Jan Timmermann
· 15.09.2025
Das Canyon Grizl kommt wahlweise mit der DT Swiss F132 One Rift Federgabel mit 40 Millimetern Federweg. Ein Gravelbike mit Federgabel ist längst keine Seltenheit mehr, doch das Canyon Grizl CF8 w/Rift kommt mit so einigen Alleinstellungsmerkmalen. Das Carbon-Bike vom Koblenzer Versender ist bis unter den Sattel vollgepackt mit cleveren Features. Wir waren deshalb sehr gespannt, wie sich das Canyon Grizl im direkten Vergleich gegen neun weitere Gravelbikes schlagen würde und ob seine einzigartige Gravel-Federgabel am Ende das entscheidende Kaufargument sein kann.
Canyon bietet das Grizl mit Carbonrahmen in acht Ausstattungsvarianten und sieben verschiedenen Rahmengrößen (2XS / XS / SM / MD / LG / XL / 2XL) an. Zwischen 2399 und 7999 Euro müssen für das Carbon-Gravelbike investiert werden. Modelle mit Alu-Rahmen starten bereits ab 1499 Euro. Spezielle Ausstattungslinien kommen auch mit Full-Monty-Lenker und Lichtanlage. Unser Testbike trägt die Modellbezeichnung Canyon Grizl CF8 w/Rift, kostet 3499 Euro und zeichnet sich durch folgende Ausstattung aus:
Gemeinsam betreiben TOUR und BIKE einen beispiellosen Aufwand, um Fahrräder zu testen. Als einzige Fachmagazine weltweit betreiben wir ein eigenes Testlabor. Die ermittelten Daten stützen die Eindrücke aus dem Praxistest. Auch bei den Geometriedaten verlassen wir uns nicht ausschließlich auf die Herstellerangaben, sondern setzen selbst das Lasermessgerät an.
Wir haben es bereits erwähnt: Dieses Gravelbike von Canyon hat etwas, das sonst keines hat. Im Steuerrohr steckt die DT Swiss F132 One Rift mit 40 Millimetern Federweg. Der Weichmacher wurde in enger Zusammenarbeit mit Canyon entwickelt und ist vorerst nur in den Komplettbikes des Koblenzer Versenders erhältlich. Besonderer USP: Links am Lenker sitzt ein Remote-Hebel um die Gabel zu sperren. So gibt es das aktuell an keiner anderen Gravel-Forke. Ebenfalls einzigartig: Die Federgabel besitzt Aufnahmen, an denen Gepäck verschraubt werden können. Für eine cleane Optik lassen sich die Module auch abnehmen.
Canyon hat sich bei der Entwicklung viele Gedanken zu Thema Alltagsnutzen gemacht und bietet für das brandneue Grizl ein spezielles Fidlock-Taschensystem an, welches in wenigen Sekunden ans Rad geklippt ist - praktisch, wenn man sonntags eine schnelle Runde mit den Kumpels drehen will und montags mit Wechselklamotten zur Arbeit pendeln muss. Zusätzlich lassen sich Gepäckträger und Schutzbleche montieren. Das maximale Systemgewicht liegt bei 120 Kilo. Für Bikepacking-Trips passt eine riesige Tasche ins Rahmendreieck. On top gibt‘s ein Rahmenstaufach mit in den Deckel integrierten Minitool und Halterung für eine CO2-Kartusche. Für unseren Geschmack ist die Öffnung jedoch zu klein geraten. Bei so viel Detailfülle überrascht auch, dass Canyon den Kettenstrebenschutz offensichtlich zu kurz designet hat. Vor allem in den schweren Gängen knallt der Antriebsstrang bei größeren Schlägen laut aufs Carbon. Gegen aufgewirbelte Steine schützt derweil ein dicker Unterrohr-Protektor.
Typisch Direktvertrieb ist das attraktive Preis-Austattungsverhältnis. Im Karton stecken schwere aber bewährte Alu-Laufräder von DT-Swiss und eine Funkschaltung der Sram-Rival-XPLR-Güteklasse. Mehr brauchen die meisten Gravelbiker eigentlich nicht. Oder doch? Im Gegensatz zu den anderen Bikes mit Federgabel entscheiden sich die Produktmanager nicht für eine große Mountainbike-Kassette. Im Voralpenland vermissten wir da schon mal einen leichteren Berggang. Die Geometrietabelle kommt bis aufs lange Sitz- und Steuerrohr ohne große Extreme aus und beschert eine aufrechte Sitzposition, die zu langen Touren ohne Zeitdruck einlädt.
Eine zweiteilige Carbon-Sattelstütze soll für Sitzkomfort sorgen. Unsere Labormessungen zeigen: Flex kommt tatsächlich hauptsächlich von der Stütze, der Rahmen selbst gibt nur wenig nach. In diesem Test-Aufbau geht der Gesamtkomfort in Ordnung und ließe sich mit noch breiteren reifen im Tubeless-Aufbau ausbauen. Wer jedoch eine andere Sattelstütze oder gar eine Dropper-Post fahren möchte, bekommt die hohe Steifigkeit des Rahmens zu spüren. Obwohl das Grizl CF8 w/Rift eine Federgabel besitzt, verbaut Canyon keine Variostütze. Wer eine nachrüsten will, sollte ein teures Funk-Modell wählen, welches sich über die Schalthebel steuern lässt. Für einen zusätzlichen Hebel ist neben dem Gabel-Remote auf der linken Lenkerseite kein Platz.
In Kombination mit den langen Kettenstreben zieht das steife Grizl sehr stabil seine Bahnen. Dank der ausgeprägten Fahrstabilität lässt sich das Rad von kaum etwas aus der Ruhe bringen. Das Sicherheitsgefühl liegt auf hohem Niveau. Auch, weil die weichen Schwalbe-Reifen auf Waldweg und Trail mit Grip verwöhnen und die DT-Gabel einen verdammt guten Job macht. Sie filtert schön sensibel kleine Schläge aus dem Untergrund und gleitet geschmeidig über groben Schotter. Die Ermüdung des Körpers wird verlangsamt, die Traktion ist auch abseits befestigter Wege hoch. So gut macht das im Moment keine andere Gravel-Federgabel am Markt. Um das Wippen im Wiegetritt vollständig abzustellen, reicht ein Zucken mit dem Finger. Die Hand muss den Lenker dafür nicht verlassen. Ein überlegenes Produkt und ein echtes Ass im Ärmel des Canyon Grizl!
Damit das Canyon Grizl trotz aller Laufruhe seine Wendigkeit nicht verliert wählt Canyon einen kurzen Vorbau und ein tendenziell hohes Tretlager. Bei Richtungswechseln geht diese Rechnung auf. Dank direkter Steuerung macht das Bike stets, was der Fahrer von ihm verlangt. Im Stehen jedoch kippt das Chassis auch wegen des stattlichen Stacks mit großem Hebel in den Tritt und Sprints fühlen sich gewöhnungsbedürftig an. Abgesehen von den deutlich breiter bereiften Bikes von Salsa und Scott besitzt das Grizl die trägsten Laufräder. Ein talentierter Sprinter ist das Rad definitiv nicht.
Das Canyon Grizl ist ein extrem vielseitiges Gravelbike. Die DT-Swiss-Federgabel passt hervorragend ins laufruhige Konzept und übertrumpft die Gabel-Konkurrenz von Rockshox. Der Preis für die preis-leistungs-starke Gelände-Ausstattung und die vielen Detaillösungen ist ein properes Gewicht. Gemächliche Touren liegen dem Grizl CF8 w/Rift besser als sportliche Sprints. - Jan Timmermann, Test-Redakteur