Julian Schultz
· 28.04.2025
Während Scott zuletzt seine Rennräder für die Straße überarbeitet und sich mit dem Addict RC sowie dem Foil RC Top-Platzierungen in unseren Bestenlisten gesichert hat, gehen die geländetauglichen Modelle bereits ins vierte Modelljahr. Das Speedster Gravel hat dabei die Rolle des robusten Ablegers des renntauglichen Addict Gravel inne und präsentiert sich mit ähnlichem Charakter.
Die größte Stärke des Speedster Gravel 10, Top-Modell der Baureihe mit Aluminiumrahmen, ist dessen einfaches Handling. Im Vergleich zur Variante mit Carbonrahmen fällt der Radstand minimal länger aus. In Kombination mit dem flachen Lenkwinkel lässt sich das Speedster Gravel wie auf Schienen über Stock und Stein steuern. Aus der vergleichsweise großen Tretlagerabsenkung resultiert ein tiefer Schwerpunkt, der spürbar die Kontrolle erhöht und Vertrauen für schwierige Fahrmanöver in anspruchsvollem Gelände schafft. Dass sich Scott auf dem Markt als performance-orientierte Marke platziert, spiegelt sich in der relativ gestreckten Sitzposition wieder.
Trotz der sportlichen Ausrichtung zählt das Scott zu den komfortableren Bikes in der Preisklasse um 2.000 Euro. Die Alu-Stütze der Eigenmarke Syncros gibt unter der Prüflast im Labor um rund sieben Millimeter nach. Ein ordentliches Ergebnis, das sogar etwas besser ausfällt als beim Addict Gravel 10 mit Carbonstütze; die geschmeidigen 45-Millimeter-Reifen von Schwalbe unterstützen den komfortablen Eindruck. Da die Reifenfreiheit mit diesen Pneus bereits ab Werk ausgeschöpft ist, könnte aber nur der Wechsel auf Tubeless-Reifen noch mehr Federkomfort beisteuern – allerdings zu Lasten des ohnehin schon eher trägen Lenkverhaltens. Eine komfortfördernde Alternative könnte eine Sattelstütze aus Carbon sein, die sich dank des runden Querschnitts im Standardmaß 27,2 Millimeter einfach und relativ günstig nachrüsten ließe.
Das größte Manko im Vergleich zum Addict Gravel 10 ist das um zwei Kilogramm höhere Gesamtgewicht. Neben dem robusten Rahmen-Set lassen sich in dieser Wertung die einfachen Alu-Teile nicht wegdiskutieren. Ein Blick auf die Konkurrenz relativiert den Vergleich allerdings, da das Speedster Gravel 10 eher zu den leichteren Rädern im Test zählt. Auf Pedaltritte reagiert das Scott nicht zuletzt dank des fein abgestuften 2x12-Getriebes lebendiger, die 30 km/h-Schallmauer ist auf der Schotterautobahn etwas leichter zu nehmen als mit vielen Konkurrenten aus dieser Preisklasse. Die Übersetzung eignet sich jedoch auch für anspruchsvolleres Gelände und Kletterpassagen, die beiden kleinsten Gänge stellen eine bergtaugliche Untersetzung bereit.
Die Aufnahmen am Alu-Rahmen für feste Schutzbleche, Oberrohrtasche oder eine Werkzeugbox sind bei günstigen Gravelbikes fast schon obligatorisch, die etwas rustikale Optik der Schweißnähte, speziell an der Rahmenfront, allerdings auch.
Neben der Testversion ist das Speedster Gravel in fünf weiteren Ausstattungsvarianten erhältlich, darunter auch als Commuter mit Schutzblechen. Die qualitativen Unterschiede in der Ausstattung sind an der aufsteigenden Nummerierung im Modellnamen zu erkennen. Die Frauen-Modelle mit angepasster Sitzposition unter dem Etikett „Contessa“ führt der Hersteller aus Givisiez nicht mehr im Sortiment. Die Preise reichen von 1.399 bis 1.999 Euro. Zum Vergleich: Die Carbonräder der Addict-Gravel-Reihe kostet zwischen 2.699 und 8.999 Euro.
