Alto de l'AngliruMonster-Berg wartet bei der Vuelta 2025

Freiluftbühne: An den bis zu 24 Prozent steilen Rampen des Angliru harren die Fans stundenlang aus, um die Rennfahrer anzufeuern
Foto: Getty Images/Tim De Waele
Auf der 13. Etappe der Vuelta a España 2025 wartet eine besondere Herausforderung auf die Fahrer: Am Alto de l’Angliru geht es in bis zu 24 Prozent steilen Rampen bergauf. Wir nehmen den Monster-Berg genauer unter die Lupe.

Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 04.09.2023 und wurde am 04.09.2025 aktualisiert.

Der Alto de l’Angliru im nordspanischen Asturien – ist er nun der Olymp des Radsports, wie überall auf Schildern am Streckenrand zu lesen ist? Oder doch eher die Hölle auf Erden? Eines sei wohl klar, sagte Fernando Escartin, der Streckenplaner und Technische Direktor im Vorfeld der Vuelta a España 2023, als der Berg letztmals im Programm der Spanien-Rundfahrt stand: “Der Angliru ist schön für die Zuschauer, aber unglaublich hart für die Fahrer.” Manche sagen, es handele sich bei der auf 1550 Meter gelegenen Passhöhe um den härtesten Anstieg überhaupt im Rennradsport.

La Cueña les Cabres: Bis zu 24 Prozent steil

Ist das so? Die Hölle dürfte für die meisten Fahrer gut drei Kilometer vor dem Zielstrich der 202,7 Kilometer langen 13. Etappe beginnen: La Cueña les Cabres heißt das berüchtigte Steilstück, das sich mit bis zu 24 Prozent Steigung den Fahrern in den Weg stellt. “Eine Wand”, sagt der Streckenchef. Hier kriechen selbst Profis nur noch im Schritttempo über den Asphalt, erinnert sich der frühere deutsche Bora-Hansgrohe-Profi Andreas Schillinger: “Der Anstieg beginnt im Tal im Dörfchen La Vega eher harmlos, erst auf den letzten sechs Kilometern geht es zur Sache.” Eine Rampe folgt der nächsten: Erst Les Cabanes mit 22 Prozent auf 150 Metern Länge. Dann Llagos mit einer Steigung von nahezu 14,5 Prozent, gefolgt von Los Picones (20 Prozent) sowie Cobayos (bis zu 21,5 Prozent). Und dann, nahtlos übergehend, der Höhepunkt des 12,4 Kilometer langen Anstiegs: Eben die gefürchtete Cueña les Cabres.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Die Aussicht auf das umliegende Kalkstein­gebirge ist grandios. Man nimmt sie nur nicht mehr wahr. “Du musst ständig aufpassen, dass der Lenker nicht hochkommt. Und wenn du aus dem Sattel gehst, kann das Hinterrad wegrutschen. Der Angliru ist oft von Nebel eingehüllt und der Asphalt dann ein bisschen glitschig”, berichtet Schillinger.

Freiluftbühne: An den bis zu 24 Prozent steilen Rampen des Angliru harren die Fans stundenlang aus, um die Rennfahrer anzufeuernFoto: Getty Images/Tim De WaeleFreiluftbühne: An den bis zu 24 Prozent steilen Rampen des Angliru harren die Fans stundenlang aus, um die Rennfahrer anzufeuern

Ein Meer aus Menschen

Die 500 Meter lange Rampe ist am Renntag stets geflutet von Menschen. Ein Meer, das sich in letzter Sekunde vor den Rennfahrern öffnet. Bei der Vuelta 2017 erklomm Schillinger den Angliru zum ersten Mal: “Ich hatte den Berg total unterschätzt.” Klar habe er gewusst, dass es schwer werden würde: “Von der durchschnittlichen Steigung her ähnelt der Angliru dem Mortirolo in Italien.” Den sei er schließlich auch hochgekommen: “Am Angliru wäre ich das einzige Mal in meiner Karriere fast abgestiegen. Ich wusste nicht, ob ich das Pedal noch mal herumbringen kann. Es war eine Qual. Diese Minuten werde ich nie vergessen.”



Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Bergen: “Der Mortirolo hat auch steile Rampen, aber eben nicht am Stück”, sagt Escartin, der beide Anstiege auch als Profi bewältigt hat: “Der Angliru gönnt dir keine Pause: Die letzten vier, fünf Kilometer sind durchgehend steil.” Er sei gnadenlos. “El Juez” nennt ihn Escartín: der Richter.

“Wenn man zu Fuß schneller ist, dann ist das eigentlich kein Radsport mehr”, findet der ehemalige asturische Radprofi Jose Luis Rubiera, genannt Chechu. Er kennt den Anstieg bestens, viermal erklomm er ihn als Edelhelfer von Lance Armstrong bei der Vuelta a España.

Angliru: Asphaltierter Ziegenpfad

1999 wurde der einstige Ziegenpfad in der Sierra del Aramo, im Hinterland von Oviedo, zum ersten Mal in die Spanien-Rundfahrt aufgenommen. Der Angliru sollte, so das damalige Kalkül, für die Vuelta das werden, was der Col du Tourmalet für die Tour de France oder der Mortirolo für den ­Giro d’Italia sind: Mythen des Radsports. “Ein paar Jahre zuvor hatte man ihn asphaltiert”, erinnert sich Escartín: “Bei der Premiere stürzte ich leider am El Cordal, dem Pass davor, und musste die Vuelta beenden. Ich bin den Angliru noch zwei weitere Male im Rennen hochgefahren, aber ich war nicht gut”, sagt er grinsend.

“Früher liebten die Menschen ­die Gladiatorenkämpfe. Heutzutage will das Publikum ­sehen, wie sich die Fahrer auf dem Rad winden, wie sie leiden.”

Auch in diesem Jahr ist der 785 Meter hohe El Cordal der Aperitif auf dem Weg zum Angliru: “Dort kommt es oft zu Stürzen”, erklärt Escartín. “Die Abfahrt ist technisch, aber die Fahrer sind bereit, mehr Risiko einzugehen, um sich für den Anstieg zum Angliru gut zu positionieren.”

Angliru: Ein Mythos wie L’Alpe d’Huez oder der Monte Zoncolan?

Ein Mythos wie etwa L’Alpe d’Huez oder Monte Zoncolan sei der Angliru nicht, findet Escartin. Noch nicht: “Die legendären Tour- oder Giro-Pässe umranken Geschichten von Leid und Triumph. Das fehlt dem Angliru.” Aber er hat sämtliche Zutaten, um zu einer der mythischen Berg­ankünfte des Radsports zu werden – schließlich gilt: Je furchtbarer eine Etappe ist, desto gewaltiger werden die Erzählungen darüber. Es braucht nur ein bisschen Zeit – und Menschen, die darüber sprechen.

Über genügend Publikum muss man sich beim Angliru nun wirklich keine Sorgen machen, sagt Escartín: “Früher liebten die Menschen die Gladiatorenkämpfe, die Schlägereien. Heutzutage will das Publikum sehen, wie sich die Fahrer auf dem Rad winden, wie sie leiden und eine harte Zeit haben. Die Leute wissen, dass der Angliru ein symbol­trächtiger, sehr harter Pass ist. Und dass es ein spannendes Rennen geben wird.”

Meistgelesen in der Rubrik Profi - Radsport