Ende September hatten die USA die Einfuhr von in Taiwan produzierten Produkten der Marke Giant gestoppt. Die US-amerikanische Zoll- und Grenzschutzbehörde CBP (Customs and Border Protection) hat eine sogenannte „Withhold Release Order“ gegen Fahrräder, Fahrradteile und Zubehör erlassen, die in Taiwan von Giant Manufacturing Co. Ltd. hergestellt wurden. Begründet wird dieser Schritt mit „Informationen, die auf den Einsatz von Zwangsarbeitern schließen lassen.“ Der Schritt hat in der taiwanesischen Fahrradindustrie für große Unruhe gesorgt. Bereits 2024 und 2025 hatte es auf der Taipei Cycle Show Vereinbarungen zum Thema Arbeiterrechte gegeben – die Schritte der Bicycling Alliance for Sustainability (BAS) konnten den Importstopp aber nicht verhindern.
Arbeiter aus Thailand, Vietnam und anderen Ländern nehmen laut Berichten oft einen Kredit auf, um sich gegen Gebühr von Arbeitsvermittlern an Firmen in Taiwan vermitteln zu lassen. Die Arbeitsvermittler behalten später einen Großteil des gezahlten Lohns ein, wodurch eine Art Schuldknechtschaft entstehen kann.
Jetzt hat der Fahrradindustrieverband Taiwan Bicycle Association (TBA) eine neue Brancheninitiative angekündigt, „die alle Mitglieder der Fahrradlieferkette dazu aufruft, die Sorgfaltspflicht bei der Einhaltung der Lieferkette aktiv umzusetzen, wobei der Schwerpunkt auf den Menschenrechten und der Verhinderung von Zwangsarbeit liegt.“ Laut TBA haben die führenden Marken Giant Manufacturing Co. und Merida Industry Co. bereits ihre Sorgfaltspflichtprogramme gestartet und werden weiterhin über ihre Fortschritte berichten, um einen wichtigen Präzedenzfall für die gesamte Branche zu schaffen.
Zur Unterstützung der Mitgliedsunternehmen - insbesondere derjenigen, die europäische und US-amerikanische Märkte beliefern - wird die TBA mit internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zusammenarbeiten, um professionelle Due-Diligence-Prüfungen für eine erste Gruppe freiwilliger Lieferanten durchzuführen.
Gleichzeitig bietet TBA eine umfassende Checkliste zur Selbstbewertung an, die Lieferanten bei der Durchführung interner Überprüfungen helfen soll. Die Checkliste soll die anfängliche Einhaltung der taiwanesischen Arbeitsvorschriften sicherstellen, grundlegende Risiken der Nichteinhaltung, wie z. B. Zwangsarbeit, ausschließen und Unternehmen bei der schrittweisen Angleichung an internationale Standards unterstützen. Die an der Initiative beteiligten externen Prüfer werden weltweit anerkannte Rahmenwerke für soziale Verantwortung als Grundlage für ihre Bewertungen verwenden. Die Audits werden sich auch auf die Leitlinien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) beziehen. Teilnehmende Unternehmen, die den Prozess abschließen, erhalten eine offizielle Verifizierung und unterstützende Unterlagen, die ihr Engagement für ethische und nachhaltige Geschäftspraktiken belegen.
Mit der Initiative will die Fahrradindustrie auch Probleme vermeiden, die durch neue EU-Regeln entstehen könnten. Die EU Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD, EU-Lieferkettenrichtlinie oder EU-Lieferkettengesetz) enthält sowohl menschenrechtliche als auch umweltbezogene Sorgfaltspflichten sowie Vorgaben für einen Klimaplan. Die Richtlinie wurde bereits verabschiedet – muss aber noch von den einzelnen Ländern in nationalen Gesetzen umgesetzt werden.
Unabhängig von der Initiative hat Merida angekündigt, dass es ab dem 1. Oktober eine gebührenfreie Rekrutierungspolitik für Wanderarbeiter einführen wird. In Taiwan erlauben die Arbeitsgesetze den Vermittlern, Gebühren von Wanderarbeitern zu verlangen, aber dies kann zu Schuldknechtschaft führen, was ein Indikator für Zwangsarbeit ist. Jetzt wird Merida es den Vermittlern nicht mehr erlauben, Gebühren von neuen Wanderarbeitern zu verlangen. Zudem hat Merida einen Erstattungsplan angekündigt, um Wanderarbeiter für ihre früheren Rekrutierungskosten zu entschädigen. „Unser Ziel ist es, die Rückerstattung bis zum 25. Oktober 2025 abzuschließen", erklärte Merida.