Julian Schultz
· 15.04.2025
Mehr als 10.000 Fahrradfachhändler bilden in Deutschland und im benachbarten Ausland die in Köln ansässige Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft (ZEG), die für ihre Händler auch Eigenmarken führt, darunter die sportlich ausgerichtete Marke Bulls. Für das Gravel-Spezial im vergangenen Jahr konnten wir bereits das Carbonbike namens Machete als Neuheit unter die Lupe nehmen, in dieses Testfeld schicken die Kölner nun das günstigere Alu-Pendant Grinder mit der hochwertigsten Ausstattung. Das übernimmt unverändert die Geometrie des Machete, was unter anderem bedeutet, dass man auf dem Rad sehr aufrecht sitzt. Durch den kurzen Vorbau und eine Sattelstütze ohne Versatz ist der Abstand zwischen Sattel und Lenker relativ klein; auf dem Testrad in Größe M fühlten sich die 1,80 Meter großen Tester etwas eingeengt. Dass der Lenker bei der nächsten Größe L fast drei Zentimeter höher liegt, sollten vor allem Interessenten bedenken, die das Rad vor dem Kauf nicht Probe fahren können. Auch die Breite des Lenkers, mit nur wenig Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterlenker, unterstreicht die Idee eines eher gemütlichen Tourers.
Dazu passt das Fahrverhalten, das von stoischem Geradeauslauf geprägt ist. Mit gut elf Kilogramm Gesamtgewicht und vergleichsweise schweren Laufrädern wirkt das Rad insgesamt wenig spritzig, dafür liegt es satt auch auf ruppigen Pisten und verzeiht manch kleinen Fahrfehler. Im TOUR-Testlabor offenbart das Grinder ein extrem steifes Rahmen-Set; hohe Zuladung dürfte ihm demnach wenig ausmachen. Kritikpunkt und gleichzeitig maßgeblicher Dämpfer für die Gesamtnote ist – neben dem hohen Gewicht – der unterdurchschnittliche Federungskomfort, vor allem an der Front: Die wuchtige Carbongabel, der Stummelvorbau und der unnachgiebige Alu-Lenker führen in Summe dazu, dass kaum etwas federt. Auffangen lässt sich das nur über den Reifendruck, immerhin sind griffige 45er-Pneus aufgezogen, die auf den Felgen allerdings etwas schmaler ausfallen.
Der robuste “Schleifer” (die deutsche Bedeutung von “Grinder”) zeigt sich indes klar auf Touren ausgerichtet; etliche Ösen zur Befestigung von Flaschenhaltern, Gepäckträgern und Schutzblechen laden dazu ein, das Rad auf Expeditionskurs zu trimmen. Außergewöhnlich sind die vier Gewindeösen unter dem Oberrohr, an denen sich eine als Zubehör erhältliche Rahmentasche befestigen lässt. Weitere Mitgaben sind Stecklichthalterungen, in die beim Kauf allerdings zunächst nur Reflektoren eingeclipst sind; sonderlich stabil wirken sie nicht. Wir würden höherwertige Akkulampen empfehlen oder gleich den Umbau auf Dynamolicht, denn in Gabel und Rahmen sind Kabelkanäle vorbereitet. Kompromisse erfordert die Testrad-Ausstattung hinsichtlich des Shimano-GRX-Getriebes mit einem Kettenblatt und elf Ritzeln. Die nur leichte Untersetzung im ersten Gang könnte, wenn viel Gepäck am Rad auf steile Anstiege trifft, für weniger trainierte Radler zu straff sein. Am anderen Ende des Übersetzungsspektrums erlaubt das 40er-Kettenblatt auf der Straße keine hohen Geschwindigkeiten, spätestens ab 45 km/h muss man das Grinder rollen lassen.
Die Sprünge zwischen den Gängen fallen vor allem im mittleren Bereich zudem groß aus. Eine qualitativ vergleichbare Version des Rades mit Zweifach-Kurbel bietet Bulls leider nicht an. Wer schneller fahren möchte und sich überwiegend auf befestigten Wegen bzw. Asphalt tummelt, der könnte an einer Ausstattung mit 2x10-Rennrad-Getriebe (Shimano Tiagra) und schnellen 38-Millimeter-Reifen Gefallen finden: Sie kostet 100 Euro mehr als unser Testmodell.
