Koga Kinsei Pro im EinzeltestInspiration aus dem Velodrom

Julian Schultz

 · 27.09.2023

Das Koga Kinsei Pro im TOUR-Einzeltest
Foto: Skyshot/Greber
Im Bahnradsport zählt Koga zu den führenden Herstellern, auf der Straße war es um die niederländische Marke zuletzt aber ruhig. Mit dem Koga Kinsei Pro soll sich das ändern. Ob´s gelingt?

Koga Kinsei Pro im TOUR-Einzeltest

Mit insgesamt 26 Medaillen bei den jüngsten Bahnrad-­Großveranstaltungen zählt das “Dutch Cycling Team” zu den erfolgreichsten Nationen. Allein Harrie Lavreysen tat sich bei Welt- und Europameisterschaften als wahrer Titelhamster hervor, seit August 2022 fuhr das Kraft­paket sechsmal Gold und einmal Silber ein. ­Lavreysen, obendrein noch mit zwei olympischen Goldmedaillen aus Tokio dekoriert, ist im Bahnoval die Konstante für die Niederländer. Doch was hat die beeindruckende Medaillenausbeute des 26-Jährigen mit dem neuen Koga Kinsei zu tun? Die Antwort auf diese und andere Fragen liefert unser Test.

30 Millimeter breite Reifen nutzen den Platz in Rahmen und Gabel maximal ausFoto: Matthias Borchers30 Millimeter breite Reifen nutzen den Platz in Rahmen und Gabel maximal aus

Im Gegensatz zum Bahnradsport, wo Koga als Ausrüster des Oranje-Teams einen Erfolg nach dem anderen einfährt, machte der Fahrradbauer aus Heerenveen mit konkurrenzfähigen Straßenrädern zuletzt kaum auf sich aufmerksam. Auch ins TOUR-Testlabor rollten über die Jahre hinweg immer weniger Modelle der Niederländer. Kurz vor dem 50-jährigen Firmenbestehen im kommenden Jahr meldet sich Koga allerdings mit einer markanten Neuvorstellung zurück: Das Kinsei hört nicht nur auf denselben Modellnamen wie das erfolgreiche Bahnrad (frei übersetzt aus dem Japanischen: “für Gold gemacht”), sondern greift auch wesentliche Aero-Elemente des Arbeitsgeräts von Lavreysen & Co auf.

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Ziel: beste Aerodynamik

Koga nutzt dafür den Spielraum des (nicht mehr ganz) neuen Technikreglements des Weltradsportverbands UCI und verpasst dem Straßenrenner eine betont aerodynamisch gezeichnete Rahmenkonstruktion, wie man sie in ähnlicher Form vom Orbea Orca Aero, Simplon Pride II oder Storck Aerfast.4 kennt. Speziell die flächig ausgeformte Steuerrohrpartie betont die Idee eines windschnittigen Profils sehr auffällig. Auch der Bereich zwischen Sitzrohr und Sitzstreben fällt extrem flächig aus. Natürlich mit einem übergeordneten Ziel: bester Aerodynamik.

Im TOUR-Test im GST-Windkanal in Immenstaad blieb das Kinsei allerdings etwas hinter den Erwartungen zurück, die die rasante Optik weckt. Die benötigte Tret­leistung von 210 Watt für 45 km/h sind ein guter, aber gemessen an der schnellen Weiterentwicklung in Sachen ­Aerodynamik kein sehr guter Wert. Trotz der ausgefeilten Rohrformen und schneller Hochprofil-Laufräder von DT Swiss fehlen zu den schnellsten Se­rienrädern im TOUR-Test, zu denen die erwähnten Räder von Simplon und Storck zählen, bis zu elf Watt. Ein Grund für den Rückstand: Das flächige Steuerrohr ist sehr lang – das bedeutet viel Angriffsfläche für Gegenwind und somit einen höheren Luftwiderstand.

Koga Kinsei - Die eher konventionelle Lenker-Vorbau-Kombi kostet im Windkanal ein paar WattFoto: Matthias BorchersKoga Kinsei - Die eher konventionelle Lenker-Vorbau-Kombi kostet im Windkanal ein paar Watt

Eine Begleiterscheinung der flächigen Formgebung zeigt sich beim Blick auf die Waage. Wie schon das Orbea und das Simplon sortiert sich auch das Koga bei knapp 8 Kilogramm ein, allein das Rahmen-Set wiegt stolze 2100 Gramm. Das ist recht üppig, ­sowohl gegenüber gemäßigter konzipierten Aero-Boliden wie dem Canyon Ae­road CFR (1450 Gramm) als auch im Vergleich mit schnellen Race-­Allroundern wie dem Cannondale SuperSix Hi-Mod 2 (1370 Gramm) oder Specializeds S-Works Tarmac SL7 (1294 Gramm). Trotz der hochwertigen ­Ausstattung kratzt das Kinsei hart an der 8-Kilogramm-Marke.

