Kristian Bauer
· 27.09.2023
Die Spende wurde in zahlreichen Medien diskutiert – auch weil Denk erklärte, dass er die Methoden der Gruppe nicht gut findet. Wir haben nachgefragt, was seine Motivation war und welche Veränderungen er für die Fahrradindustrie beim Thema Nachhaltigkeit erwartet.
TOUR: Ich vermute nach der Meldung über Ihre Spende gab es viel Rummel?
Denk: Überraschend viel - das hätte ich nicht erwartet. Viele haben gesagt: Oje, jetzt kriegst du ganz viele Hass-Zuschriften. Von tatsächlichen Personen habe ich aber extremsten Zuspruch bekommen. Weil anscheinend viele wie ich denken: Sie finden es nicht gut, was die Letzte Generation macht, aber keinem fällt was Besseres ein. Und zumindest schafft es die Letzte Generation das Thema Klimawandel ins Bewusstsein zu bringen. Ich bin sehr wenig in Sozialen Medien aktiv, aber in meinem Facebook-Account waren dann auf einmal 80 Kommentare. Die Hater-Kommentare waren interessanterweise bis auf einige wenige alles Fake-Accounts: kein Foto, keine Freunde, keine Daten. Also irgendwelche Nerds oder Fossil-Lobbyisten.
TOUR: Es wurde geschrieben, Sie hätten 300.000 Euro an die Letzte Generation gespendet?
Denk: Zuletzt habe ich 100.000 Euro an die Letzte Generation gespendet. Im Laufe der Jahre war es aber wesentlich mehr.
TOUR: Diskussionen gab es vor allem, weil Sie gleichzeitig gesagt haben, dass Sie die Aktionen der Letzten Generation nicht gut finden. Wie passt das zusammen?
Denk: Das ist eine Verzweiflungstat, weil wir den Klimawandel haben und statt, dass wir unseren CO2-Ausstoß reduzieren, war 2022 das Jahr mit dem höchsten Ausstoß aller Zeiten (*). Das heißt dieses Budget, was wir noch haben, um CO2 ausstoßen zu können, wird mit jedem Jahr geringer. So dass wir dann eben die Kipppunkte auslösen werden. Und wenn wir die Kipppunkte auslösen, dann gibt es kein Zurück mehr. Es wird katastrophal werden: Die Lebensmittel Versorgung der Bevölkerung in Europa wird komplett zusammenbrechen. Was mir nicht in den Kopf eingeht: warum vertreten wir die Interessen von Ölscheichs? Die billigste Energie mit Abstand ist Solar und Wind. Warum machen wir nicht Deutschland zum Weltmarktführer in Sachen nachhaltige Technologie? Wäre problemlos möglich, wenn die Politiker sagen, das ist unsere Entscheidung.
TOUR: Mitglieder der Letzten Generation haben versucht den Berlin Marathon zu sabotieren - letztendlich auch mit Ihrem Geld. Unterstützen Sie das?
Denk: Die Leute sehen die Relation nicht. Es dreht sich ja gerade darum, dass es in Zukunft noch einen Berlin Marathon geben kann. Es gibt grad eine totale Untätigkeit in Relation zur Aufgabe. Das heißt, wir steuern gerade direkt darauf zu, dass wir die Kipppunkte auslösen werden. Aber die Parteien haben natürlich Angst. Wenn sie die einzige Partei sind, welche diese unbequeme Wahrheit überbringt, haben Sie Angst abgewählt zu werden. Die einzige Lösung ist, dass es die großen Parteien gemeinsam angehen. Die CDU muss den von ihr gern genannten Heimatschutz endlich ernst nehmen.
TOUR: Bewirken die Aktionen der Letzten Generation nicht genau das Gegenteil? Weniger Stimmen für Parteien, die den Klimaschutz stärken wollen?
Denk: Was ganz klar ist: die ziehen jetzt sehr viel Hass auf sich - das ist kein Beliebtheits-Wettbewerb. Was sie aber erreichen, ist dass sie überall in den Medien sind und dass sich die Leute fragen: wieso machen die das? Wieso schreiben mich Leute an und sagen: super, endlich macht jemand was. Meine Aussage, dass ich das Festkleben auf Straßen verurteile aber wir endlich etwas tun müssen, scheint bei extrem vielen Menschen Anklang zu finden. Die konservativen Parteien müssen endlich aufhören eine Politik zu betreiben, welche Ölkonzernen kurzfristig noch Milliardengewinne beschert, mittelfristig jedoch unserer Wirtschaft und Gesellschaft extremst schadet. Es gibt kein Öl in Deutschland.
