Gravelbikes unter 2000 Euro im TestDas Bulls Grinder 4 - für die große Tour

Julian Schultz

 · 15.04.2025

Das Bulls Grinder 4
Foto: Wolfgang Papp
Niedriger Preis, viel Leistung? Diese Frage steht im Mittelpunkt unseres umfangreichen Tests von Gravelbikes unter 2000 Euro. Insgesamt 13 Räder für Sport und Abenteuer treten zum Vergleich an. Hier: das Bulls Grinder 4.

Mehr als 10.000 Fahrradfachhändler bilden in Deutschland und im benachbarten Ausland die in Köln ansässige Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft (ZEG), die für ihre Händler auch Eigenmarken führt, darunter die sportlich ausgerichtete Marke Bulls. Für das Gravel-Spezial im vergangenen Jahr konnten wir bereits das Carbonbike namens Machete als Neuheit ­unter die Lupe nehmen, in dieses Testfeld schicken die Kölner nun das günstigere Alu-Pendant Grinder mit der hochwertigsten Ausstattung. Das übernimmt unverändert die Geometrie des Machete, was unter anderem bedeutet, dass man auf dem Rad sehr aufrecht sitzt. Durch den kurzen Vorbau und eine ­Sattelstütze ohne Versatz ist der Abstand zwischen Sattel und Lenker relativ klein; auf dem Testrad in Größe M fühlten sich die 1,80 Meter großen Tester etwas eingeengt. Dass der Lenker bei der nächsten Größe L fast drei Zentimeter höher liegt, sollten vor allem Interessenten bedenken, die das Rad vor dem Kauf nicht Probe fahren können. Auch die Breite des Lenkers, mit nur wenig ­Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterlenker, unterstreicht die Idee eines eher gemütlichen Tourers.

Bulls Grinder 4Foto: Wolfgang PappBulls Grinder 4

Bulls Grinder 4: Kilometer-Sammler statt Wendigkeit

Dazu passt das Fahrverhalten, das von stoischem Geradeauslauf geprägt ist. Mit gut elf Kilogramm Gesamtgewicht und vergleichsweise schweren Laufrädern wirkt das Rad insgesamt wenig spritzig, dafür liegt es satt auch auf ruppigen Pisten und verzeiht manch kleinen Fahrfehler. Im TOUR-Testlabor offenbart das Grinder ein extrem steifes Rahmen-Set; hohe Zuladung dürfte ihm demnach wenig ausmachen. Kritikpunkt und gleichzeitig maßgeblicher Dämpfer für die Gesamtnote ist – neben dem hohen Gewicht – der unterdurchschnittliche Federungskomfort, vor allem an der Front: Die wuchtige Carbongabel, der Stummelvorbau und der unnachgiebige Alu-Lenker führen in Summe dazu, dass kaum etwas federt. Auffangen lässt sich das nur über den Reifendruck, immerhin sind griffige 45er-Pneus aufgezogen, die auf den Felgen allerdings etwas schmaler ausfallen.

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Bulls Grinder 4Foto: Wolfgang PappBulls Grinder 4

Kompromiss beim Getriebe

Der robuste “Schleifer” (die deutsche Bedeutung von “Grinder”) zeigt sich indes klar auf Touren ausgerichtet; etliche Ösen zur Befestigung von Flaschenhaltern, Gepäckträgern und Schutzblechen laden dazu ein, das Rad auf Expeditionskurs zu trimmen. Außergewöhnlich sind die vier Gewindeösen unter dem Oberrohr, an denen sich eine als Zubehör erhältliche Rahmentasche befestigen lässt. Weitere Mitgaben sind Stecklichthalterungen, in die beim Kauf allerdings zunächst nur Reflektoren eingeclipst sind; sonderlich stabil wirken sie nicht. Wir würden höherwertige Akkulampen empfehlen oder gleich den Umbau auf Dynamolicht, denn in Gabel und Rahmen sind Kabelkanäle vorbereitet. Kompromisse erfordert die Testrad-Ausstattung hinsichtlich des Shimano-GRX-Getriebes mit einem Kettenblatt und elf Ritzeln. Die nur leichte Untersetzung im ersten Gang könnte, wenn viel Gepäck am Rad auf steile Anstiege trifft, für weniger trainierte Radler zu straff sein. Am anderen Ende des Übersetzungsspektrums erlaubt das 40er-Kettenblatt auf der Straße keine hohen Geschwindigkeiten, spätestens ab 45 km/h muss man das Grinder rollen lassen.