Koga Kinsei Pro - Hochwertig ausgestattet

Seine Stärken spielt das Rad auf topfebenem Terrain aus und flitzt mit satter Straßenlage über den Asphalt. Die betont aufrechte Sitzposition, die an langstreckentaugliche Marathonrennräder erinnert, ist auf den ersten Metern etwas ungewöhnlich. Dank des nach vorne leicht abfallenden Carbonlenkers des US­-amerikanischen Komponentenspezialisten Control Tech kann man sich dennoch weit über das Cockpit ­lehnen und in eine sport­liche Rennposition bringen. Allerdings rea­giert das Koga bei rasanter Fahrt etwas ­ruppig auf Bodenwellen und Schlaglöcher; die Federwirkung geht vorwiegend von den voluminösen 30-Millimeter-Reifen aus, die gerade so durch Rahmen und Gabel passen.

In der Endabrechnung schneidet das auf­sehenerregende Kinsei Pro auch dank der hochwertigen Ausstattung gut ab. Der niederländische Hersteller, seit 1998 unter dem Dach der Accell Group, schraubt Shimanos elektronische Dura-Ace an die Pro-Version. Dank der Powermeter-Kurbel lässt sich in Echtzeit die Leistung am Fahrradcomputer abrufen. Gemessen an der Variante für die Bahn erscheint der Preis von 9999 Euro fair kalkuliert. Schließlich ruft Koga nur für das Rahmen-Set und Cockpit des Oval-Renners fast die gleiche Summe auf. Günstigere Ausstattungsvarianten des Kinsei kosten in etwa die Hälfte des Top-Modells, reißen wegen schwererer Komponenten aber die 8-­Kilo-Marke. Das kann man eigentlich nur ignorieren, wenn man so muskelbepackte Oberschenkel hat wie Harrie Lavreysen.

Koga Kinsei Pro - Fakten und Bewertungen

Koga Kinsei ProFoto: Skyshot/GreberKoga Kinsei Pro
  • Gewicht Rahmen/Gabel/Steuerlager* 1451/533/122 Gramm
  • Rahmengrößen** S, M, L, XL
  • Sitz-/Ober-/Steuerrohr 530/575/172 Millimeter
  • Stack/Reach/STR*** 619/382 Millimeter/1,62
  • Radstand/Nachlauf 1005/54 Millimeter

Ausstattung

  • Antrieb/Schaltung Shimano Dura-Ace (2x12; 52/36, 11-34 Z.)
  • Bremsen Shimano Dura-Ace (160/160 Millimeter)
  • Laufräder/Reifen (Gewichte)**** DT Swiss ARC 110 Dicut 50/Continental Grand Prix 5000 30 Millimeter (v./h.: 1202/1603 Gramm)

Messwerte & Einzelnoten*****

  • Gewicht Komplettrad 7,9 Kilo Note 3,0
  • Lenkkopfsteifigkeit 88 Nm/° Note 2,0
  • Seitensteifigkeit Gabel 42 N/mm Note 3,0
  • Tretlagersteifigkeit 58 N/mm Note 1,3
  • Federhärte Sattelstütze 326 N/mm Note 3,7
  • Aerodynamik****** 210 Watt Note 1,7

>> Das Koga Kinsei bekommt eine TOUR-Gesamtnote von 2,0

Stärken und Schwächen vom Koga Kinsei Pro in der TOUR-GrafikStärken und Schwächen vom Koga Kinsei Pro in der TOUR-Grafik

*Gewogene ­Gewichte.

**Herstellerangabe Testgröße fett.

***Stack/Reach projiziertes senkrechtes/waagerechtes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr;

STR (Stack to Reach) 1,36 bedeutet eine sehr gestreckte, 1,60 eine aufrechte Sitzposition.

****Laufradgewichte inklusive Bereifung, Kassette, Schnellspanner/Steckachsen und ggf. Bremsscheiben.

*****Einzelnoten, die unterschiedlich gewichtet in die Gesamtnote einfließen, drucken wir aus Platzgründen nur zum Teil ab. Die Noten werden bis zur Endnote mit allen Nachkommastellen gerechnet; zur besseren Übersichtlichkeit geben wir aber alle Noten mit gerundeter Nachkommastelle an.

******Aerodynamik theoretisch benötigte Tretleistung, um den Luftwiderstand bei 45 km/h zu überwinden, gemessen im Windkanal mit einem tretenden Beindummy.

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