Sebastian Lindner
· 27.06.2024
Zum ersten Mal wurde die Tour de France 1903 ausgefahren. Ins Leben gerufen wurde sie damals durch den Journalisten und Radfahrer Henri Desgrange. Der war Chefredakteur und Herausgeber der Sportzeitung L’Auto und suchte nach einer Möglichkeit, sein Medium besser verkaufen zu können. Dafür schaffte er einen Wettbewerb, den es in der Form noch nicht gab: mehrere Radrennen in einem, Etappen, deren Zeiten zu einer Gesamtwertung addiert wurden.
Die erste Tour, bei der 60 Fahrer an den Start gingen, hatte sechs davon und kam auf eine Gesamtdistanz von mehr 2400 Kilometern. Teilstücke von mehr als 400 Kilometern, etwa von Marseille nach Toulouse oder Nantes nach Paris, waren die Regel. Allerdings lagen für gewöhnlich mehrere Tage Pause zwischen den einzelnen Etappen. Hilfe war den Fahrern in keiner Weise erlaubt. Erster Sieger war der Franzose Maurice Garin, das Starterfeld aber von Beginn an international.
Mit der Zeit wurden die Etappen kürzer, dafür aber mehr. Die Anzahl der Ruhetage ging zurück. 21 Etappen sind seit Jahren der Maßstab, zwei oder drei Ruhetage liegen dazwischen. Vier Fahrer gelten aktuell als Rekordsieger der Tour de France, sie haben den als härtestes Rennen der Welt bezeichneten Wettkampf fünfmal gewonnen. Zu ihnen gehört der Spanier Miguel Indurain, dem das als einzigen fünfmal am Stück gelang (1991-1995). Der US-Amerikaner Lance Armstrong hatte das Rennen zwar von 1999 bis 2005 und damit siebenmal am Stück gewonnen. 2012 wurden sie ihm nach Dopingermittlungen aberkannt, offiziell hat die Tour in diesen Jahren keinen Sieger. Der einzige Deutsche, der die Tour de France in den bisherigen 110 Austragungen gewinnen konnte, war Jan Ullrich 1997.
Die Grundregel der Tour de France, ist recht einfach. Derjenige, der nach den 21 Etappen die geringste Gesamtzeit hat - die Zeiten der einzelnen Teilstücke werden dabei addiert - hat die Rundfahrt gewonnen. Der überwiegende Teil der Etappen wird im Massenstart absolviert. Ausnahmen sind Zeitfahren, wo jeder Fahrer für sich die Strecke absolvieren muss. Die Zeitnahme beginnt, wenn sie von der Startrampe rollen und endet mit Überquerung der Ziellinie. Bei den Massenstarts beginnt die Messung für alle Fahrer gleichzeitig in einem fliegenden Start, wenn der Rennleiter im vorausfahrenden Fahrzeug nach ein paar Kilometern Warmup die Startflagge schwenkt.
Bei der Zielankunft erhalten dann alle Fahrer, die in der gleichen Gruppe über die Ziellinie rollen, auch die gleiche Zeit - selbst dann, wenn wenn zwischen dem Ersten und Letzten einer Gruppe mehrere Sekunden vergehen. Eine neue Zeitnahme gibt es nur dann, wenn eine eindeutig erkennbare Lücke (von mindestens einer Sekunde) zwischen zwei Fahrern erkennbar ist.
Auf flachen Etappen, auch wenn sie mehr als 200 Kilometer lang sind - in der Regel liegen die Etappen heute zwischen 150 und 200 Kilometern - passiert das relativ selten. Entscheidend für den Sieg bei der Tour de France sind daher die Etappen durch die Berge und die Zeitfahren.
In den Bergen kommen die besten Fahrer nur selten in größeren Gruppen an, häufig allein oder in Grüppchen unter zehn Fahrern. So entstehen die Zeitunterschiede. Die Besten trennen nach 21 Etappen meistens nur wenige Minuten. 1989 waren es allerdings nur acht Sekunden zwischen dem Ersten und dem Zweiten.
Im Schnitt dritteln sich die Arten der Etappen bei einer Rundfahrt. Zu den Bergetappen, die meistens durch die Alpen oder die Pyrenäen führen, kommen hügelige Etappen im Zentralmassiv, in den Vogesen oder im Alpenvorland, dazu Flachetappen im Rest des Landes. Meist werden dazu ein oder zwei Zeitfahren durchgeführt.
