigten Top-Ausstattung rollt Stevens zwei weitere Varianten des Camino RS an den Start. Alle kommen mit elektronischen Schaltgruppen. Interessant für Fans von Zweifach-Kurbeln: Für 4799 Euro gibt es eine Shimano GRX Di2 2x12-Schaltung. Das fein abgestufte Getriebe bietet dann auch echte Berggänge, das Rad soll 8,2 Kilogramm wiegen. Das 8,6 Kilogramm schwere Einstiegsmodell für 3299 Euro kommt mit SRAM Apex AXS 1x13 und kleinerem 40er-Kettenblatt.
sehr leicht, preiswert, wartungsfreundlich, ausgewogene Lenkgeometrie
keine Befestigungsmöglichkeiten