Das Modell Revolt ist in unserem Redaktionsfuhrpark ein alter Bekannter. Diverse Varianten schleusten wir bereits durchs Testsystem. Bei bislang jedem Auftritt lobten wir die komfortablen Eigenschaften des Taiwanbikes. Im Falle der Carbon-Variante sollen tief ansetzende Sitzstreben mit kleinem Durchmesser den Fahrer vor ermüdenden Vibrationen schützen. Das Bike mit dem Namenszusatz X legt aber noch eine Schippe drauf. Neben einer Federgabel steckt im Rahmen auch eine mechanische Dropper-Post, welche ihrerseits bis zu 25 Millimeter Federweg besitzen und so den Sitzkomfort steigern soll.
Kleines Teil, große Wirkung: Die gefederte Sattelstütze macht im Sitzen auf dem Revolt X einen Großteil des wahrgenommenen Charakters aus und überschattet jede noch so ausgeklügelte Rahmenkonstruktion. Im Gegensatz zum Konkurrenzprodukt von Rockshox im Propain gibt die Giant-Stütze auch bei voll ausgefahrenem Zustand eifrig nach. So rollt das Revolt über kleine Schlaglöcher und Kanten, als sei nichts gewesen. Federgabel und Sattelstütze saugen Schläge einfach weg. Im Wald ist das absolut genial. Wo andere Räder bocken und ihren Piloten zum aktiven Eingreifen zwingen, kann man auf dem Giant einfach sitzend weitertreten. Dass der Branchenriese seine Räder serienmäßig tubeless ausliefert, zahlt zusätzlich auf die Stärken des Revolt X ein. Traktion und Komfort suchen ihresgleichen. Geschmeidiger lässt sich keiner der Test-Antagonisten durch raues Geläuf bewegen. Wird es gen Tal mal steil, hilft die geniale Kombi aus kurzem Sitzrohr und dem um 100 Millimeter abgesenkten Sattel bei der Kontrolle. Selbst auf Wurzeltrails glänzt das Konzept mit einer hohen Fahrsicherheit. Für ein Gravelbike ist das Giant erstaunlich geländegängig.
Dank flotter Carbonlaufräder der Eigenmarke gibt sich das Handling unkompliziert und das Bike fühlt sich leichter an, als es in Wahrheit ist. Ohne großen Kraftaufwand lässt es sich in die Ideallinie steuern und reagiert dynamisch auf die Kommandos am Lenker. Spaßig! Wer es noch verspielter mag hat die Möglichkeit, die Kettenstrebenlänge über einen Flipchip um ganze zehn Millimeter zu verkürzen.
Den Preis für den hohen Komfort zahlt man auf dem Revolt X dort, wo der Wald endet. Unter kräftigen Pedaltritten knautscht die Variostütze stets leicht in ihren Hub. Auf Asphalt geht der Blick verwundert nach unten. Ist der hintere Reifen etwa platt? Nein, das Auf und Ab des Sattels bietet nur keine gewohnt definierte Abstützung fürs Hinterteil. Ist das im Sitzen überfahrene Hindernis größerer Natur, schnalzt die Variostütze nach dem Abfedern mit einem lauten „Klonk“ in ihre Ausgangsposition zurück. Mit Fragezeichen über der Stirn wechseln wir in den Wiegetritt. Jetzt geht die Rockshox-Gabel ohne Lockout-Funktion in die Knie. Keines der Federelemente bietet eine Option, die Dämpfung unter Druck zu variieren. So wippt das Giant im Sitzen und im Stehen. Gravelbiker, die den effizientesten Vortrieb auf Straßen und einfachen Schotterautobahnen suchen, sollten deshalb die Finger von den X-Modellen lassen und sich für ein konventionelles Revolt entscheiden.
Per se ist das Giant nämlich ein toller Tourer. Die ausgeglichene Sitzposition gefällt und ist auch nach 100 Kilometern noch angenehm. Bei den Verschleißteilen des Antriebs muss das Modell Pro 2 mit Sparmaßnahmen klarkommen. Zwar geht die Übersetzungsbandbreite auch in wechselhaftem Terrain noch in Ordnung, die günstige Kassette aber ist mit 11 bis 50 Zähnen den Bikes von Propain und Santa Cruz an beiden Enden des Spektrums unterlegen. Auch schaltet der einfache AXS-Antrieb die Gänge unter Last längst nicht so präzise, wie die neuen Schaltwerksoptionen mit Direktmontage. Apropos Direktmontage: Die Aufnahme für einen Gepäckträger ist optisch schön ins Carbon-Chassis integriert.
bester Sitzkomfort, spaßiges Handling, hohe Sicherheit auf dem Trail, leichte Tubeless-Laufräder ab Werk
wippt im Stehen und im Sitzen, günstige Antriebskomponenten