Die Strecke ändert sich dabei jedes Jahr. Standard ist eigentlich nur das Finale in Paris auf dem Prachtboulevard Champs-Elysees. 2024 endete die Rundfahrt aufgrund der Olympischen Spiele in Paris ausnahmsweise in Nizza. Gestartet wird die Tour immer wieder in einer anderen Stadt, gerne auch im Ausland. 2017 etwa startete sie in Düsseldorf. In der Regel wählt die Organisation des Rennens den finanzkräftigsten Städtepartner aus.
176 Fahrer gehen aktuell bei der Tour de France an den Start. Sie verteilen sich auf 22 Mannschaften, das macht acht Fahrer pro Team. Hinter den Teams stecken keine Vereine oder Nationalmannschaften - Letzteres gab es allerdings vor vielen Jahren für einen nicht allzu langen Zeitraum - sondern in aller Regel komplett sponsorenfinanzierte Konstrukte, die nur von den Einnahmen ihrer Geldgeber leben. Das hat im Radsport Tradition. Entsprechend bunt sind auch die Outfits.
Um die besten Fahrer besser davon abzuheben, werden sie mit besonderen Trikots ausgezeichnet. Der Beste im aktuellen Zwischenstand der Gesamtwertung (und dann auch in der Endabrechnung), also derjeniege mit der geringsten Zeit, trägt das Gelbe Trikot. Dazu gibt es mehrere Sonderwertungen.
Dazu zählt das Bergtrikot. Es ist weiß mit roten Punkten. Es bekommt der Fahrer, der die meisten Punkte an Bergwertungen einsammelt. Die gibt es an ausgewählten Anstiegen auf den Etappen. Je schwieriger der Berg zu fahren ist, also je länger und steiler er ist - eingeteilt werden sie in fünf Kategorien - desto mehr Punkte gibt es.
Eine weitere Wertung ist die Punktewertung. Der dort Führende trägt das Grüne Trikot. Für gewöhnlich bekommt der beste Sprinter dieses Trikot. Denn Punkte dafür gibt es nicht nur nur an sogenannten Zwischensprints auf den Etappen, sondern vor allem für die Sieger der Etappen, insbesondere der flachen. Und die werden meistens von den Fahrern gewonnen, die die höchste Endgeschwindigkeit in der Ebene erreichen können.
Und dann ist da noch das Weiße Trikot. Es gebührt dem besten Fahrer in der Wertung nach Zeit, der unter 25 Jahre alt ist und damit die Nachwuchswertung anführt.
Gewinnchancen gibt es damit für die besten Sprinter, die besten Kletterer und über Tagessiege auch für die besten Zeitfahrer. Doch was machen all die anderen ca. 160 Fahrer im Feld? Sie sind Helfer für ihre Kapitäne, für die Siegfahrer. Dabei kommen ihnen diverse Aufgaben zu. Das beginnt bei der Versorgung des Teams mit Trinkflaschen und kleinen Snacks, die sie von den Mannschaftsfahrzeugen holen, die hinter dem Feld herfahren. Dort sitzt auch der Sportliche Leiter des Teams, der über Funk mit den Fahrern kommunizieren kann, und auch ein Mechaniker. Alles passiert während des laufenden Rennens, Pausen gibt es nicht. So sitzen die Fahrer meistens zwischen vier und fünf Stunden im Sattel.
Zu den weiteren Aufgaben der Helfer gehört es, ihren Spitzenfahrer zu beschützen, denn in so einem Feld kann es schonmal heiß hergehen. Es gilt zudem, die Kapitäne in die besten Positionen zu fahren. Also die Bergfahrer zu Beginn eines Anstieges an die Spitze des Feldes, die Sprinter auf die letzten Kilometer der Flachetappen. Da dieses Ziele viele Mannschaften verfolgen, kann es vorne recht eng werden.
Sind die Helfer frei von anderen Aufgaben, können sie versuchen, ihr Glück auf eigene Faust zu versuchen. Das passiert in der Regel über Ausreißergruppen. Häufig setzt sich dabei eine Gruppe von Fahrern zu Beginn einer Etappe ab, die ansonsten im Finale wenig Chancen auf Erfolg hat. Das Rennen in einer Fluchtgruppe ist aber deutlich anstrengender, weil es dort für die Fahrer weniger Windschatten durch andere gibt, in dem sie sich ausruhen können. Im Windschatten können Fahrer jedoch bis zu 30, 40 Prozent Kraft sparen. Auch diesen Job haben die Helfer - ihren Kapitän so lange wie möglich aus dem Wind zu halten. Und die Lücke zu den Ausreißern wieder zu schließen.
Frankreich ist, nicht nur aufgrund der Tour de France, eines der klassischen Radsportländer. Deswegen sind viele Begriffe, die auch im Deutschen verwendet werden, dem Französischen entlehnt. Eine Übersicht über die wichtigsten Fachbegriffe.
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