Sebastian Lindner
· 04.03.2024
Gut möglich, dass der Jonas Vingegaard heißt. Roglic’ Ex-Teamkollege hat auf dem Weg zu seinem angestrebten dritten Tour-de-France-Sieg in Folge auch Tirreno-Adriatico auf seinem Plan. Sein großer Gegenspieler Tadej Pogacar steht dagegen nicht in der Startliste, dafür dessen UAE-Emirates-Teamkollege Juan Ayuso. Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) hat das Rennen zwischen den Meeren genauso geplant wie die beiden Italiener Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) und Jonathan Milan (Lidl-Trek).
Siegchancen hat dabei zumindest in der Theorie jeder dieser Fahrer, denn vom Anforderungsprofil her kommen sowohl Zeitfahrer, Sprinter, Kletterer und Puncheure auf den sieben Etappen auf ihre Kosten.
Seit 2015 hat sich an Start und Ziel nichts geändert. Ein Zeitfahren zum Auftakt in Lido di Camaiore am Tyrrhenischen Meer, die Überquerung der letzten Ziellinie in San Benedetto del Tronto, wo die Strecke auch präsentiert wurde. Dazwischen tummeln sich mehrere klassische Zielorte, die traditionell Teil dieses Rennens oder auch des Giro d’Italia sind.
Mehr als 1000 Kilometer werden auf den sieben Etappen zurückgelegt. Neben dem Auftaktzeitfahren warten drei Teilstücke, die mutmaßlich im Massensprint entschieden werden, zwei weitere Etappen, auf denen sich die Hügelspezialisten zeigen können, und eine Bergankunft.
Schon in den beiden vergangenen Jahren startete Tirreno-Adriatico mit einem Einzelzeitfahren am Strand von Camaiore. Dieses Mal ist es mit genau zehn Kilometern noch ein kleines bisschen kürzer als zuletzt. Filippo Ganna hieß der Sieger in beiden Fällen. Es wäre keine Überraschung, wenn der Weltmeister im Kampf gegen die Uhr der Jahre 2020 und 2021 auf dem komplett flachen Kurs erneut zuschlagen würde.
Abgesehen von drei S-Kurven sowie der Wendemarke bei Kilometer 5,4 in Viareggio, wo auch die Zwischenzeit gestoppt wird, geht es es fast nur geradeaus. Auf dem kurzen Highspeed-Kurs könnten neben den Zeitfahrspezialisten aber auch die Sprinter voll mit reinhalten, um ihre Chancen auf die Übernahme des Leadertrikots am nächsten Tag zu erhöhen.
Denn die 2. Etappe, die im Zentrum von Camaiore startet, ist prädestiniert für eine Sprintankunft. Über Pisa und Livorno führt der 198 Kilometer lange Abschnitt gen Süden. Der Anstieg hinauf nach Castellina Marittima, wo auch Punkte fürs Bergtrikot vergeben werden, ist etwa bei Rennhälfte die einzig größere Schwierigkeit.
18 Kilometer vor dem Ende erreicht das Feld dann erstmals den Zielstrich in Follonica. Eine zusätzliche Runde steht hier auf dem Programm, ehe ein Tagessieger aus den Reihen der Sprinterfraktion gekürt wird.
Nach einem kurzen Transfer ein paar Kilometer zurück nach Norden startet der dritte Abschnitt von Tirreno-Adriatico in Volterra. Die 225 Kilometer über Siena und Perugia in östliche Richtung bis nach Gualdo Tadino bilden nicht nur den längsten Abschnitt, sondern auch den Übergang in die hügeligeren Teile des Rennens.
Der ganze Tag in den Ausläufern des Apennin kommt leicht wellig daher. Die Bergwertung wird 16 Kilometer vor dem Ziel abgenommen, doch auch danach geht es bis zum Ziel mit etwa vier Prozent weiter bergauf. Die Steigungsprozente ziehen sich auch über die Zielgeraden, der klassische Flachlandsprinter könnte da schon seine Probleme kriegen. Trotzdem dürfte ein relativ großes Feld gemeinsam ankommen.
Um am vierten Tag von Arrone aus durch die Abruzzen zu fahren, ist wieder ein kleiner Transfer notwendig. Das 207 Kilometer lange Teilstück führt dann zunächst nach Norden, um in den Sibillini Bergen Kurs auf den Forca di Presta zu nehmen. Der Pass auf 1536 Metern ist der höchste Punkt der Rundfahrt. Angefahren wird er durch zahlreiche Tunnel und Gallerien über den Valico di Castelluccio, dort wird die Bergwertung abgenommen, bevor es erstmal wieder bergab und dann in die Gegensteigung geht. Der Forca di Presta ist nach knapp 83 Kilometern erreicht. Ging es bis dahin überwiegend bergauf, geht es dann wieder lange Zeit bergab.
