Mit dem Revolt setzte Giant schon bei dessen Debüt im Jahr 2013 besondere Akzente im damals noch jungen Gravelsegment. Seit jeher ist das Modell ausgesprochen komfortabel ausgerichtet und bietet Details, die so nur selten an anderen Bikes zu finden sind. Während die Modelle mit Carbonrahmen erst im vergangenen Jahr runderneuert wurden, geht die gezeigte Aluminium-Variante ins dritte Jahr. Dass sie auch im Vergleich mit jüngeren Kreationen noch Akzente setzen kann, belegt das Alu-Revolt nicht nur durch sein gutes Abschneiden nach Noten, sondern auch mit Eigenschaften, die es von der Masse abheben. Dazu gehört zum Beispiel das so genannte FlipChip-Ausfallende am Hinterrad, mit dessen Hilfe sich der Radstand verlängern oder verkürzen lässt. Damit kann man das Fahrverhalten beeinflussen: Mit kürzerem Radstand wirkt das Rad etwas wendiger und agiler, mit längerem rollt es stoisch geradeaus. Seine große Stärke aber ist der bemerkenswerte Komfort. Besonders die weit herausgezogene Sattelstütze mit D-förmigem Querschnitt federt, obwohl aus Aluminium, deutlich besser als der Durchschnitt des Testfeldes. Nur das Canyon mit seiner Carbonstütze kann da mithalten. Selbst an Gabel und Lenker haben sich die Ingenieure um ein gewisses Maß an Federvermögen bemüht. Damit wirkt das Revolt selbst mit den vergleichsweise schmalen 40-Millimeter-Reifen im Gelände keineswegs störrisch. Weil in Rahmen und Gabel Reifen bis zu 53 Millimeter Breite Platz finden, lässt sich der Einsatzbereich weiter in Richtung Gelände verschieben als bei den meisten anderen Gravelbikes. Wem das noch nicht reicht, der kann an dem Rad sogar eine absenkbare Sattelstütze montieren, um steile Bergab-Trails besser zu bewältigen.
Die gute Note verdient sich das Revolt auch mit seinem vergleichsweise niedrigen Gewicht, das nur knapp über der magischen Zehn-Kilo-Marke liegt. Eine Sportskanone wird das Rad dadurch nicht, was vor allem an der betont aufrechten Sitzposition liegt. Die aber passt ins Konzept: Zusammen mit dem hohen Maß an Fahrkomfort, den bequemen Kontaktpunkten und dem breiten wie fein abgestuften Gangspektrum des Zwölffach-Getriebes ergibt sich ein rundum komfortabler Tourer für kurze Ausflüge oder sehr lange Reisen, egal in welchem Gelände.
Für längere Radabenteuer verfügt das Revolt über die üblichen Gewindeösen an Rahmen und Gabel, auch Schutzbleche lassen sich montieren. Für die Montage einer Komplettausstattung wäre dagegen etwas Basteltalent gefragt: Aufnahmen für einen fest montierbaren Heckgepäckträger finden sich ebenso wenig wie die Vorbereitung für eine Dynamo-Lichtanlage. Folglich bietet Giant solche voll ausgestatteten Modelle auch nicht an.
Davon abgesehen finden wir auch im Detail kaum Kritikpunkte an dem Rad: Die FSA-Kurbel mag schwer sein, funktioniert aber tadellos; die Maxxis-Reifen (tubeless) hinterlassen auf allen Terrains einen ordentlichen Eindruck. Bemängeln könnte man die einfachen Tektro-Bremsscheiben, die etwas weniger sensibel und kräftig ansprechen als die hochwertigeren Exemplare von Shimano. Sie ließen sich aber einfach und günstig austauschen.
Wer sich für eines der fünf Carbonmodelle interessiert – bei Giant kostet das günstigste Revolt Advanced 3 lediglich 2499 Euro und steht damit möglicherweise noch in Konkurrenz zum Testrad – sollte bedenken, dass die Sitzposition auf den Kohlefaserrahmen deutlich sportlicher ausfällt. Außerdem ist es mit einem 2x10-GRX-Antrieb bestückt. Das vergleichbar ausgestattete Revolt Advanced 2 kostet 3199 Euro, das Top-Modell liegt bei 6499 Euro.
