Tour d’Honneur, Schampus mit dem Rennchef vor dem Start? Es kann gut sein, dass es das übliche Finalszenario der Tour de France im Jahr 2025 nicht gibt. Das glaubt jedenfalls Jens Voigt, der für die TOUR-Leser die Prognosen zu den einzelnen Etappen abgibt. Grund: Die Streckenführung wird bei der kommenden Auflage massiv verändert im Vergleich zum traditionellen Parcours. Auf einer Pressekonferenz in Paris stellte der Rennveranstalter ASO heute (21. Mai 2025) gemeinsam mit der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo die Details der Strecke der Schlussetappe vor. Beim Blick auf das Höhenprofil sagt Jens Voigt: “Es wird keinen Massensprint geben.” Der große Showdown der schnellsten Männer im Feld war das übliche Szenario der vergangenen Jahre, wenn es auf der Schlussetappe weitgehend flach auf die Champs-Élysées ging. Seit 1975 ist die Pariser Prachtstraße Schauplatz des letzten Zieleinlaufs - mit Ausnahme des Vorjahres, als die Tour wegen der Olympischen Spiele in Paris nach Nizza auswich. Jetzt kehrt das Rennen zwar zum traditionsreichen Zieleinlauf zurück - aber mit veränderten Schlussrunden.
Zum 50-jährigen Jubiläum haben sich die Streckenplaner um Rennchef Christian Prudhomme etwas Besonderes ausgedacht. Es gibt keine weitgehend flachen Schlusskilometer, sondern die letzten drei Runden führen auf einer Runde über den Butte de Montmartre - den Hügel inmitten des Pariser Vergnügungsviertel, auf dem die berühmte Basilika Sacré-Coeur steht. Der Anstieg über die Rue Lepic (1,1 Kilometer mit 5,9 Prozent durchschnittlicher Steigung) war im Vorjahr Teil des Olympischen Straßenrennens. Remco Evenepoel startete hier vor großen Zuschauermassen seine siegbringende Attacke bei der Solo-Fahrt zu Gold. Zwar wird das Peloton bei der Tour de France größer sein als das Starterfeld bei Olympia, dennoch glauben Experten wie Voigt, dass sich fast alles am gewohnten Etappenverlauf in Paris ändern könnte. Zu wichtig sei das Rennen, als dass es einen Nichtangriffspakt auf der anspruchsvollen Strecke geben könnte - zu viele Radprofis könnten eine Chance auf einen Erfolg wittern, inklusive der Gesamtbesten. Selbst Attacken auf das Gelbe Trikot hält Voigt für nicht ausgeschlossen. Die schmale Straße zur Sacré-Coeur wird Hektik im Peloton auslösen, schätzt der Ex-Profi, gute Positionierung ist schon bei der ersten von drei Überfahrten wichtig. Voigt vergleicht es mit der riskanten Anfahrt auf den Wald von Arenberg bei Paris-Roubaix in der Vergangenheit, bevor zuletzt zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen eingeführt worden waren.
“Der Anstieg hinauf über die Rue Lepic und der Besuch an der Sacré-Coeur wird das übliche Szenario aufmischen und die 21. Etappe in einen prestigereichen Klassiker mit außergewöhnlichem Charakter verwandeln”, heißt es in der Pressemitteilung des Veranstalters ASO. Inspiriert sei die neue Route von der Olympiastrecke im Vorjahr, als laut Veranstalter rund 500.000 Zuschauer den Streckenabschnitt bevölkerten. Die geplante neue Streckenführung hatten zuvor schon einige renommierte Radprofis kritisiert, wie die Tour-Mitfavoriten Jonas Vingegaard und Remco Evenepoel. Der zweimalige Tour-Sieger Vingegaard urteilte: “Wir werden 150 sein, die um die beste Position kämpfen, auf einer sehr engen Steigung. Das bringt zusätzlichen Stress, mehr als wir davon brauchen.”