Julian Schultz
· 20.05.2024
Regen prasselt auf den Helm, Schlammspritzer färben die Waden in kürzester Zeit ein, und die Piste wird zu einem Slalom um Pfützen: Während der Testfahrten der beiden Gravelbikes von Rose machte der April seinem Namen alle Ehre. Binnen kürzester Zeit braute sich ein Gewitter zusammen und ging während der Runde mit dem Backroad Force XPLR AXS über uns nieder, nachdem wir das Backroad FF Force XPLR AXS kurz zuvor noch bei strahlendem Sonnenschein durchs Gelände gejagt hatten. Eine Szenerie, wie gemalt für unseren Doppeltest: Denn obwohl beide Top-Varianten des Backroad fast auf den gleichen Modellnamen hören und nahezu gleich viel kosten, sind sie in Ausrichtung und Fahrcharakteristik so unterschiedlich wie das Wetter im April.
Auf der einen Seite steht mit dem bewährten Backroad – ohne FF im Modellnamen – ein abenteuertauglicher Alleskönner vor uns, dessen letzter Modellwechsel zwar schon vier Jahre zurückliegt, der im Portfolio des Versandhändlers aber unangefochten Platz eins bei den Verkaufszahlen einnimmt. Auf der anderen Seite wartet mit dem brandneuen FF – die Abkürzung steht für Fast Forward, also zu deutsch “schnell voran” – eine aerodynamisch optimierte Rennmaschine, mit der die Bocholter auf die Diversifizierung der Gravel-Szene reagieren.
Rose orientiert sich bei der Entwicklung der Neuheit am Wettkampfrad XLite (siehe TOUR 4/2023) und spendiert dem Fast Forward eine aggressive Geometrie. Trotz des kleineren Rahmens sitzt man gestreckter und rennmäßiger als auf dem Backroad, dessen Lenker um rund 40 Millimeter höher über dem Vorderrad thront und den Fahrer in eine rückenschonende Sitzposition bringt. Während das Backroad das Carbon-Cockpit des langstreckentauglichen Reveal (siehe TOUR 4/2022) übernimmt, zeichnet sich das Fast Forward durch eine Neuentwicklung aus, die eine willkommene Abwechslung zu den teils überbreiten Lenkern an vielen Gravelbikes darstellt.
Mit kompakten Race-Abmessungen geht das Cockpit, das Rose auch einzeln im Onlineshop anbietet (349 Euro), ins andere Extrem und rückt das Fahrgefühl an schnelle Straßenboliden heran. Aerodynamisch profitiert die Lenker-Vorbau-Kombi vom geneigten Vorbau, den stark eingedrehten Griffhöckern und dem schmalen Oberlenker. Der Oberkörper wird spürbar nach unten gezogen, und die Schultern werden leicht nach innen gekippt, wodurch sich die Angriffsfläche für den Fahrtwind verringert. Die progressive Form setzt sich am ergonomischen Lenkerbogen fort: Die Schaltbremshebel sind aus jeder Position erreichbar, die ausgestellten Lenkerenden erleichtern in schwierigem Gelände die Kontrolle und können bei gemäßigtem Tempo als komfortable Ablagefläche für die Hände dienen. “Aero in den Hoods (den Griffhöckern, Anm. d. Red.), Kontrolle in den Drops”, so bezeichnet Rose das Konzept, das als Reaktion auf das UCI-Verbot von Zeitfahraufsätzen in Gravelrennen zu verstehen ist.
Neue Wege schlägt das Fast Forward auch beim Laufradsatz namens GC50 ein. Die Carbon-Felge des Vorderrads ist wie der Reifen 40 Millimeter breit und soll im Zusammenspiel mit dem dezent optimierten Rahmenset die Aero-Leistung verbessern. Einen Quantensprung gegenüber dem bisherigen Gravel-Laufradsatz GC40, der unter anderem im klassischen Test-Backroad steckt, darf man allerdings nicht erwarten. Laut Rose soll sich die Tretleistung bei Anströmwinkeln bis zehn Grad lediglich um maximal drei Watt verbessern. Konkrete Zahlen teilten die Bocholter nicht mit, aber das Aero-Potenzial aktueller Geländeräder liegt nach unseren exemplarischen Tests (siehe TOUR 1/2024) auf dem Niveau durchschnittlicher Wettkampfräder. Weil das hintere Laufrad weniger Einfluss auf die Aerodynamik hat, verzichtet Rose dabei auf die voluminöse Felge und spart etwas Gewicht.
