Man nehme ein neues Rennrad, beschriftet es mit den Modellnamen beider Wettkampfräder im Sortiment und schon hat man den gewünschten Effekt: Die Fachpresse wie TOUR stürzt sich darauf und rätselt, welcher Bolide wohl ein Update bekommt. So geschehen bei der Dauphine, als Trek die World-Tour-Profis um Mads Pedersen mit einem neuen Boliden ausgerüstet hatte, auf dessen Oberrohr ein Aufkleber mit den Modellbezeichnungen des Madone und Émonda prangte.
Kurz vor dem Grand Depart der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt schafft der US-Hersteller Fakten. Die neue Rennmaschine ist eine Weiterentwicklung des Madone, das sich in der achten Generation zu einem prototypischen Race-Allrounder für viele Streckenprofile emanzipiert, indem es Leichtbau und Aerodynamik vereint. Damit sind die Tage des Émonda gezählt. Das Leichtbau-Modell, das im Peloton ohnehin immer seltener zu sehen war, ist künftig nur noch als Alu-Version wie das Émonda ALR 5 erhältlich.
Die technischen Zahlen für das neue Madone SLR sind beeindruckend. Laut Herstellerangabe liegt das Rahmen-Set auf dem Niveau des Émonda SLR und soll im Vergleich zum Vorgänger 320 Gramm sparen. Für den Rahmen in der neuen Größe ML - dazu später mehr - nennt Trek ein Gewicht von 796 Gramm, die Gabel wiegt 350 Gramm. Insgesamt sind damit SLR-Kompletträder zwischen 7,0 und 7,4 Kilogramm möglich. Im TOUR-Test hatten wir für das SLR 9 AXS (Größe 56) ein Rahmengewicht von 1158 ermittelt, die Gabel hing mit fast 500 Gramm an der Waage. Insgesamt zählte das Rad mit 7,5 Kilogramm zu den schwereren Aero-Boliden. Die einfacheren SL-Versionen, deren Rahmen rund 250 Gramm schwerer ist, wiegen laut Trek zwischen 7,9 und 8,7 Kilogramm.
Das Gewichtstuning basiere auf einem “effizienterem Molding” des Rahmen-Sets sowie einer neuen Carbonqualität (900 OCLV). Zudem wurden die Rohrprofile modifiziert. Während sich das alte Madone als futuristisches Aero-Rennrad mit flächigen Rohrformen verstand, ist das neue Design reduzierter. Eine Ausnahme ist der als “Isoflow” bezeichnete Knotenpunkt zwischen Ober- und Sitzrohr, den die Neuheit in abgewandelter Form vom Vorgänger übernimmt und davon unter anderem aerodynamisch profitieren soll.
Insgesamt soll die Aero-Leistung gegenüber dem alten Modell unverändert bleiben, wie Treks eigene Messungen als Gesamtsystem aus Rennrad, Fahrer und Flaschen ergaben. Die US-Amerikaner setzen dafür auf spezielle Airfoil-Profile, die sich vom Lenkkopf bis zum Hinterbau ziehen und sich am Flare-Cockpit ebenfalls wiederfinden. Auch spezielle Aero-Flaschen und -halterungen, die bei den SLR-Modellen zum Lieferumfang zählen, sollen die Aerodynamik positiv beeinflussen. Wie schnell das neue Madone wirklich ist, konnten wir bislang noch nicht im GST-Windkanal ermitteln. Das SLR 9 AXS benötigte 207 Watt, um den eigenen Luftwiderstand bei 45 km/h zu überwinden.
Doch was heißt das für die freie Wildbahn? Laut Trek ist das Madone SLR Gen 8 sowohl in Sprints als auch Bergaufpassagen schneller als der Vorgänger und das Émonda SLR: Bei einer Attacke auf einem zehnprozentigen Anstieg benötige der neue Race-Allrounder eine Sekunde weniger als das Émonda, bei einem flachen Sprint soll der Vorsprung, ausgedrückt in einer Radlänge, minimal größer sein als beim alten Madone.
Für den Fahrkomfort verspricht die Marke aus Waterloo/Wisconsin ebenfalls einen Quantensprung. Die überarbeitete “Isoflow”-Konstruktion soll nämlich nicht nur auf Aerodynamik und Gewicht einzahlen, sondern gegenüber der alten Version auch “80 Prozent nachgiebiger” sein. Sogar gegenüber dem Émonda SLR, das im TOUR-Test mit einem sehr guten Komfort überzeugte, verbessere sich die Federung des Madone SLR um 24 Prozent.
Trek schickt insgesamt acht Ausstattungsvarianten ins Rennen: vier SLR- und vier SL-Modelle. Neu sind die Größenangaben. Wie viele Konkurrenten geben die US-Amerikaner die Rahmengrößen künftig in Konfektionsgrößen (XS bis XL) an. Statt bislang acht gibt es nur noch sechs Rahmengrößen. Zudem verzichtet Trek auf die eigene Einordnung der Geometrie (H1.5 oder H2). Das neue Spektrum bietet weniger Überschneidungen bei benachbarten Rahmengrößen, wodurch die Wahl nach dem passenden Bike erleichtert werden soll. Zudem will Trek mit den Randgrößen XS und XL auch besonders kleine bzw. große Fahrer und Fahrerinnen erreichen. Ob nun 56 oder ML: Die Geometrie bleibt rennmäßig, in mittlerer Rahmengröße liegt der STR bei 1,44.
Obwohl die Preise gegenüber dem Vorgänger etwas fielen, muss man für die Top-Modelle weiter tief in die Tasche greifen. Das Madone SLR mit Antrieben von Shimano (Dura-Ace Di2, Ultegra Di2) oder SRAM (Red AXS, Force AXS) und Carbon-Laufrädern der Eigenmarke Bontrager (Aeolus RSL 51, Aeolus Pro 51) kostet zwischen 8999 und 13999 Euro. Für das Madone SL verlangt Trek zwischen 3499 und 6499 Euro. Als eine der wenigen High-End-Marken hält der US-Hersteller dabei eine mechanische Version vor: Das Basismodell schaltet mit Shimanos Zwölffach-105 und rollt als einziges Modell auf Alu-Laufrädern.