Etwa 22 Kilometer vor dem Ziel wird in Giulianova erstmals der Zielstrich passiert. Doch auch hier schließt sich wie in Follonica noch eine Zusatzrunde an. In der werden nochmal einige Höhenmeter gemacht, der Zwischensprint befindet sich 14 Kilometer vor dem Ende auf dem höchsten Punkt des Rundkurses. Nach einer längeren Abfahrt geht es dann für die letzten rund 3000 Meter wieder bergauf - und zwar mit 4,5 Prozent im Schnitt.
Wenn sich eine Ausreißergruppe nicht schon auf dem Weg zum Forca di Presto einen ausreichend großen Vorsprung herausgefahren hat, um vor dem Hauptfeld ins Ziel zu kommen, ist es gut möglich, dass einzelne Fahrer die Schlussrunde nutzen, um einer Massenankunft zu entgehen. Für die Sprinter dürfte der Tag, an dem das Rennen erstmals in diesem Jahr die Adriaküste erreicht, zu schwer werden.
Torricella Sicura ist der offizielle Startort der 5. Etappe, doch wirklich los geht es erst in Teramo. Dazwischen liegt eine lange Abfahrt, die noch neutralisiert gefahren wird. Danach wird es ernst. Es warten mehrere Anstiege, ebene Kilometer gibt es kaum. Zudem ist es sehr kurvig. Größtes Hindernis ist der Anstieg nach San Giacomo, der in Villa Lempa 35 Kilometer vor dem Ziel beginnt. 12 Kilometer mit 6,2 Prozent im Schnitt geht es bergauf - und dann bis etwa sieben Kilometer vor dem Ziel in Valle Castellana wieder runter.
Und dann wieder aufwärts, denn es wartet eine Art Mini-Bergankunft auf das Feld. Die letzten 1000 Meter kommen mit sieben Prozent Steigung daher. Kletterfähigkeiten sind gefragt, um den Tag für sich zu entscheiden.
Auf der 189 Kilometer langen 6. Etappe wartet dann die echte Bergankunft der Rundfahrt. Um den Start in Sassoferrato zu erreichen, muss der Tross aber erstmal einen Transfer in die Nähe des Ziels der vorletzten Etappe zurücklegen, um dort dann im Zickzackkurs dem Ziel am Monte Petrano nahe zu kommen.
Den ersten längeren Anstieg des Tages beendet das Feld in La Forchetta nach 67 Kilometern in Pian di Trebo nach gut 140 Kilometern. Zwischendurch wird Cagli passiert. Dort finden sich die Fahrer nach 170 Kilometern erneut ein, denn dort beginnt der Schlussanstieg.
Gut zehn Kilometer lang und acht Prozent steil ist der Berg, der über den Gesamtsieg bei Tirreno-Adriatico 2024 entscheidet. Der erste Teil ist dabei bis zu zwölf Prozent steil, hintenraus wird es durch viele Haarnadelkurven etwas flacher.
Zur Schlussetappe geht es wieder in den Süden an die Adria nach Sen Benedetto del Tronto. Die 154 Kilometer lange 7. Etappe gliedert sich dabei in zwei Teile. Zunächst geht ins Landesinnere bis Montedinove auf einem welligen Kurs.
Nach 81 Kilometern ist San Benedetto wieder erreicht, doch es ist gerade mal Halbzeit. Allerdings ist die zweite Hälfte dabei deutlich einfacher. Denn die Höhenmeter für den Rest des Tages tendieren gegen Null. Ein 14,5 Kilometer langer Rundkurs durch den Ort, der fünfmal gefahren wird, ist der Grund dafür. Direkt entlang der Küste, wo auch das Ziel liegt, führt die Strecke in die eine Richtung, ehe es eine Parallelstraße weiter in die andere Richtung zurückgeht.
Klassement wird hier nicht mehr gemacht. Lediglich die Sprinter kämpfen hier um den letzten Tagessieg.
Eurosport überträgt die Fernfahrt 2024 wieder. Unter der Woche sind die Etappen bei Eurosport 1 zu sehen, am Wochenende bei Eurosport 2. Zudem wird bei discovery+ (kostenpflichtig) ein Live-Stream an allen Tagen angeboten.