Champions LeagueDas Scott Addict RC Ultimate im Test

Julian Schultz

 · 28.09.2025

Das Scott Addict RC Ultimate in Aktion
Foto: Wolfgang Papp
​Das Scott Addict RC Ultimate ist faszinierend leicht und beeindruckt zudem mit seiner sehr guten Aerodynamik. Dadurch gehört es nun zu den besten Wettkampfrädern im TOUR-Test, der bisher von aerodynamisch optimierten Modellen dominiert wurde.

​Schon nach den ersten Testfahrten und Labormessungen, die mit dem neuen Renner möglich waren, stellte TOUR dem Addict RC Ultimate ein erstklassiges Zeugnis aus. Der Sechs-Kilo-Renner wusste nicht nur durch seinen schwerelosen Charakter zu überzeugen. Auch bei Fahrstabilität und Federkomfort fuhr das Top-Modell der Schweizer Bestnoten ein. Eine zentrale Frage blieb bislang jedoch noch unbeantwortet: Wie schlägt sich das betont leichte Rad, von Scott explizit für den Renneinsatz entwickelt, in aerodynamischer Hinsicht? Knapp ein Jahr nach der Präsentation des Addict RC – nicht zu verwechseln mit der neuen Version des langstreckentauglichen Addict – machten wir die Probe aufs Exempel und erlebten eine dicke Überraschung.



Denn mit 214 Watt, die das High-End-Bike zur Überwindung des eigenen Luftwiderstands im Renntempo benötigt, ist das Scott das bislang schnellste Leichtbau-Modell im TOUR-Test. Vergleichbare Rennräder, wie das Giant TCR Advanced SL, bewegten sich in der Vergangenheit um 220 Watt und ließen damit eine deutliche Lücke zur aerodynamisch optimierten Konkurrenz. Oder sie waren, wie das Specialized S-Works Aethos, nie für offizielle UCI-Rennen konzipiert und sahen deshalb auch den GST-Windkanal nicht von innen. Dem Addict RC Ultimate dagegen gelingt der Anschluss an die vielseitigen Wettkampfrenner und der anspruchsvolle Spagat zwischen geringem Gewicht und guter Aerodynamik. Scott meistert damit die Quadratur des Kreises in der Entwicklung eines Race-Modells.

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Die logische Konsequenz daraus: Mit der Gesamtnote 1,5 setzt sich das Scott an die geteilte Spitze der besten Wettkampfräder im TOUR-Ranking. Da der Fahrradbauer aus Givisiez bereits mit dem Foil RC Ultimate die aktuelle Bestnote hält, ist Scott als einziger Hersteller mit zwei Rennmaschinen im diesem elitären Club vertreten. Komplettiert wird die Top-Gruppe von Canyons Aeroad CFR und dem Specialized S-Works Tarmac SL8. Knapp zwei Jahre nach Einführung unseres aktuellen Testverfahrens, das unter anderem die wettkampfrelevanten Kriterien Gewicht und Aerodynamik höher und den Komfort neu gewichtet, stehen damit wieder vier Räder punktgleich an der Spitze. In der alten Notenskala zählte das Giant Propel Advanced SL ebenfalls zu den TOUR-Spitzenreitern, musste zuletzt wegen leichter Schwächen beim Komfort jedoch den Top-Club verlassen.

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Das klare Alleinstellungsmerkmal des Addict RC Ultimate ist dessen beeindruckendes Gewicht von lediglich 5980 Gramm. Das Specialized Tarmac als bislang leichtestes Rennrad mit Top-Note bleibt im fahrfertigem Trimm zwar ebenfalls unter dem UCI-Gewichtslimit, bringt aber insgesamt 600 Gramm mehr auf die Waage. Klingt nach wenig, ist aber spürbar. An das Gefühl der Schwerelosigkeit des Scott, das spielerisch mit steilem Gelände umzugehen weiß, kommt das Specialized nicht heran. Gleichwohl kann das vielseitigste Wettkampfrad der Welt mit einer besseren Aero-Performance punkten. Eine Stärke, die zweifellos auch in der DNA von Aeroad und Foil verankert ist. Die Boliden sind ob ihrer windschnittiger geformten Rahmen jedoch rund 1000 Gramm schwerer als das Addict RC Ultimate.

Profitable Kooperation

Exklusiv - Der 3-D-gedruckte Computerhalter aus einer Magnesium-Titan Legierung ist optional für 110 Euro erhältlichFoto: Matthias BorchersExklusiv - Der 3-D-gedruckte Computerhalter aus einer Magnesium-Titan Legierung ist optional für 110 Euro erhältlich

Vier Jahre steckte Scott in die Entwicklung des leichtesten Disc-Serienrads der Firmengeschichte. Wie Max Koenen bei unserem Firmenbesuch verdeutlicht, blieb im Vergleich zum alten Modell keine Carbonfaser auf der anderen. „Damit das Rad unter sechs Kilo wiegt, mussten wir jedes Bauteil neu entwickeln“, so der deutsche Chefingenieur. Material, Belegungsplan, Fertigung: Akribisch wurde nach jedem verzichtbaren Gramm gesucht. Neben dem Rahmen (705 Gramm) wurde erstmals auch die Gabel (310 Gramm) per sogenanntem PP MandrelVerfahren in China produziert, bei dem das CarbonHarz-Gemisch unter hohem Druck zur fertigen Rohrform aushärtet. Einerseits werde dadurch, so Koenen, weniger Material benötigt. Die Carbonfasern bezieht Scott von Toray und Mitsubishi, der aufblasbare Kunststoffkern ist recyclebar. Andererseits erlaube die Technik eine hochpräzise Formgebung mit sauberen Innenflächen sowie Wandstärken von unter einem Millimeter – wie beispielsweise am Unterrohr.

