Nominell gibt es bei Factor eine klare Aufgabenteilung. Das hier gezeigte Ostro nimmt den Platz als Aero-Bolide ein, das O2 definiert sich als Kletterspezialist. Ganz so deutlich ist die Unterscheidung in der Praxis allerdings nicht. Den besten Beweis erbrachte Michael Woods (Israel-Premier Tech) bei der Tour de France 2023, als er trotz des anspruchsvollen Etappenprofils im Zentralmassiv das schwerere Ostro wählte – und am bis zu 18 Prozent steilen Puy de Dome gewann. Warum? Unser Test in Labor und Windkanal klärt auf. Als Stellvertreter dient das Arbeitsgerät von Hugo Houle, mit dem er im Vorjahr die Frankreich-Rundfahrt bestritt.
Man würde dem Ostro unrecht tun, beschränkte man es auf seine Aerodynamik. Dabei sind 206 Watt bei 45 km/h ein Top-Ergebnis in dieser Disziplin. Doch trotz des Rahmen-Sets mit flächigen Rohrformen schafft es der britisch-taiwanische Hersteller, das Gesamtgewicht unter sieben Kilogramm zu drücken. Maßgeblich dafür ist der bemerkenswert leichte Laufradsatz der Eigenmarke Black Inc. – das Vorderrad mit 48 Millimeter hoher Felge und Messerspeichen aus Carbon wiegt weniger als 1000 Gramm.
In den beiden wichtigsten Kategorien eines Wettkampfrads – Gewicht und Aeordynamik – macht Factor vieles richtig. Bei Geschwindigkeiten ab 50 km/h offenbart das Ostro jedoch eine Schwäche, die sich auf dem Steifigkeitsprüfstand reproduzieren lässt: Der Renner ist nicht besonders seitensteif. Sprinter dürften sich außerdem ein verwindungssteiferes Tretlager wünschen.
Ein pfeilschnelles Rad für viele Anlässe, leider nicht sehr fahrstabil und auch nicht besonders komfortabel. Eine günstige Version sucht man vergeblich. Die vier Ausstattungsvarianten liegen zwischen 11.099 und 13.799 Euro.
Gewicht (25 Prozent der Gesamtnote): Für die Bewertung zählt das gewogene Komplettradgewicht in der einheitlichen Testradgröße 56–57 Zentimeter. Wir weisen zur Orientierung aber auch die Laufradgewichte aus. Die Notenskala ist so gelegt, dass bei einem mittleren Streckenprofil von 1000 Höhenmetern pro 100 Kilometern die physikalische Wirkung von Gewicht und Aerodynamik für die Durchschnittsgeschwindigkeit vergleichbar ist. Zur Orientierung: Die aerodynamische Optimierung des Rades kann auf solch einer Strecke bis zu knapp vier Kilogramm Gewicht kompensieren. Gleichzeitige Bestnoten in Gewicht UND Aerodynamik schließen sich aus, aber es gibt Rennräder, die einen sehr guten Kompromiss finden. Ist die Strecke bergiger als unsere Referenzstrecke, nimmt die Bedeutung des Gewichts zu, ist die Strecke flacher, wird die Aerodynamik wichtiger.
Luftwiderstand (25 Prozent): Dynamisch gemessen im Windkanal, mit TOUR-Dummy, drehenden Rädern, bewegten Beinen und über ein großes Spektrum von Anströmwinkeln. Verdichtet zu einer Aerodynamik-Note für typische Umweltbedingungen.
Frontsteifigkeit (10 Prozent): Wichtige Größe für die Lenkpräzision und das Vertrauen ins Rad bei hohem Tempo, ermittelt im TOUR-Labor. Es wird eine Gesamtsteifigkeit am fahrfertig montierten Rahmen-Set ermittelt, also inklusive Gabel. Die Steifigkeitswerte werden gedeckelt. Ziel sind nicht unendlich steife, sondern ausreichend fahrstabile Rahmen.
Tretlagersteifigkeit (10 Prozent): Verrät, wie stark der Rahmen bei harten Tritten, zum Beispiel im Sprint, nachgibt. Diese Messung findet ebenfalls im TOUR-Labor statt, mit einer realitätsnahen Aufspannung, bei der sich der Rahmen wie im Fahrbetrieb verformen kann.
Komfort Heck (10 Prozent): Ein Maß für die Nachgiebigkeit bei Fahrbahnstößen, gemessen im TOUR-Labor. Es wird ein Federweg bei Belastung der Sattelstütze gemessen. Der Messwert korreliert sehr gut mit den Fahreindrücken und dem Komfortempfinden. Gute Noten bedeuten auch eine ordentliche Fahrdynamik, die sich auf schlechten Straßen positiv auf die Geschwindigkeit auswirkt.
Komfort Front (5 Prozent): Analog zum Heck wird die Verformung des Lenkers unter Last ermittelt. Eine gute Note bedeutet viel Federkomfort, was die Hände auf langen Touren entlastet. Starke Sprinter, die viel Steifigkeit wünschen, sollten aber eher auf einen steifen Lenker achten.
Schalten (5 Prozent): Die Schalteigenschaften werden im Fahrtest ermittelt. Bewertet wird nicht der Preis oder die Qualitätsanmutung einzelner Komponenten, sondern ausschließlich die Funktion des gesamten Getriebes. Dabei spielen beispielsweise auch die Zugverlegung, die Qualität der Züge und die montierte Kette eine Rolle.
Bremsen (5 Prozent): Ähnlich wie beim Schalten zählt auch hier der Test auf der Straße, es fließen zusätzlich die Erfahrungen aus unseren unzähligen Tests von Bremsen mit in die Bewertung ein. Dabei wird nicht das Bauteil selbst, sondern die Funktion als Zusammenspiel von Bremskörper, Belägen, Felgen bzw. Scheiben und Zügen sowie Zugverlegung bewertet: Wie gut lassen sich die Bremsen modulieren? Wie standhaft sind die Bremsen, wie lang sind die Bremswege?
Reifen (5 Prozent): Bewertet werden Rollwiderstand und Grip – soweit bekannt aus einem unserer unabhängigen Reifentests oder anhand des Fahreindrucks.
Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozentangaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.