Gewicht (25 Prozent der Gesamtnote): Für die Bewertung zählt das gewogene Komplettradgewicht in der einheitlichen Testradgröße 56–57 Zentimeter. Wir weisen zur Orientierung auch die Laufradgewichte aus. Die Notenskala ist so gelegt, dass die Note 1,0 technisch erreichbar ist: Für Gewichte unter 7,5 Kilogramm vergeben wir die Bestnote.
Komfort Heck (20 Prozent): Ein Maß für die Nachgiebigkeit bei Fahrbahnstößen, gemessen im TOUR-Labor. Es wird ein Federweg bei Belastung der Sattelstütze gemessen. Der Messwert korreliert sehr gut mit den Fahreindrücken und dem Komfortempfinden. Gute Noten bedeuten auch eine ordentliche Fahrdynamik, die sich auf schlechten Straßen und im Gelände positiv auf die Geschwindigkeit auswirkt.
Komfort Front (10 Prozent): Analog zum Heck wird die Verformung des Lenkers unter Last ermittelt. Eine gute Note bedeutet viel Federkomfort, was die Hände auf langen Touren entlastet. Starke Sprinter, die viel Steifigkeit wünschen, sollten aber eher auf einen steifen Lenker achten.
Frontsteifigkeit (10 Prozent): Wichtige Größe für die Lenkpräzision und das Vertrauen ins Rad bei hohem Tempo, ermittelt im TOUR-Labor. Es wird eine Gesamtsteifigkeit am fahrfertig montierten Rahmen-Set ermittelt, also inklusive Gabel. Die Steifigkeitswerte werden gedeckelt. Ziel sind nicht unendlich steife, sondern ausreichend fahrstabile Rahmen.
Tretlagersteifigkeit (10 Prozent): Verrät, wie stark der Rahmen bei harten Tritten, zum Beispiel im Sprint, nachgibt. Diese Messung findet ebenfalls im TOUR-Labor statt, mit einer realitätsnahen Aufspannung, bei der sich der Rahmen wie im Fahrbetrieb verformen kann.
Schaltung (5 Prozent): Die Schalteigenschaften werden im Fahrtest ermittelt. Bewertet wird nicht der Preis oder die Qualitätsanmutung einzelner Komponenten, sondern ausschließlich die Funktion des gesamten Getriebes. Dabei spielen das Gangspektrum, aber beispielsweise auch die Zugverlegung, die Qualität der Züge und die montierte Kette eine Rolle.
Bremsen (5 Prozent): Ähnlich wie beim Schalten zählt auch hier der Test auf der Straße, es fließen zusätzlich die Erfahrungen aus unseren unzähligen Tests von Bremsen mit in die Bewertung ein. Dabei wird nicht das Bauteil selbst, sondern die Funktion als Zusammenspiel von Bremskörper, Belägen und Scheiben bewertet: Wie gut lassen sich die Bremsen modulieren? Wie standhaft sind die Bremsen, wie reagieren sie bei Hitze oder Nässe, wie lang sind die Bremswege?
Reifen (5 Prozent): Bewertet werden Rollwiderstand und Grip – soweit bekannt aus einem unserer unabhängigen Reifentests oder anhand des Fahreindrucks. Die Reifenbreite hat auf die Bewertung keinen Einfluss, denn das ist eher eine Frage persönlicher Präferenzen.
Lack (5 Prozent): Der TOUR-Lacktest simuliert Steinschlag und erlaubt eine Aussage über die Haltbarkeit der schützenden Deckschicht. Ein Meißel simuliert Steinschlag oder Kettenschlagen. Beginnend bei zehn Zentimetern Höhe, wird um je zehn Zentimeter gesteigert, bis der Lack nachgibt oder die maximale Fallhöhe von 50 Zentimetern erreicht ist.
Wartung/Einstellung (5 Prozent): Bewertet wird, wie einfach sich ein Rad warten und einstellen lässt. Notenabzüge gibt es beispielsweise für benötigte Spezialwerkzeuge, besonders aufwendige Detaillösungen, herstellergebundene Komponenten oder Wartungsarbeiten, die sich nur in Fachwerkstätten durchführen lassen. Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozentangaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.