Julian Schultz
· 22.10.2024
“Je schneller wir zurück sind, desto besser ist es für Lapierre.” Der Fahrradbauer aus Dijon macht im Gespräch mit TOUR keinen Hehl daraus, dass ihn das World-Tour-Aus nach der vergangenen Saison schmerzt. Mehr als 20 Jahre waren die Franzosen als Ausrüster von Groupama-FDJ und dessen Vorgängerteams auf der großen Radsportbühne vertreten, ehe sie 2024 von Wilier verdrängt wurden. Damit sich das schnell wieder ändert, hat Lapierre seinem Wettkampf-Allrounder ein umfassendes Update verpasst.
Das Xelius DRS ist zwar etwas schwerer als die fünfte Generation, soll aber vor allem deutlich schneller sein. Die Franzosen tragen damit der aktuellen Entwicklung im Race-Segment Rechnung, wonach die aerodynamische Entwicklung eines Wettkampfmodells oberste Priorität genießt. Die Tage des spezialisierten Aircode sind damit gezählt. Wie andere große Hersteller setzt auch Lapierre künftig nur noch auf eine Wettkampfplattform.
Das Aero-Tuning basiert vor allem auf neuen Rohrquerschnitten. Sogenannte Naca-Profile, die auch im Flugzeugbau zum Einsatz kommen, und elliptische Formen zeichnen das Rahmen-Set aus. Speziell der markante Sitzknoten, von Lapierre als 3D Tubular bezeichnet, genoss dabei eine hohe Aufmerksamkeit und wirkt nun filigraner. Kurzum: Das Markenzeichen bleibt, doch im Gegensatz zum Vorgänger soll die Konstruktion dem Wind nun weniger Angriffsfläche bieten.
TOUR machte den Test und stellte das neue Modell bereits in den Windkanal. Und das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen. Mit 217 Watt bei einem Renntempo von 45 km/h macht das Xelius DRS 10.0 einen satten Sprung nach vorne. An die schnellsten Allrounder kommt das Xelius DRS damit zwar nicht ganz heran, die Verbesserung um 12 Watt ist dennoch bemerkenswert. Schließlich versprechen die Franzosen ein annährend gleiches Gewicht: Der aero-optimierte Rahmen soll in höchster Carbonqualität und unlackiertem Zustand nur 44 Gramm schwerer sein.
Das Top-Chassis (UD SLI Team) profitiere demnach von sogenannten High-Modulus-Fasern, die ungefähr ein Drittel ausmachen und mit “einfacheren” Fasern des japanischen Spezialisten Toray kombiniert werden. Kleines Manko: Einzig das High-End-Modell basiert auf der hochwertigen Carbonqualität, alle anderen Ausstattungsvarianten mit UD-SLI-Standard basieren auf einem 155 Gramm schwereren Rahmen-Set. TOUR ermittelte für die Top-Version, ausgestattet mit Shimanos Dura-Ace Di2 und Aero-Laufrädern von DT Swiss, ein Gesamtgewicht von 7050 Gramm. Der Vorgänger mit vergleichbarer Ausstattung hing mit 6914 Gramm an der Waage und war damit 136 Gramm leichter.
Das charakteristische 3D-Tubular-System am Sitzknoten behielt Lapierre bei, um die exzellente Federung des alten auf das neue Modell zu adaptieren. “Wenn wir in die World Tour zurückkommen, wird das Rad auch bei Rennen wie Paris-Roubaix im Einsatz sein. Deshalb war uns der Komfort wie auch die Aero-Performance sehr wichtig”, teilte ein Unternehmenssprecher mit. Im Gegensatz zu herkömmlichen Konstruktionen setzen die Sitzstreben am Xelius nicht am Sitz-, sondern am Oberrohr an. Das Sitzrohr ist damit “frei” und kann über die gesamte Länge schwingen. Im Vergleich zum Vorgänger versprechen die Franzosen “die gleiche Qualität bei der Vibrationsdämpfung”. Die maximale Reifenfreiheit liegt bei 32 Millimetern.
Unangetastet bleibt unterdessen die Rahmengeometrie, die den Fahrer in eine rennmäßige Sitzposition bringt und unter anderem durch einen geringen Gabelnachlauf ein äußerst agiles Lenkverhalten verspricht. Statt bislang fünf stehen nun sechs Rahmengrößen zur Auswahl, hinzugekommen ist Größe XXL für Fahrer jenseits der 1,95 Meter. Neue Komponenten in Form eines Aero-Cockpits, die schmalste Version misst 370 Millimeter, und eine abgeflachte Carbonsattelstütze runden das sportliche Gesamtkonzept des Xelius DRS ab.
Lapierre bietet seinen neuen Race-Allrounder in acht Ausstattungsvarianten zwischen 2899 und 10000 Euro an. Zum Marktstart sind allerdings nur die eher hochpreisigen Modelle 8.0, 9.0 und 10.0 erhältlich. Die günstigeren Versionen 5.0, 6.0 und 7.0 kommen laut Herstellerangabe etwas später in den Handel. Bis auf das Basismodell sind die Räder mit elektronischen Schaltgruppen von Shimano oder SRAM aufgebaut. Carbonlaufräder gibt es ab dem Xelius 8.0, für das in Kooperation mit DT Swiss ein exklusiver Laufradsatz entwickelt wurde. Laut Lapierre soll der ERC 1600 mit 45 Millimeter hohen Carbonfelgen im kommenden Jahr auch bei anderen Herstellern zu sehen sein.
Neben den Kompletträdern ist auch ein Rahmen-Set für 3999 Euro erhältlich. Eine von drei Farboptionen ist eine Hommage an den Olympia-Sieg von Cassandre Beaugrand (Frankreich), die in Paris den Triathlon-Wettbewerb gewonnen hat. Seine Rennpremiere hat der neue Bolide damit also schon hinter sich. Jetzt muss es für Lapierre nur noch mit der World Tour klappen. Wie schnell mit einem Comeback zu rechnen ist, wollte der französische Fahrradbauer auf Nachfrage nicht verraten.