Die günstigeren Varianten des Gelände-Grinders – der Einstieg beginnt bereits bei 1299 Euro – sind zwar teils mit Doppel-Kettenblatt ausgestattet, bieten dann aber nur 40-Millimeter-Reifen und ausschließlich mechanisch betätigte Scheibenbremsen, die wir für den Einsatz am Reiserad nicht mehr empfehlen würden. Interessant für Pendler könnte eines der drei komplett ausgestatteten Modelle mit Schutzblechen, Gepäckträger und Dynamolicht sein; die Top-Version für 1999 Euro konnte uns im Test bereits überzeugen. Abgerundet wird das Portfolio von zwei Frauen-Modellen, die auf einem Rahmen mit tiefem Einstieg basieren. Das Machete mit leichterem Carbonrahmen beginnt bei 2799 Euro.
Gewicht (25 Prozent der Gesamtnote): Für die Bewertung zählt das gewogene Komplettradgewicht in der einheitlichen Testradgröße 56–57 Zentimeter. Wir weisen zur Orientierung auch die Laufradgewichte aus. Die Notenskala ist so gelegt, dass die Note 1,0 technisch erreichbar ist: Für Gewichte unter 7,5 Kilogramm vergeben wir die Bestnote.
Komfort Heck (20 Prozent): Ein Maß für die Nachgiebigkeit bei Fahrbahnstößen, gemessen im TOUR-Labor. Es wird ein Federweg bei Belastung der Sattelstütze gemessen. Der Messwert korreliert sehr gut mit den Fahreindrücken und dem Komfortempfinden. Gute Noten bedeuten auch eine ordentliche Fahrdynamik, die sich auf schlechten Straßen und im Gelände positiv auf die Geschwindigkeit auswirkt.
Komfort Front (10 Prozent): Analog zum Heck wird die Verformung des Lenkers unter Last ermittelt. Eine gute Note bedeutet viel Federkomfort, was die Hände auf langen Touren entlastet. Starke Sprinter, die viel Steifigkeit wünschen, sollten aber eher auf einen steifen Lenker achten.
Frontsteifigkeit (10 Prozent): Wichtige Größe für die Lenkpräzision und das Vertrauen ins Rad bei hohem Tempo, ermittelt im TOUR-Labor. Es wird eine Gesamtsteifigkeit am fahrfertig montierten Rahmen-Set ermittelt, also inklusive Gabel. Die Steifigkeitswerte werden gedeckelt. Ziel sind nicht unendlich steife, sondern ausreichend fahrstabile Rahmen.
Tretlagersteifigkeit (10 Prozent): Verrät, wie stark der Rahmen bei harten Tritten, zum Beispiel im Sprint, nachgibt. Diese Messung findet ebenfalls im TOUR-Labor statt, mit einer realitätsnahen Aufspannung, bei der sich der Rahmen wie im Fahrbetrieb verformen kann.
Schaltung (5 Prozent): Die Schalteigenschaften werden im Fahrtest ermittelt. Bewertet wird nicht der Preis oder die Qualitätsanmutung einzelner Komponenten, sondern ausschließlich die Funktion des gesamten Getriebes. Dabei spielen das Gangspektrum, aber beispielsweise auch die Zugverlegung, die Qualität der Züge und die montierte Kette eine Rolle.
Bremsen (5 Prozent): Ähnlich wie beim Schalten zählt auch hier der Test auf der Straße, es fließen zusätzlich die Erfahrungen aus unseren unzähligen Tests von Bremsen mit in die Bewertung ein. Dabei wird nicht das Bauteil selbst, sondern die Funktion als Zusammenspiel von Bremskörper, Belägen und Scheiben bewertet: Wie gut lassen sich die Bremsen modulieren? Wie standhaft sind die Bremsen, wie reagieren sie bei Hitze oder Nässe, wie lang sind die Bremswege?
Reifen (5 Prozent): Bewertet werden Rollwiderstand und Grip – soweit bekannt aus einem unserer unabhängigen Reifentests oder anhand des Fahreindrucks. Die Reifenbreite hat auf die Bewertung keinen Einfluss, denn das ist eher eine Frage persönlicher Präferenzen.
Lack (5 Prozent): Der TOUR-Lacktest simuliert Steinschlag und erlaubt eine Aussage über die Haltbarkeit der schützenden Deckschicht. Ein Meißel simuliert Steinschlag oder Kettenschlagen. Beginnend bei zehn Zentimetern Höhe, wird um je zehn Zentimeter gesteigert, bis der Lack nachgibt oder die maximale Fallhöhe von 50 Zentimetern erreicht ist.
Wartung/Einstellung (5 Prozent): Bewertet wird, wie einfach sich ein Rad warten und einstellen lässt. Notenabzüge gibt es beispielsweise für benötigte Spezialwerkzeuge, besonders aufwendige Detaillösungen, herstellergebundene Komponenten oder Wartungsarbeiten, die sich nur in Fachwerkstätten durchführen lassen.
Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozentangaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.