Das Konzept des Silex 10K hat offenbar schnell Gefallen gefunden. Kurz nach Mohoric’ WM-Sieg war die Top-Ausstattungsvariante des neuen Gravelbikes abverkauft. Wie Merida auf Nachfrage mitteilte, wird das limitierte Modell für den deutschen Markt vorerst nicht weiter produziert. Eine fragwürdige Entscheidung, schließlich leistet sich das 10K im TOUR-Test kaum Schwächen. Zudem klafft zur nächsten Ausstattungsvariante (Silex 7000) eine technische Lücke - dazu später mehr.
Im Vergleich zum fünf Jahre alten Vorgänger sitzt man auf dem neuen Silex zwar sportlich-gestreckter, der STR-Plus-Quotient von 1,15 erreicht das Niveau von aktuellen Marathonrädern. Insgesamt ist die Rahmengeometrie aber selbst für laufruhige Gravelbikes extrem. Die Kombination aus flachem Lenkwinkel (69,5 Grad), großem Gabelnachlauf (79 Millimeter) und langem Radstand (1080 Millimeter) machen das Silex zu einem äußerst spurtreuen Begleiter.
Das Geländerad lässt sich dadurch auch in ruppigem Terrain gut beherrschen, zumal das Testrad von den Tubeless-Reifen profitiert und kleinere Unebenheiten glattbügelt. Mit den 45 Millimeter breiten Pneus von Maxxis ist die maximale Reifenfreiheit erschöpft. Das Federungsniveau ist insgesamt ordentlich, wobei sich das Silex am Heck durch eine funkgesteuerte Teleskop-Sattelstütze etwas unnachgiebiger präsentiert als vergleichbare Modelle mit herkömmlichen Carbonstützen. Vorteil der Dropper-Post von Rockshox: In technischen (Bergab-)Passagen lässt sich der Sattel durch gleichzeitiges Drücken beider Schalttasten absenken und erhöht die Fahrsicherheit.
Das abenteuertaugliche Konzept spiegelt auch der SRAM-Antrieb wider: Durch die Kombination aus Rennradkurbel (Red, 42 Zähne) und elektronischem Mountainbike-Schaltwerk bzw. -Kassette (X01 Eagle, 10-52 Zähne) stehen genügend Gänge für anspruchsvolle Offroad-Wege zur Verfügung - allerdings mit recht großen Sprüngen zwischen den Gängen. Dank eines Powermeters lässt sich während der Fahrt kontrollieren, wie viel Leistung man aufs Pedal bringt. Bemerkenswert: An beide Laufräder sind Bremsscheiben mit 180 Millimetern Durchmesser geschraubt, die Bremssättel zudem mit Kühlrippen versehen. Dadurch soll das 10K auch unter maximaler Zuladung schnell und sicher verzögern.
Mit knapp unter neun Kilogramm fällt das Silex relativ leicht aus, vergleichbare “Abenteurer” hängen meist deutlich schwerer an der TOUR-Waage. Auf typische Anschraubpunkte, das Rahmen-Set ist für 120 Kilogramm freigegeben, muss man dennoch nicht verzichten: An Rahmen und Gabel lassen sich Taschen, Werkzeugbox oder feste Schutzbleche montieren.
Um die Trinkflasche auch beim Einsatz einer großen Rahmentasche zu erreichen, ist ans Unterrohr das magnetische Halterungssystem von Fidlock geschraubt. Ösen für einen Gepäckträger spendiert Merida nur den ebenfalls überarbeiteten Alu-Versionen des Silex. Ein Mini-Tool, das unter dem Sattel Platz findet und elf Funktionen bietet, ist gut gemeint. Nach unseren Testfahrten in matschigem Gelände war das Werkzeug aber unbrauchbar, da es durch den verkrusteten Schmutz in der Halterung feststeckte.
Das soll jedoch in keiner Weise den insgesamt sehr positiven Testeindruck schmälern. Das Silex 10K ist ein vielseitiges Gravelbike, das auch vor schwierigem Gelände nicht Halt macht und für mehrtägige Touren gewappnet ist. Mit besagter Einschränkung, dass Merida das Top-Modell bis auf Weiteres nicht mehr verkauft. Viele Erkenntnisse sind allerdings auch auf andere Ausstattungsvarianten übertragbar.
Aktuell bietet das Silex 7000 (3749 Euro) die hochwertigste Ausstattung - mit mechanischer Zwölffach-GRX und Alu-Laufrädern von Easton. Doch ein neues Top-Modell steht bereits in den Startlöchern, wie aus der Pressemappe hervorgeht: Darin listet Merida ein Silex 8000 (5499 Euro), das wegen eines Embargo auf nicht näher bestimmte Komponenten noch auf die offizielle Vorstellung wartet. Der Preispunkt deutet daraufhin, dass die Version elektronisch schalten wird. Die naheliegende Schlussfolgerung: Shimano dürfte nach der mechanischen GRX bald auch einen Di2-Ableger der neuen Gravel-Gruppe präsentieren.