Sebastian Lindner
· 02.08.2025
Mit einem beeindruckenden Sieg am Col de la Madeleine hat Pauline Ferrand-Prévot (Team Visma | Lease a Bike) das Gelbe Trikot bei der Tour de France Femmes 2025 übernommen. Die Französin siegte mit 1:45 Minuten vor Sarah Gigante (AG Insurance - Soudal Team). Demi Vollering (FDJ - Suez) und Kasia Niewiadoma (CANYON//SRAM zondacrypto) kamen mit mehr als drei Minuten Rückstand ins Ziel.
Noch ist die Rundfahrt nicht vorbei. Auch am Schlusstag warten noch zwei Berge der 1. Kategorie und ein HC-Anstieg. Allerdings ist es keine Bergankunft. Und so stellt sich die Frage, wo die neue Führende in der Gesamtwertung noch so viel Zeit verlieren könnte, damit es doch nicht zum ersten französischen Gesamtsieg bei der Neuauflage der Tour de France Femmes kommt.
Ferrand-Prévot war mit Abstand die Stärkste am gut 18 Kilometer langen Schlussanstieg der 8. Etappe hinauf zum Madeleine. Auf den knapp 100 Kilometern zuvor, die in Chambéry ihren Ausgang nahmen und gleich mit einem Anstieg der 1. Kategorie begannen, war sie wie im gesamten Verlauf der Tour nur selten zu sehen. Als Gigante mit einer Attacke elf Kilometer vor dem Ziel die Favoritengruppe auflöste, war die 33-Jährige schnell am Hinterrad der Australierin. Absolvierte das Duo zunächst noch ein Stück des Weges gemeinsam, konnte auch Gigante bald nicht mehr folgen. Nach und nach überholte Ferrand-Prévot verbliebene Teile der Ausreißergruppe. Die letzten fünf Kilometer bestritt sie dann an der Spitze des Rennens als Solistin.
Auch Gigante machte kurzen Prozess mit den Ausreißerinnen. Letztlich aber auch mit Vollering und Niewiadoma, die beide als Top-Favoritinnen auf den Gesamtsieg in die Rundfahrt gestartet waren, am Madeleine aber nicht ansatzweise mit den beiden Frauen an der Spitze mithalten konnten. Beide mussten Gigante auch in der Gesamtwertung an sich vorbeiziehen lassen. Die 24-Jährige liegt nun 2:37 Minuten hinter Ferrand-Prévot, aber 41 Sekunden vor Vollering auf Rang drei. Die konnte ihrerseits mit einer Attacke unter dem Teufelslappen die Vorjahressiegerin noch um 23 Sekunden distanzieren und so an der Polin vorbeiziehen, die im GC nur noch Vierte ist.
Kimberly Le Court (AG Insurance - Soudal Team) hatte wie gemutmaßt am Madeleine keine Chance, mit den besten Kletterinnen mitzufahren. Am Ende verlor sie über neun Minuten und rutsche damit noch aus den Top 10 der Gesamtwertung. Allerdings hatte sie auch wertvolle Arbeit für Gigante in der Vorbereitung für deren Attacke geleistet. Ähnlich schlecht lief es für Anna van der Breggen (Team SD Worx - Protime), die zeitgleich mit Le Court das Tagesziel erreichte und damit ebenfalls ihre vordere Position im Klassement einbüßte.
Als dieses Duo das Ziel erreichte, konnte die Siegerin längst wieder Interviews geben. “Die letzten Kilometer haben unheimlich wehgetan, aber ich wollte meinen Vorsprung für morgen so weit wie möglich ausbauen”, sagte Ferrand-Prévot, die 2014 bereits Straßen-Weltmeisterin war, sich danach aber mehr und mehr aufs Mountainbike konzentrierte und erst zu Beginn dieser Saison nach fünf Jahren kompletter Straßen-Abstinenz ihr Comeback auf Asphalt gab. “Ich wollte es zwar auch genießen, aber vor der Ziellinie war es nicht vorbei und ich musste einfach immer noch alles geben. Hoffentlich können wir es morgen richtig zu Ende bringen.“
Allerdings bedarf es schon eines extremen Einbruchs der Französin oder aber einer risikoreichen Verzweiflungsattacke der Konkurrenz, um noch am Sitz des Gelben Trikots auf den Schultern seiner Trägerin zu rütteln. Vergeben scheinen auch die anderen Wertungen bereits. Lorena Wiebes (SD Worx - Protime) kann Grün nur noch verlieren, wenn die das Ziel nicht erreicht. Auch die 16 Punkte Vorsprung von Elise Chabbey (FDJ - Suez) im Bergtrikot sind ein sehr solides Polster. Den Kampf um das Weiße Trikot scheint Nienke Vinke (Team Picnic PostNL) für sich entschieden zu haben. Aus 21 Sekunden Vorsprung auf Julie Bego (Cofidis Women Team) machte sie fast neun Minuten.