Bulls Grinder 4Foto: Wolfgang PappBulls Grinder 4

Die Sprünge zwischen den Gängen fallen vor allem im mittleren Bereich zudem groß aus. Eine qualitativ vergleichbare Version des Rades mit Zweifach-Kurbel bietet Bulls leider nicht an. Wer schneller fahren möchte und sich überwiegend auf befestigten Wegen bzw. Asphalt tummelt, der könnte an einer Ausstattung mit 2x10-Rennrad-Getriebe (Shimano Tiagra) und schnellen 38-Millimeter-Reifen Gefallen finden: Sie kostet 100 Euro mehr als unser Testmodell.

Elf Varianten des Bulls Grinder

Die günstigeren Varianten des Gelände-­Grinders – der Einstieg beginnt bereits bei 1299 Euro – sind zwar teils mit Doppel-­Kettenblatt ausgestattet, bieten dann aber nur 40-Millimeter-Reifen und ausschließlich mechanisch betätigte Scheibenbremsen, die wir für den Einsatz am Reiserad nicht mehr empfehlen würden. Interessant für Pendler könnte eines der drei komplett ausgestatteten Modelle mit Schutzblechen, Gepäckträger und Dynamolicht sein; die Top-Version für 1999 Euro konnte uns im Test bereits überzeugen. Abgerundet wird das Portfolio von zwei Frauen-Modellen, die auf einem Rahmen mit tiefem Einstieg basieren. Das Machete mit leichterem Carbonrahmen beginnt bei 2799 Euro.



Bulls Grinder 4: Infos & Test-Note

  • Preis: 1899 Euro
  • Gewicht Komplettrad: 11,2 Kilo
  • Rahmengrößen: S, M, L, XL (Testgröße gefettet)
  • TOUR-Note: 2,8
Das Bulls Grinder 4Foto: Wolfgang PappDas Bulls Grinder 4

Geometrie

  • Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 432/565/161 Millimeter
  • Stack/Reach/STR: 611/383 Millimeter/1,60
  • Stack+/Reach+/STR+: 664/554 Millimeter/1,20
  • Radstand/Nachlauf: 1.000/64 Millimeter

Ausstattung

  • Antrieb/Schaltung: Shimano GRX 600/812 (1x11; 40, 11-42 Z.) | Note: 3,0
  • Bremsen: Shimano GRX 400 (160/160 mm) | Note: 2,0
  • Reifen: Schwalbe G-One Bite TLE 45 mm (eff.: 42 mm) | Note: 1,0
  • Laufräder: Ryde Road 21/Formula
  • Laufradgewichte: 1998/2681 Gramm (v./h.)

Messwerte

  • Gewicht Komplettrad: 11.180 Gramm | Note: 5,0
  • Fahrstabilität: 10,5 N/mm | Note: 1,0
  • Komfort Heck: 178 N/mm | Note: 2,7
  • Komfort Front: 142 N/mm | Note: 4,3
  • Antritt/Tretlagersteifigkeit: 94 N/mm | Note: 1,0

Vor- und Nachteile des Bulls Grinder 4

  • Plus: sehr robuster Rahmen, viele Befestigungsmöglichkeiten für Zubehör
  • Minus: nur vier grob abgestufte Größen, relativ schwer und hart

tour/bulls-grinder-4_8211a0ea634152f83088df63fb229e0aFoto: TOUR

Alle 13 Räder des Vergleichstests


So testet TOUR

Gewicht (25 Prozent der Gesamtnote): Für die Bewertung zählt das gewogene Komplett­radgewicht in der einheit­lichen Testradgröße ­56–57 Zentimeter. Wir weisen zur ­Orientierung auch die Laufradgewichte aus. Die Notenskala ist so gelegt, dass die Note 1,0 technisch erreichbar ist: Für Gewichte unter 7,5 Kilogramm vergeben wir die Bestnote.