In Summe hängt das Fast Forward mit 8220 Gramm an der Waage; damit zählt es zu den leichteren Gravelbikes und lässt sich formidabel über die Schotterpiste jagen. Auch die “alte” Version, die Rose ob des großen Erfolgs im Sortiment behält, gehört mit 8480 Gramm zu den leichten Schotterbikes im Lande. Durch den hohen Lenker sitzt man allerdings mehr im statt auf dem Rad, wodurch es sich insgesamt etwas träger anfühlt. Im direkten Vergleich ist man auf dem Fast Forward immer in einem höheren Grundtempo unterwegs. Das Rad präsentiert sich agiler und lässt dank schneller Reifen auch auf Asphalt Geschwindigkeiten zu, die manchen Marathonrenner etwas schwerfällig erscheinen lassen.
Trotz der Renn-Gene hält das Fast Forward praktische Montagepunkte bereit, wenngleich in deutlich geringerer Zahl als das Backroad, das sich mit Taschen, festen Schutzblechen und einem minimalistischen Gepäckträger in ein Abenteuerbike für Mehrtagestouren verwandeln lässt. Dafür sind die für das Fast Forward optional erhältlichen Taschen für Oberrohr und Rahmendreieck besser integriert und erlauben dank der magnetischen Quickload-Halterungen von Zubehörspezialist Fidlock eine schnelle Montage. Canyon Grail (siehe TOUR 11/2023) oder Merida Silex (siehe TOUR 3/2024) nutzen das gleiche Befestigungssystem. 74,95 Euro für die Oberrohr- bzw. 109,95 Euro für die Rahmentasche sind allerdings vergleichsweise teuer.
Das Kopf-an-Kopf-Rennen um die bessere TOUR-Note spiegelt sich auch im Fahrkomfort wider. Das Backroad kann leichte Vorteile auf dem Prüfstand verbuchen, die abgeflachte Carbon-Stütze federt durch den langen Auszug und die tiefe Klemmung etwas wirkungsvoller als die aerodynamisch optimierte Version am Fast Forward. In freier Wildbahn wiederum profitiert das neue Modell von den etwas breiteren und schlauchlos montierten Reifen. An der Front sind beide Bikes vergleichsweise hart abgestimmt. Die maximale Reifenfreiheit von jeweils 45 Millimetern lässt Reserven. Am Backroad wären noch etwas breitere Gummis möglich, allerdings ist dafür ein Wechsel auf kleinere 650B-Laufräder nötig.
In der Endabrechnung setzt sich das Fast Forward um die Winzigkeit einer Zehntelnote vor dem klassischen Backroad an die Spitze. Neben dem geringeren Gewicht profitiert die Neuheit von etwas besseren Steifigkeitswerten, wobei beide Räder äußerst fahrstabil sind. Bei der Ausstattung ergibt sich ein Patt, die elektronische SRAM Force mit Einfachkurbel und bergtauglichen Übersetzungen funktioniert an beiden Rädern tadellos; das FF ist mit dem 44er-Kettenblatt etwas mehr auf Speed ausgerichtet, das normale Backroad mit 40er-Blatt und möglicher Untersetzung noch kletterfreundlicher. Pluspunkt des Fast Forward ist das integrierte Powermeter. Ein Kettenfänger verhindert, dass die Kette bei starken Erschütterungen vom Blatt fällt und den Rahmen beschädigt. Das UDH-Schaltauge ist unempfindlicher bei Stürzen.
Da auch die Preise nahezu identisch und fair kalkuliert sind, hängt die Kaufempfehlung letztlich von persönlichen Präferenzen ab. Das Fast Forward kommt dem Fahrgefühl eines Rennrads näher, das Backroad ist vielseitiger und komfortabler. Die neue Plattform war bei Redaktionsschluss nur in einer weiteren, schwereren Ausstattungsvariante (3499 Euro) erhältlich. Laut Rose sollen weitere Versionen folgen. Neu sind die Größenangaben: Die Bocholter verzichten beim Fast Forward auf klassische Angaben in Zentimetern und geben die Rahmengrößen in Konfektionsgrößen an. Statt der Schrittlänge wird künftig eine Größenempfehlung in Zentimetern angegeben. Die neue Rahmengröße ML entspricht beispielsweise 57 Zentimeter. Vom Backroad stehen acht Carbon-Modelle (ab 2999 Euro) im Onlineshop.
Geometrie
Ausstattung
+ leicht, ergonomischer Lenker, fair kalkuliert, Powermeter inklusive
- relativ harte Sattelstütze, lange Lieferzeit
Geometrie
Ausstattung
+ leicht, großes Einsatzspektrum, fair kalkuliert
- chronisch ausverkauft, relativ geringe Reifenfreiheit