Die Detailverliebtheit beim Gewichtstuning setzt sich an den Anbauteilen des hauseigenen Komponentenspezialisten Syncros fort. Lenker-Vorbau-Einheit, Sattelstütze und sogar Spacer wurden leichter. Die dünne Lackschicht am Testrad – für das kommende Modelljahr erhält der Renner eine etwas schwerere Silberpfeil-Optik – soll zudem nur 40 Gramm wiegen. Am meisten profitiert das Addict RC Ultimate von hochexklusiven Reifen: Der Schwalbe Aerothan Race, den die Reichshofer in den USA fertigen lassen, spart pro Stück mehr als 100 Gramm gegenüber einem vergleichbaren Pneu und trägt zusammen mit dem nicht minder exklusiven Vollcarbon-Laufradsatz zum explosiven Fahrgefühl bei. Der Verkaufsstart der neuen Gummis war eigentlich für das Frühjahr vorgesehen, aufgrund eines „äußerst komplexen Herstellungsprozesses“ seien bis dato aber keine größeren Produktionsmengen möglich, wie Schwalbe auf Nachfrage mitteilte: „Um auch für den AftermarketStart ausreichende Mengen garantieren zu können, haben wir uns entschlossen, den offiziellen Start zu verschieben.“

Handwerklich - Felge, Speichen und Nabenflansch der Laufräder von Syncros sind als zusammenhängendes Carbonteil handgefertigtFoto: Matthias BorchersHandwerklich - Felge, Speichen und Nabenflansch der Laufräder von Syncros sind als zusammenhängendes Carbonteil handgefertigt

Auf den Geschmack gekommen? Dann folgt abschließend vermutlich die Enttäuschung: das Preisschild. 12.999 Euro ruft Scott für das Top-Modell auf. Nach einer Preisanpassung des Foil RC Ultimate kosten beide Rennmaschinen der Schweizer gleich viel. Immerhin ist das Duo damit etwas „günstiger“ als das Specialized; an den Versandhandelspreis des Canyon kommt das Scott erwartungsgemäß allerdings nicht heran. Wie schon nach unserem Fahrtest bleibt die nächstgünstige Ausstattungsvariante ein Tipp. Wegen der einfacheren Carbonqualität und Ausstattung kommt das Addict RC Pro zwar nicht an das Fabelgewicht und die Aerodynamik-Leistung der High-End-Version heran, in fahrfertigem Zustand unterbietet der Renner aus der zweiten Reihe aber weiterhin die 6,8-Kilo-Marke – und spart immerhin 4500 Euro.

Scott Addict RC Ultimate: Infos & Test-Note

  • Preis: 12.999 Euro
  • Gewicht Komplettrad: 6,0 Kilo
  • Aerodynamik: 214 Watt
  • Rahmengrößen: XXS, XS, S, M, L, XL, XXL
  • TOUR-Note: 1,5
Das Scott Addict RC UltimateFoto: Matthias BorchersDas Scott Addict RC Ultimate

​Geometrie

  • Sitz-/Ober-/Steuerrohr: 502/570/151 Millimeter
  • Stack/Reach/STR: 574/396 Millimeter/1,45
  • Stack+/Reach+/STR+: 622/583 Millimeter/1,07
  • Radstand/Nachlauf: 1000/58 Millimeter

Ausstattung

  • Antrieb/Schaltung: SRAM Red AXS (2x12; 46/33, 10-33 Z.) | Note: 1,0
  • Bremsen: SRAM Red HRD (160/140 mm) | Note: 1,0
  • Reifen: Schwalbe Aerothan Race 29 mm (eff.: 29 mm) | Note: 1,0
  • Laufräder: Syncros Capital SL 40
  • Laufradgewichte: 919/1222 Gramm (v./h.)

Messwerte

  • Gewicht Komplettrad: 5980 Gramm | Note: 1,0
  • Aerodynamik: 214 Watt | Note: 2,3
  • Fahrstabilität: 9,1 N/mm | Note: 1,0
  • Komfort Heck: 114 N/mm | Note: 1,7
  • Komfort Front: 87 N/mm | Note: 2,3
  • Antritt/Tretlagersteifigkeit: 66 N/mm | Note: 1,0

Vor- und Nachteile des Scott Addict RC Ultimate

  • Plus: extrem leicht, schnell, hoher Komfort
  • Minus: sehr teuer
BewertungFoto: TOUR

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