Das Vault haben vermutlich nicht viele Biker auf dem Schirm, die sich für ein neues Gravelbike interessieren – zu Unrecht! Doch der Reihe nach. In der Mountainbike-Welt ist Pivot für prestigeträchtige Fullys für dicke Geldbeutel bekannt. Mit dem Vault will das Label aus dem US-Staat Arizona seine Gelände-Expertise in den Gravel-Bereich einbringen. Natürlich bringt das Bike eine Freigabe für Federgabel und Dropper-Posts mit, ab Werk werden jedoch nur starre, aber leichte Carbon-Parts verbaut. Die schlanke Gabel verzichtet sogar auf Gewinde für Gepäckhalterungen. So schafft es das Mittelklasse-Vault auf das zweitleichteste Gesamtgewicht im Testfeld.
Trotzdem liegt das maximal erlaubte Systemgewicht mit 140 Kilo auf gutem Niveau. Schrauber freuen sich über die Option, Züge entweder durch den Steuersatz oder klassisch durch den Rahmen zu verlegen und über eine Service-Klappe im Tretlagerbereich. Ganz ohne Sonderlösung passen bis zu vier Trinkflaschen ans Rahmendreieck. Als wäre das Paket mit Unterrohr-Staufach, Schutzblechaufnahme und lebenslanger Garantie noch nicht interessant genug, integriert Pivot ein spezielles Komfort-Element in den Übergang von Sitzrohr zu Sattelstütze. Die sogenannte „Iso-Flex“-Technologie soll die Stütze mithilfe eines Gummi-Elements von störenden Vibrationen isolieren und den Komfort auf langen Touren erhöhen.
Durch das kurze Sitzrohr erfordert das Pivot einen langen Sattelstützenauszug. Die Carbonstütze selbst dürfte in unseren Augen gerne länger ausfallen, denn bereits bei einen 190 Zentimeter großen Fahrer und Rahmengröße XL reicht es gerade so zur richtigen Sitzhöhe. Durch den langen Hebel und die Flex-Einlage besitzt der Amerikaner de facto einen hohen Sitzkomfort. Das bestätigen unser Prüfstand ebenso wie die Eindrücke aus der Praxis. Auch der Zipp-Lenker, welcher mit seinem abgeflachten Profil ergonomische Griffe bietet, geizt unter Laborbedingungen nicht mit komfortabler Nachgiebigkeit.
Allerdings kommt unser Testrad nicht nur mit den schmalsten Reifen des Feldes, auch die Maulweite der Allroad-Felgen fällt mit 22 Millimetern klein aus. So kann sich das Gummi leider nicht weit aufstellen. Die im Vergleich zu breiteren Modellen verringerte Dämpfung limitiert den Komfort an der Front. Während der Popo also bequem gebettet ist, schmerzen über groben Schotter schnell die Handgelenke. Die Asphaltschneider-Reifen haben aber auch etwas Gutes: Mühelos erreicht das Vault sehr gute Beschleunigungswerte und spielt im Vergleich zum Bikepacking-Spezialisten von Salsa in einer anderen Liga. Bei vielen Beschleunigungsphasen und Sprints in welligem Gelände treibt der Vorwärtsdrang den Spaßfaktor in die Höhe. Die Sitzposition gibt sich gefällig ausgewogen. Leider muss das Pivot noch mit einer älteren Antriebsgruppe und maximal 44 Zähnen an der Kassette auskommen. Selbst im Vergleich zu Alutech oder Marin werden steile Rampen zum Kraftakt.
Traktion unter Last ist auf den schmalen WTB-Reifen mit fast geschlossenem Mittelsteg Mangelware. Im Handling lässt das Bike dagegen nichts anbrennen und besitzt keine echten Schwächen. Bei der Geometrie haben die Entwickler voll ins Schwarze getroffen. In fahrtechnisch anspruchsvollen Sektionen profitiert das Vault von den Sicherheitsreserven des langen Hauptrahmens und liegt gut auf dem Kurs. Gleichzeitig setzt ein kurzer Vorbau Lenkimpulse vorbildlich um, und die nur 420 Millimeter kurzen Kettenstreben erhalten dem Bike seine Handlichkeit. Im Luftraum über dem Oberrohr herrscht viel Bewegungsfreiheit. Geübten Fahrern bringt das auch ohne Variostütze die Chance für radikale Fahrmanöver. Limits im Abfahrtspotenzial setzen erneut die fehlenden Reserven der Laufrad-Reifen-Kombi. Tuning-Tipp: 50er-Tubeless-Reifen montieren. Freigegeben wäre das Chassis dafür.
Hoher Sitzkomfort dank „Iso-Flex“, schnelle Beschleunigung, Handling überzeugt in jedem Terrain
Schmale Felgen und Reifen schränken Komfort und Fahreigenschaften ein, Ausstattung nicht ganz up-to-date