TOUR: Sie arbeiten seit Jahren in der Radbranche – gibt es Bereiche, bei denen die Radhersteller Vorreiter sein könnten?
Denk: Generell sind sie schon Teil der Lösung des Problems: Fortbewegung auf dem E-Bike oder dem Fahrrad ist per se schon ein Fortschritt. Trotzdem müssen auch wir schauen, dass wir in Zukunft CO2-neutral produzieren. Es wird zu einem Punkt kommen in spätestens fünf Jahren, dass es im Radladen Alternativen gibt. Dass du dann die Wahl hast: Es gibt das Rad von Marke X und das Rad Marke Y. Beide gefallen mir mehr oder weniger - Rad X ist aber nachhaltig produziert. Nachhaltige Produkte werden boomen. Ich vermute es wird ein Revival geben von Aluminium-Rahmen, die dann aus recyceltem Aluminium gemacht wurden. Und wir brauchen natürlich so schnell wie möglich eine grüne Kohlefaser, die mit Solarenergie, Wind-, Wasserkraft hergestellt wurde.
TOUR: Viele neue Produkte auf dem Markt klingen nach Greenwashing. Müsste man nicht vor allem verkaufte Produkte länger nutzen – also wie die US-Radmarke Trek alte Räder wieder herrichten?
Denk: Das sind ganz klar Argumente der Erdöl-Lobby. Die Lobby will uns glauben machen, dass es um Verzicht geht. Es dreht sich um zu viel Konsum und so müssen wir das lösen. Die Verursacher der Misere sind aber die Ölkonzerne. Angenommen, wir machen das: unseren Konsum in allen Bereichen um 50 Prozent einschränken. Dann tritt der Klimawandel genauso hart nur wenige Jahre verzögert ein.
TOUR: Das kann ich nicht nachvollziehen, weil ein Fahrrad, das ich 30 Jahre benutze, wird immer besser sein, als wenn ich mir alle fünf Jahre ein neues Fahrrad kaufe?
Denk: Ja, es wird immer besser sein, aber du wirst dadurch den Klimawandel nicht aufhalten können. Wir müssen unsere Energieversorgung umstellen. Wir müssen dieses Rad, ob das jetzt fünf Jahre gebraucht wird oder 30 - mit grüner Energie herstellen.
TOUR: Sie haben viele Ideen und kritisieren die Politik – hätten Sie Lust in die Politik zu gehen?
Denk: Nein. Meine Aufgabe ist als Ingenieur zu arbeiten, bestimmte Sachen zu finanzieren, vielleicht mal Denkanstöße zu geben. Warum rennen wir mit offenen Augen in diese Katastrophe rein? Und warum vertreten wir die Interessen von Ölkonzernen und Ölscheichs?
TOUR: Wer vertritt die Interessen von Ölscheichs? Unser Wirtschaftsminister Robert Habeck, ein grüner Minister?
Denk: Natürlich sind unsere Politiker nicht bezahlt, aber sie sind eben von Hunderten von Öl-Lobbyisten beeinflusst. Elektroautos, Wärmepumpen und so weiter - es kommen immer dieselben unwahren Gegenargumente. Die Gas-Lobby hat für einen absurd hohen Betrag eine Kampagne gefahren, um gegen Wärmepumpen Stimmung zu machen. Es ist halt die reichste Industrie der Welt und jetzt wollen wir ihr Geschäftsmodell anzweifeln.
TOUR: Zurück zur Fahrradindustrie: was muss sich da Ihrer Meinung nach bewegen?
Denk: Ich glaube der nächste Schritt in der Fahrradindustrie wird sein, dass wir recyceltes Aluminium verwenden und nachhaltige Energie. Bei den Fahrradreifen tut sich einiges und wenn wir auch die Schaltungskomponenten mit CO2-freier Energie herstellen, wäre das schon mal ein großer Fortschritt.
* Hinweis: Die Kohlendioxid-Emissionen sanken im Jahr 2022 in Deutschland gegenüber 2021 um 15 Millionen Tonnen bzw. rund 1,9 % auf 666 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Gegenüber 1990 sind die Kohlendioxid-Emissionen um 36,8 % gesunken. Weltweit gesehen wurde aber ein neuer Rekordwert erzielt.
Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-deutschland/kohlendioxid-emissionen#kohlendioxid-emissionen-2022