Gewicht (25 Prozent der Gesamtnote): Für die Bewertung zählt das gewogene Komplettradgewicht in der einheitlichen Testradgröße 56–57 Zentimeter. Wir weisen zur Orientierung auch die Laufradgewichte aus. Die Notenskala ist so gelegt, dass die Note 1,0 technisch erreichbar ist: Für Gewichte unter 7,5 Kilogramm vergeben wir die Bestnote.
Komfort Heck (20 Prozent): Ein Maß für die Nachgiebigkeit bei Fahrbahnstößen, gemessen im TOUR-Labor. Es wird ein Federweg bei Belastung der Sattelstütze gemessen. Der Messwert korreliert sehr gut mit den Fahreindrücken und dem Komfortempfinden. Gute Noten bedeuten auch eine ordentliche Fahrdynamik, die sich auf schlechten Straßen und im Gelände positiv auf die Geschwindigkeit auswirkt.
Komfort Front (10 Prozent): Analog zum Heck wird die Verformung des Lenkers unter Last ermittelt. Eine gute Note bedeutet viel Federkomfort, was die Hände auf langen Touren entlastet. Starke Sprinter, die viel Steifigkeit wünschen, sollten aber eher auf einen steifen Lenker achten.
Frontsteifigkeit (10 Prozent): Wichtige Größe für die Lenkpräzision und das Vertrauen ins Rad bei hohem Tempo, ermittelt im TOUR-Labor. Es wird eine Gesamtsteifigkeit am fahrfertig montierten Rahmen-Set ermittelt, also inklusive Gabel. Die Steifigkeitswerte werden gedeckelt. Ziel sind nicht unendlich steife, sondern ausreichend fahrstabile Rahmen.
Tretlagersteifigkeit (10 Prozent): Verrät, wie stark der Rahmen bei harten Tritten, zum Beispiel im Sprint, nachgibt. Diese Messung findet ebenfalls im TOUR-Labor statt, mit einer realitätsnahen Aufspannung, bei der sich der Rahmen wie im Fahrbetrieb verformen kann.
Schaltung (5 Prozent): Die Schalteigenschaften werden im Fahrtest ermittelt. Bewertet wird nicht der Preis oder die Qualitätsanmutung einzelner Komponenten, sondern ausschließlich die Funktion des gesamten Getriebes. Dabei spielen das Gangspektrum, aber beispielsweise auch die Zugverlegung, die Qualität der Züge und die montierte Kette eine Rolle.
Bremsen (5 Prozent): Ähnlich wie beim Schalten zählt auch hier der Test auf der Straße, es fließen zusätzlich die Erfahrungen aus unseren unzähligen Tests von Bremsen mit in die Bewertung ein. Dabei wird nicht das Bauteil selbst, sondern die Funktion als Zusammenspiel von Bremskörper, Belägen und Scheiben bewertet: Wie gut lassen sich die Bremsen modulieren? Wie standhaft sind die Bremsen, wie reagieren sie bei Hitze oder Nässe, wie lang sind die Bremswege?
Reifen (5 Prozent): Bewertet werden Rollwiderstand und Grip – soweit bekannt aus einem unserer unabhängigen Reifentests oder anhand des Fahreindrucks. Die Reifenbreite hat auf die Bewertung keinen Einfluss, denn das ist eher eine Frage persönlicher Präferenzen.
Lack (5 Prozent): Der TOUR-Lacktest simuliert Steinschlag und erlaubt eine Aussage über die Haltbarkeit der schützenden Deckschicht. Ein Meißel simuliert Steinschlag oder Kettenschlagen. Beginnend bei zehn Zentimetern Höhe, wird um je zehn Zentimeter gesteigert, bis der Lack nachgibt oder die maximale Fallhöhe von 50 Zentimetern erreicht ist.
Wartung/Einstellung (5 Prozent): Bewertet wird, wie einfach sich ein Rad warten und einstellen lässt. Notenabzüge gibt es beispielsweise für benötigte Spezialwerkzeuge, besonders aufwendige Detaillösungen, herstellergebundene Komponenten oder Wartungsarbeiten, die sich nur in Fachwerkstätten durchführen lassen.
Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozentangaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.