Aus Super Veloce wird Sempre Veloce: Jahrelang führte das Diamante Super Veloce das Portfolio beim italienischen Fahrradbauer an. Dank aerodynamisch optimierter Rohrformen und Anbauteile war das Bike der Spezialist für schnelle Etappen. Oder wie es die Traditionsmarke aus Venetien nannte: richtig schnell (it.: super veloce). Nun bekommt das selbsternannte Super-Bike stallintern Konkurrenz. Das Sempre Veloce (dt.: immer schnell) ist im Vergleich zum bisherigen Top-Modell vielschichtiger, indem es Aerodynamik, Komfort und Leichtbau vereint.
Das neue Vorzeigemodell der Italiener versteht sich als Wandler zwischen den Welten. Das geringe Gewicht, kantige Rahmen-Design und aggressive Cockpit verorten das SV einerseits klar als Rennmaschine. Die langstreckentaugliche Rahmengeometrie, üppige Reifenfreiheit und erstklassige Dämpfung wiederum rücken das Basso in die Nähe eines Marathonrads. “Viele Hersteller beginnen mit der Entwicklung von Rennrädern für Spitzensportler und passen diese dann an die Bedürfnisse von Hobbysportlern an. Wir wählten einen anderen Weg”, so die Italiener, die letztlich aus der Not eine Tugend machten.
Denn im Gegensatz zu den namhaften Konkurrenten um Bianchi, Pinarello oder Wilier ist Basso nicht in der World Tour, zweifellos eine der besten Werbeplattformen für Fahrradbauer, vertreten. Dementsprechend habe man in der Entwicklung mehr Freiraum und könne sich an den Bedürfnissen “echter Fahrer” konzentrieren. Das SV sei demnach ein Rennrad, “das die perfekte Balance aus Renn-Performance und Alltagstauglichkeit verkörpert”.
Als Basis dient ein Rahmen-Set in hochwertiger Carbonqualität (Torayca T1100/T1000). Für den unlackierten Rahmen in Größe 53 nennt Basso ein Gewicht von 780 Gramm, die Gabel soll 370 Gramm wiegen. Insgesamt ermittelten wir für das Top-Modell mit Shimano Dura-Ace und Aero-Laufrädern von DT Swiss ein Gesamtgewicht von 6890 Gramm. Damit konkurriert das SV auf Anhieb mit den leichtesten Race-Allroundern im TOUR-Test.
Aerodynamisch will die Neuheit von einer windschnittigeren Front profitieren. Laut Hersteller bietet das Sempre Veloce dem Fahrtwind 16 Prozent weniger Angriffsfläche als das Diamante SV. Kammtail-Profile an allen Carbonrohren und eine dezente Aussparung am Unterrohr für das vordere Laufrad sollen die Neuerscheinung zudem schnell machen. Wie schnell? Dazu machte Basso keine Angaben.
Wir konnten das SV bislang noch nicht im Windkanal messen, weshalb wir auch noch keine TOUR-Gesamtnote vergeben. Einen Anhaltspunkt liefert allerdings das Diamante SV, das mit vergleichbarer Ausstattung 220 Watt benötigte, um im Renntempo den eigenen Luftwiderstand zu überwinden. Ein aus heutiger Sicht unterdurchschnittlicher Wert, schließlich sind die schnellsten Aero-Spezialisten rund 20 Watt schneller.
Ein Highlight und astreines Erkennungsmerkmal eines Wettkampfrads ist die kompakte Lenker-Vorbau-Einheit, die an die Steuerzentrale des geländetauglichen Rose Backroad FF erinnert. Über dem nur 370 Millimeter schmalen Cockpit mit eingedrehten Griffhöckern können sich Fahrer und Fahrerin wunderbar kleinmachen, um dem Fahrtwind möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Der ergonomisch geformte Lenkerbogen mit geringem Drop (115 Millimeter) sorgt dafür, dass der Komfort nicht zu kurz kommt und die Schalt-Brems-Hebel jederzeit gut erreichbar sind.
Trotz des Race-Cockpits, am Testrad mit vergleichsweise langem Vorbau, sitzt man auf dem SV ziemlich bequem. Im Gegensatz zu einigen Konkurrenten setzt Basso nämlich auf eine gemäßigtere Rahmengeometrie, wodurch man sich auf langen Etappen kaum Gedanken über Nackenprobleme machen braucht. Da nicht alle Fahrer mit einem extrem schmalen Cockpit zurecht kommen, bietet Basso auch eine gemäßigtere Lenker-Vorbau-Einheit zwischen 400 und 480 Millimetern an. Insgesamt stehen im Konfigurator 16 Optionen zur Auswahl.
Neben der Sitzposition ist der hohe Federkomfort das absolute Alleinstellungsmerkmal des SV. Durch die abgeflachte, lange Sattelstütze aus Carbon und einem in der Klemmung integrierten Gummi werden Unebenheiten spür- und messbar geschluckt. Mit einem Federweg von 10 Millimetern bei einer Prüflast von 80 Kilogramm lässt das Basso sogar viele Marathonräder alt aussehen. Geschmeidige Tubeless-Reifen runden das Konzept ab und machen Abstecher auf Feld- und Schotterwege problemlos möglich. Durch die ungewöhnlich große Reifenfreiheit von 35 Millimetern lässt sich das Basso noch vielseitiger abstimmen.
Neben dem erstklassigen Komfort liefert das SV bei unserer Premierenfahrt keine Überraschungen. Der Renner macht genau das, was man ihm vorgibt. Damit reiht es sich in die Reihe des weiter erhältlichen Diamante SV sowie des “normalen” Diamante ein und dürfte eine große Zielgruppe ansprechen, die auf der Suche nach einem schnellen und komfortablen Allrounder sind. Hobbyfahrer werden bei den Varianten mit Shimano zudem die Getriebeoptionen mit Kompaktkurbel und 1:1-Übersetzung schätzen. Allerdings gehört das Italo-Bike nicht gerade zu den steifsten Wettkampfrädern und neigt auf rasanten Talfahrten zu einem etwas nervösen Lenkverhalten.
Wie alle Carbon-Modelle von Basso wird auch das neue SV samt Sattelstütze und Cockpit im Stammwerk in Vicenza hergestellt und lackiert. Vier Basisplattformen mit Schaltgruppen von Shimano (Ultegra, Dura-Ace), SRAM (Red AXS) oder Campagnolo (Super Record WRL S) werden angeboten. Per Konfigurator lassen sich Laufräder, Lenker, Lackierung, Sattelstütze oder Übersetzung auswählen.
Die Optionen zur Individualisierung und die Made in Italy-Produktion haben ihren Preis. Das Einstiegsmodell mit Ultegra und Carbon-Laufrädern von Fulcrum kostet bereits 7949 Euro. Das Testrad mit Dura-Ace und schnellen DT Swiss ARC 1100 liegt bei 11799 Euro. Sehr viel Geld für ein Rennrad, das mit seinem vielschichtigen Konzept aber viele Einsatzgebiete abdeckt.