Das Aero-Rennrad ist eine Unterkategorie des Wettkampf-Rennrads und kompromisslos sportlich ausgerichtet. Die Räder zielen auf Sprinter und kraftvolle Ausreißer, weil der aerodynamische Vorteil des Materials gegenüber leichteren Rennrädern in diesen Rennsituationen am besten ausgespielt werden kann. In knappen Situationen kann die bessere Aerodynamik über Sieg oder Niederlage entscheiden. Aber auch Hobbyfahrer profitieren davon, windschnittig unterwegs zu sein, relativ auf die Fahrzeit gesehen sogar mehr als die Profis.
Das Plus an Speed hat aber auch Nachteile: Aero-Rennräder sind schwerer, ein halbes Kilogramm liegen sie über den Leichtbau-Modellen. Auch der Federkomfort fällt meist geringer als beim Leichtbau-Rennrad aus. Nur wenige Modelle schaffen einen sehr guten Spagat und sind in den meisten Rennsituation konkurrenzfähig. Im Vergleich zum klassischen Rennrad sitzt man auf den Aero-Maschinen oft noch etwas gestreckter.
Die Rahmen und Gabeln sind ausnahmslos aus Carbon gebaut und möglichst windschnittig geformt; geringes Gewicht und hoher Komfort sind nachrangige Entwicklungsziele. Das heißt auch: viel Integration und viele Spezialbauteile. Die meisten Aero-Renner können nur noch mit elektronischen Schaltungen gefahren werden. Lenker und Sattelstütze sowie -klemmung sind meist nicht austauschbar, die Leitungsverlegung und damit die Positionsanpassung ist kompliziert. Wer Vorbaulänge oder Lenkerform verändern möchte, ist oft auf wenige, teure Varianten beschränkt. Die flächigen Oberlenker haben oft kein Lenkerband und bieten viel Auflage, aber keinen guten Halt.
Optionen wie Schutzblechösen sucht man an Aero-Rennern vergebens, meist ist auch die Reifenfreiheit gering. Aktuelle Modelle lassen aber bis zu 32 Millimeter breite Reifen zu. Der untere Flaschenhalter lässt sich häufig an zwei Positionen montieren: Eine untere, aerodynamischere und eine höhere Position, um einen zweiten Halter montieren zu können.
Aero-Renner fahren sich relativ agil und lassen sich direkt um Kurven steuern. Mit großer Überhöhung und langen Vorbauten lastet viel Gewicht auf dem Vorderrad. Der Radstand liegt um 1000 Millimeter, damit sind die Aero-Spezialisten tendenziell etwas laufruhiger, in manchen Fällen auch träger als Leichtbau-Räder.
Der aktuelle Standard sind 28 Millimeter. Pneus in dieser Abmessung bieten den besten Kompromiss aus Komfort und Rollwiderstand - und kompensieren den kleinen Aero-Nachteil gegenüber schmaleren Reifen. Rahmen und Gabel lassen inzwischen auch bei Race-Modellen Platz für bis zu 32-Millimeter-Pneus. Je nach Maulweite der Carbonfelge können die Reifen in der Realität noch etwas breiter ausfallen. Die meisten Wettkampf-Rennräder rollen auf modernen TLR-Pneus (Tubeless-Ready), die entweder mit Schlauch oder mit Dichtmilch gefahren werden können. Auf letztere Variante setzt auch das Gros im World-Tour-Peloton.
Während die Rahmen-Sets der Wettkampfmaschinen auch von den Profis gefahren werden, sind die Getriebe der im Handel erhältlichen Räder meist etwas leichter abgestimmt. Am weitesten verbreitet ist die Semikompakt-Kurbel mit 52/36 Zähnen. Gepaart mit einem relativ kleinen Ritzelpaket (10-30 Zähne) braucht es ein paar Trainingskilometer in den Beinen, um die Kurbel auch im steilen Terrain drehen zu können. Für Fans von mechanischer Schalttechnik eine schlechte Nachricht: Die Rahmen lassen kaum noch Bowdenzüge zu. Neue Modelle werden fast nur noch mit elektronischen Gruppen von Shimano oder SRAM ausgestattet. Viele Modelle haben serienmäßig ein Powermeter in der Kurbel. Antriebe von Campagnolo findet man an Fachhandelsrädern kaum.
Das technische Know-how, das in den Race-Modellen steckt, lassen sich die Hersteller leider auch bezahlen. Für ein Aero-Rennrad sind mindestens 5000 Euro fällig. Nach oben kennen die Preise fast keine Grenzen. Die Profi-Boliden der namhaftesten Hersteller liegen meist deutlich im fünfstelligen Bereich.
Wegen der aerodynamischen Maßnahmen wiegen Aero-Rennräder etwas mehr als auf geringes Gewicht getrimmte Carbon-Rennräder. Die Rahmen sind 100 bis 200 Gramm schwerer, hinzu kommen schwerere Anbauteile und Laufräder mit hohen, aerodynamischen Felgenprofilen.
Aktuell (Stand: Oktober 2023) hält das Simplon Pride II den Rekord für das schnellste Serienrad im TOUR-Test: Bei Tempo 45 km/h benötigt der Fahrer 199 Watt, um den Luftwiderstand des flächigen Aero-Boliden zu überwinden. Aber auch fast alle namhaften Hersteller haben ein schnelles Aero-Rad im Programm.