Vor der vierten Etappe der Frankreich-Rundfahrt von Amiens nach Rouen lüftete der kanadische Fahrradbauer den Vorhang und stellte die neue Generation des S5 auch offiziell vor. Jonas Vingegaard & Co. waren das Race-Modell bereits seit dem Grand Départ in Lille gefahren, seine Rennpremiere feierte das Cervélo vor wenigen Wochen beim Critérium du Dauphiné. Rein optisch fallen die Neuerungen vergleichsweise behutsam aus. Die Kanadier wollten laut eigener Aussage, “ein bereits tolles Bike nicht vermasseln”.
Das Rahmen-Set greift das flächige “Flunder-Design” des alten Modells auf. Das Steuerrohr fällt weiter extrem lang aus und reizt das UCI-Reglement wie vergleichbare Aero-Spezialisten aus. Die etwas schärfer gezeichnete Gabel sitzt weiter vor dem Lenkkopf. Das Markenzeichen des S5 griff zuletzt auch Konkurrent Colnago beim neuen Y1Rs auf. Wie Cervélo mitteilt, soll das Gewicht trotzdem reduziert worden sein.
Neben einem etwas leichteren Rahmen zeichne dafür vor allem die neue Lenker-Vorbau-Einheit verantwortlich. 100 Gramm soll das Cockpit leichter sein. Für das Systemgewicht aus Rahmen-Set, Lenkerkombi und Sattelstütze nennt die Marke unter dem Dach von Pon.Bike eine Ersparnis von rund 120 Gramm gegenüber dem Vorgänger. Unser Testrad mit Shimano Dura-Ace und neuen Aero-Laufrädern von Reserve hing insgesamt mit 7,5 Kilogramm an der Waage.
Wie beim Vorgänger ist der Vorbau weiter geteilt, laut Cervélo sollen dadurch Luftverwirbelungen minimiert werden und die Aero-Performance profitieren. Bei allen Größen ist der Oberlenker 40 Millimeter schmaler als der Unterlenker. Die Kanadier legen dabei Wert darauf, dass alle Versionen den künftigen UCI-Regularien entsprechen.
Doch wie schnell ist das S5 denn nun? TOUR machte im Windkanal bereits die Probe aufs Exempel: Für ein erstes Modell mit Shimano Ultegra, Reserve-Laufrädern mit 57 bzw. 64 Millimeter hohen Felgen und Vittoria Corsa Pro-Reifen ermittelten wir 204 Watt, die das neue S5 zur Überwindung des eigenen Luftwiderstands im Renntempo benötigt. Ein neuer Bestwert ist das nicht, die alte Version (202 Watt) war in unserem Versuchsaufbau minimal schneller. Dennoch verdient sich das Cervélo damit weiter den Titel als eines der schnellsten Wettkampfräder der Welt.
Zum Vergleich: Das Y1Rs, das bei der Tour de France von Tadej Pogacar gefahren wird und inzwischen mit einem Etappensieg bei der Frankreich-Rundfahrt dekoriert ist, erzielt die identische Performance. Auch das Canyon Aeroad, gefahren von Alpecin-Deceuninck um Mathieu van der Poel und Movistar, kommt auf 204 Watt. In der World Tour ist uns aktuell nur ein schnellerer Bolide bekannt: Das Van Rysel RCR-F vom Team Decathlon Ag2r La Mondiale glänzt mit dem Fabelwert von 200 Watt.
Seinen Anteil an der Top-Aerodynamik hat der Laufradsatz von Reserve, das ebenfalls unter dem Dach der niederländischen Pon-Gruppe organisiert ist. Die Carbonfelgen der Neuentwicklung messen erstmals 57 und 64 Millimeter (vorne/hinten). Neben ihrer bauchigen Form zeichnen sich diese zudem durch ein asymmetrisches Design am Hinterrad aus, das die Form des Sitzrohrs aufgreift. Wir ermittelten für den Satz inklusive 29 Millimeter breiter Tubeless-Reifen von Vittoria ein Gewicht von 2883 Gramm (vorne/hinten: 1223/1660 Gramm).
Nachdem die Neuheit bislang ausschließlich den Top-Stars um Vingegaard oder Wout van Aert vorbehalten war, ist das S5 inzwischen auch für Jedermann erhältlich. In fünf Ausstattungsvarianten, die sich neben dem Sattel nur bei den Schaltgruppen unterscheiden. Zur Auswahl steht aktuelle Technik von Shimano oder SRAM inklusive Powermeter. Eines der Top-Modelle ist dabei mit einem 1x13-Antrieb von SRAM mit großem Aero-Kettenblatt (50 Zähne) aufbauen. Die Version soll dadurch nochmals zwei Watt schneller sein und natürlich auch an der Waage profitieren.
Der Haken an der Sache: Ein bezahlbares Modell sucht man im Portfolio vergeblich. Bereits für die Räder mit Ultegra und Force werden 9999 Euro fällig, die weiteren Varianten mit Dura-Ace und Red AXS schlagen mit 13.999 Euro zu Buche. Wir sind trotzdem gespannt, wie sich der schnelle Bolide auf der Straße schlägt. Einen ausführlichen Einzeltest finden Sie demnächst auf unserer Website oder in der Printversion.