Komfort Heck (20 Prozent): Ein Maß für die Nachgiebigkeit bei Fahr­bahnstößen, gemessen im TOUR-Labor. Es wird ein Federweg bei Belastung der Sattelstütze gemessen. Der Messwert korreliert sehr gut mit den Fahreindrücken und dem Komfortempfinden. Gute ­Noten be­deuten auch eine ­ordentliche Fahr­dynamik, die sich auf schlechten Straßen und im Gelände positiv auf die Geschwindigkeit auswirkt.

Komfort Front (10 Prozent): Analog zum Heck wird die Verformung des Lenkers unter Last ermittelt. Eine gute Note bedeutet viel Federkomfort, was die Hände auf langen Touren entlastet. Starke Sprinter, die viel Steifigkeit wünschen, sollten aber eher auf einen steifen Lenker achten.

Frontsteifigkeit (10 Prozent): Wichtige Größe für die Lenkpräzision und das Vertrauen ins Rad bei hohem Tempo, ermittelt im TOUR-Labor. Es wird eine Gesamtsteifigkeit am fahrfertig montierten Rahmen-Set ermittelt, also inklusive Gabel. Die Steifigkeitswerte werden gedeckelt. Ziel sind nicht unendlich steife, sondern aus­reichend fahrstabile Rahmen.

Tretlagersteifigkeit (10 Prozent): Verrät, wie stark der Rahmen bei harten ­Tritten, zum Beispiel im Sprint, nachgibt. Diese Messung findet ebenfalls im TOUR-Labor statt, mit ­einer realitätsnahen Auf­spannung, bei der sich der Rahmen wie im Fahrbetrieb verformen kann.

Schaltung (5 Prozent): Die Schalteigen­schaften werden im Fahrtest ermittelt. Bewertet wird nicht der Preis oder die Qualitätsanmutung einzelner Komponenten, sondern ausschließlich die Funktion des gesamten Getriebes. Dabei spielen das Gangspektrum, aber beispielsweise auch die Zugverlegung, die Qualität der Züge und die montierte Kette eine Rolle.

Bremsen (5 Prozent): Ähnlich wie beim Schalten zählt auch hier der Test auf der Straße, es fließen zusätzlich die Erfahrungen aus unseren unzähligen Tests von Bremsen mit in die Bewertung ein. Dabei wird nicht das Bauteil selbst, sondern die Funktion als Zusammenspiel von Brems­körper, ­Belägen und Scheiben be­wertet: Wie gut lassen sich die Bremsen modulieren? Wie standhaft sind die Bremsen, wie reagieren sie bei Hitze oder Nässe, wie lang sind die Bremswege?

Reifen (5 Prozent): Bewertet werden Roll­widerstand und Grip – soweit bekannt aus einem ­unserer unabhängigen Reifentests oder anhand des Fahr­eindrucks. Die Reifenbreite hat auf die Bewertung keinen Einfluss, denn das ist eher eine Frage persönlicher Präferenzen.

Lack (5 Prozent): Der TOUR-Lacktest simuliert Steinschlag und erlaubt eine Aussage über die Haltbarkeit der schützenden Deckschicht. Ein Meißel simuliert Steinschlag oder Kettenschlagen. Beginnend bei zehn Zentimetern Höhe, wird um je zehn Zentimeter gesteigert, bis der Lack nachgibt oder die maximale Fallhöhe von 50 Zentimetern erreicht ist.

Wartung/Einstellung (5 Prozent): Bewertet wird, wie einfach sich ein Rad warten und einstellen lässt. Notenabzüge gibt es beispielsweise für benötigte Spezialwerkzeuge, besonders aufwendige Detaillösungen, herstellergebundene Komponenten oder Wartungsarbeiten, die sich nur in Fachwerkstätten durchführen lassen.

Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozent­angaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.

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