Der Name ist Programm? Nicht so beim Asket! Das neue Gravelbike von Ghost übt sich nicht gerade in Verzicht, sondern klotzt mit extremer Rahmengeometrie und komfortversprechenden Komponenten. “Gravel pur” verspricht der Hersteller aus Nordbayern, seit 2008 unter dem Dach der niederländischen Accell Group, für die inzwischen dritte geländetaugliche Plattform nach dem Road Rage und Asket AL.
Im Gegensatz zu den Markenbrüdern basiert die Neuheit erstmals auf einem Carbonrahmen mit Anleihen vom Hardtail-MTB. Die Sloping-Form ist zwar weniger ausgeprägt als beim Alu-Modell, dennoch fällt auch beim neuen Asket das Oberrohr relativ stark nach hinten ab und bewirkt einen langen Sattelauszug. Die Sitzstreben mit ihrem markanten Schwung kurz hinter dem Knotenpunkt zum Sitzrohr kennen Biker bereits vom Lector, der Cross-Country-Maschine von Ghost. Offiziell verwendet Ghost sogenanntes Light Carbon für den Rahmen, der allerdings Schwächen bei den Steifigkeiten zeigt.
Ein rekordverdächtiges Ergebnis stellt das Asket CF 30, das Top-Modell anlässlich des 30-jährigen Firmenjubiläums von Ghost, beim Radstand auf: Mit 1105 Millimetern liegt das Bike deutlich über dem Durchschnitt und erreicht in der langen Testhistorie bei TOUR einen einmaligen Wert. Vergleichbare Gravelbikes mit Fokus auf Bikepacking sind rund 30 bis 60 Millimeter kürzer. Gepaart mit dem flachen Lenkwinkel (70 Grad) und großen Gabelnachlauf (76 Millimeter) fährt das Asket unbeirrt geradeaus und muss mit Nachdruck eingelenkt werden. Bei Kurvenfahrten neigt das Vorderrad zu einem gewöhnungsbedürftigen Abkippen. Die sehr aufrechte Sitzposition (STR+: 1,21) spricht Abenteurer an, die viel Wert auf unbeschwerte Tage im Sattel legen.
Beim Komfort fällt das Urteil unserer Testfahrer zwiegespalten aus. Am Carbonlenker von Easton machen sich die 40 Millimeter Federweg der Rockshox-Gabel positiv bemerkbar. Erschütterungen durch Steine oder Wurzeln werden effektiv geglättet, selbst im Lockout ist der Frontkomfort spürbar und verdient sich auf dem TOUR-Prüfstand ein “Sehr gut”. Am Sattel hingegen ist das Asket härter abgestimmt, da die Vario-Stütze von Rockshox weniger flext als eine dünne Sattelstütze aus Carbon. Tuning-Potenzial in Form von breiteren Reifen bietet sich nicht, da die 45 Millimeter breiten Seriengummis von Maxxis bereits die maximale Reifenfreiheit ausreizen und am Testrad zudem tubeless montiert waren.
Die Teleskopsattelstütze lässt sich je nach Rahmengröße um 50 (XS bis M) oder 75 Millimeter (L bis XL) verstellen. Wie bei vergleichbaren Rädern mit Federung stellt sich aber auch beim Ghost die Sinnfrage. Zwar erhöht die Dropper Post auf steilen Abfahrten die Sicherheit, da man durch den tieferen Schwerpunkt mehr Kontrolle über das Bike bekommt. Sie ist aber wartungsintensiver, treibt das Gesamtgewicht nach oben und hat damit ihren Anteil am behäbigen Fahrverhalten des mehr als zehn Kilogramm schweren Asket, das auf verwinkelten Trails trotz des MTB-ähnlichen Konzepts an seine Grenzen kommt und auf der Schotterautobahn eine schnellere Gangart scheut.
Die Montagepunkte an Ober- und Unterrohr für Flaschen und Taschen sind obligatorisch für einen Bikepacking-Spezialisten. Auf Aufnahmepunkte für feste Schutzbleche oder einen Gepäckträger wird verzichtet, nur an den günstigeren Ausstattungsvarianten lassen sich Schmutzfänger an den Sitzstreben montieren. Abzüge in der B-Note vergeben unsere Testfahrer für das Klappern der hinteren Bremsleitung im Rahmen. Zudem sollte man sich bewusst sein, dass die Teleskopsattelstütze konstruktionsbedingt und wie bei anderen Modellen etwas Spiel hat, wovon man beim Fahren aber nichts mitbekommt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich das Asket CF 30 schwer tut, einen Platz im diversen Offroad-Segment zu finden. Die Neuheit ist weder ein abenteuertaugliches Komfortwunder, das sich mit wenigen Handgriffen zu einem Packesel verwandeln lässt, noch kann es auf der Schotterpiste mit der Agilität von wettkampforientierten Bikes mithalten. Bleibt die Kategorie als vielseitiger Allrounder, die jedoch bei der Konkurrenz günstiger zu haben sind als das 6000 Euro teure Ghost.
Neben dem Asket CF 30 bietet Ghost zwei weitere Ausstattungsvarianten an. Die Pro-Version ist das einzige Modell mit Carbon-Starrgabel, das sogenannte Full Party kommt ebenfalls mit Federgabel, verzichtet im Vergleich zum Top-Modell aber auf eine versenkbare Sattelstütze. Bei den Antrieben setzen die Nordbayern auf Zwölffach-Antriebe von Shimano und SRAM, wobei sich nur die teuerste Version elektronisch schalten und die Dropper Post bedienen lässt. Alle Bikes kommen mit breitgefächerten Kassetten und bis zu 52 Zähnen am Hinterrad. Damit kompensiert das Asket CF das begrenzte Gangspektrum, allerdings fallen die Sprünge zwischen den Gängen relativ groß aus.