Die Werkshallen für die hochmoderne Carbonproduktion im portugiesischen Campia stehen schon länger. Jetzt, drei Jahre nach der offiziellen Einweihung, spuckt die Fabrik in einem kleinen Dorf südwestlich von Porto die ersten Carbonrahmen aus. Unter anderem für Simplon. Der österreichische Fahrradbauer lässt an der Algarve das Herzstück des neuen Pavo fertigen. Durch die Fertigung im Süden Europas soll der Race-Allrounder einen Gegenentwurf zu Rädern aus fernöstlicher Produktion darstellen und, so die Vorarlberger, “eine neue Ära der Carbonproduktion auf höchster Qualitätsstufe und mit kurzen Lieferwegen” einläuten. Im TOUR-Test beleuchten wir die Unterschiede zu Rennrädern aus Asien, dem Epizentrum der Fahrradindustrie, und stellen das Pavo IV in Labor, Windkanal und Praxis auf die Probe.
Dank hochmoderner Fertigung soll die vierte Generation des Wettkampfrads vor allem mit geringem Gewicht punkten. Speziell die Autoklaven-Technik grenzt das Pavo von vielen Modellen aus Asien ab und ähnelt dem Prinzip eines Schnellkochtopfs: Unter hohem Druck wird das Laminat, das per Hand in die Negativform des Monocoque-Rahmens gelegt wird, ausgehärtet. Im Gegensatz zum Heißpressverfahren, auf das viele Hersteller in Taiwan und China zurückgreifen, bietet der Autoklav den Vorteil, dass bei gleicher Steifigkeit weniger Material eingesetzt und durch die höhere Fertigungspräzision der Rahmen nicht nachbearbeitet werden muss. Als Rohstoff greift Simplon auf hochwertige Carbonfasern des japanischen Spezialisten Toray zurück, die auch an Formel-1-Rennautos oder Weltraumfähren zu finden sein sollen. Im Vergleich zu einfacheren Qualitäten wie den Standards T700 oder T1000 sind die sogenannten M40J-Fasern bis zu 35 Prozent zugfester.
Die Wahrheit liegt in diesem Fall nicht auf dem Platz, sondern im TOUR-Labor. Mit einem etwas ernüchternden Ergebnis: Sowohl beim Gewicht als auch bei der Frontsteifigkeit bleibt das Simplon etwas hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück und liegt auf dem Niveau vergleichbarer Race-Allrounder aus asiatischer Produktion. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die gute Nachricht: Auf der Straße präsentiert sich das Pavo als flinker Begleiter, der dank geschmeidiger Reifen sehr gut federt und die verschiedenen Fahrsituationen mit Bravour meistert. Durch die relativ aufrechte Sitzposition, die an ein sportlich orientiertes Marathonrad angelehnt ist, fühlt sich das Rad etwas langsamer an, als es der Tacho anzeigt. Unser Testfahrer erzielte auf einem welligen Kurs mit kurzen Rampen relativ mühelos einen 30er-Schnitt.
Im Windkanal benötigt das Pavo 217 Watt, um im Renntempo den eigenen Luftwiderstand zu überwinden. Angesichts des dezenten Aero-Tunings am Rahmen-Set und Cockpit ein erwartbares Ergebnis. Andererseits lassen sich vergleichbare Modelle wie das Cannondale SuperSix Evo oder Specialized S-Works Tarmac SL8 mit rund zehn Watt weniger auf Tempo bringen. Zu den Spezialisten wie dem Pride II aus dem eigenen Stall fehlen fast 20 Watt. Tuning-Potenzial birgt das Rahmen-Set nicht, auch mit schnelleren Laufrädern bleibt die Lücke zu den besten Allroundern im TOUR-Test bestehen. Lediglich ein Watt ist das Simplon mit unserem Referenzlaufradsatz (Zipp 404) schneller.
So stellt das Pavo IV trotz der modernen Fertigung zwar in keinem Testkriterium Bestwerte auf und unterscheidet sich qualitativ kaum von einem Modell, das auf der anderen Seite der Welt hergestellt wird. Positiv gewendet zeigen Simplon und der Herstellungspartner Carbon Team in Portugal auf, das die europäische Rahmenproduktion konkurrenzfähig ist und sich nicht vor der asiatischen Übermacht verstecken muss. Im Hinblick auf eine ressourcenschonende Herstellung in Europa und kurze Transportwege dürfte und sollte das nachhaltige Handeln Nachahmer und Kaufinteressenten finden.
Je nach Ausstattungsvariante muss man allerdings bereit sein, tief in die Tasche zu greifen. Vor allem die günstigeren Versionen des Pavo sind fast doppelt so teuer wie vergleichbare Race-Allrounder aus Fernost.
Das getestete Top-Modell mit Shimanos Dura-Ace und aufpreispflichtigen Komponenten (Laufräder, Cockpit, Sattel im Wert von 1990 Euro) ist auch sehr teuer, aber im Vergleich mit den High-End-Rädern aus fernöstlicher Fertigung einigermaßen fair kalkuliert. Interessenten müssen neben reichlich Geld auch etwas Geduld mitbringen, laut Onlinekonfigurator beträgt die Lieferzeit aller Ausstattungsvarianten derzeit drei Monate.