RG | Fahrer | Zeit |
---|---|---|
1 | Team Visma | Lease a Bike | 03:47:24 |
2 | AG Insurance - Soudal Team | +00:01:45 |
3 | Lidl - Trek | +00:02:15 |
4 | FDJ - SUEZ | +00:03:03 |
5 | Fenix-Deceuninck | +00:03:03 |
6 | EF Education-Oatly | +00:03:18 |
Nicht nur, dass zum Ende des Tages der Col de Madeleine wartete: Von Kilometer 0 an ging es bergauf. Gleich die ersten 13,2 Kilometer des Teilstücks führten aufwärts zum Col de Plainpalais (1. Kategorie). Die Gruppe, die sich direkt nach dem Start organisierte, beherbergte so auch viele Bergfahrerinnen. Die Siegerin der beiden Vortage, Maeva Squiban (UAE Team ADQ) war genauso wieder dabei wie Elise Chabbey (FDJ - Suez) im Bergtrikot. Ihre Teamkollegin Evita Muzic war mit lediglich 1:35 Minuten Rückstand auf Rang neun des Klassements die bestplatzierte Fahrerin. Auch Franziska Koch (Team Picnic PostNL) gehörte zur Gruppe, die bis zu 20 Fahrerinnen stark war.
Chabbey sicherte sich die ersten Bergpunkte des Tages vor Squiban, während sich die Gruppe bis zu vier Minuten Vorsprung herausarbeitete. Vor allem Canyon und SD Worx waren unter Zuzwang, Vollering konnte sich bequem zurücklehnen. In einer Abfahrt nach rund 50 Kilometern versteuerte sich Le Court und verlor so den Anschluss an die Hauptgruppe. Auch Ferrand-Prevot war irgendwo bergab verloren gegangen, wodurch das Tempo dort zwischenzeitlich extrem nach oben gezogen wurde. Trotzdem schafften die Beiden die Rückkehr, wodurch die Fahrt wieder einschlief. 47 Kilometer waren da noch zu fahren.
Die Spitzengruppe bewegte sich derweil in einem konstanten Tempo. An der Côte de Saint-Georges-d'Hurtières (2. Kategorie) betrug ihr Vorsprung vier Minuten. Chabbey holte sich erneut die Punkte vor Squiban. Bis zum Fuß des Madeleine waren vom Vorsprung auf das Feld aber keine zwei Minuten mehr übrig.
In den ersten Kilometern des HC-Berges schrumpfte die Spitzengruppe auf vier Frauen zusammen. Neben Muzic waren noch Yara Kastelijn (Fenix-Deceuninck), Niamh Fisher-Black (Lidl - Trek) und Magdeleine Vallieres (EF Education-Oatly) übrig. Aber auch in der Favoritengruppe wurde aufgeräumt. Überraschend schnell musste van der Breggen reißen lassen.
An der Spitze verblieben 13 Kilometer vor dem Ziel nur noch Fisher-Black und Kastelijn. Dahinter hatte Le Court bereits länger für Gigante gearbeitet. Als die Frau in Gelb 11,6 Kilometer rausging, attackierte die Australierin. Nur Rooijakkers konnte zunächst folgen, aber auch Ferrand-Prévot konnte relativ schnell wieder aufschließen.
Kurz darauf waren Ferrand-Prévot und Gigante allein, dahinter spannten Niewiadoma und Pauliena Rooijaakers (Fenix-Deceuninck) zusammen. Nochmal eine Gruppe weiter zurück fuhr Vollering. Acht Kilometer vor dem Ziel hatte sich das Feld weiter auseinander dividiert. Ferrand-Prévot hatte Gigante abgeschüttelt, Niewiadoma Rooijakkers. Wer jedoch nicht zu bremsen war, war Ferrand-Prévot. 1000 Meter später hatte sie an der Spitze angedockt.
Die letzten fünf Kilometer absolvierte die Französin dann als Solisten. Auch Gigante fuhr ihr eigenes Tempo dahinter fanden Niewiadoma, Vollering, Rooijakkers und auch Cédrine Kerbaol (EF Education-Oatly) wieder zusammen. Die Gruppenarbeit ging aber nicht lange gut. Rund um den letzten Kilometer attackierten sich die Frauen. Das beste Ende hatte dabei Vollering. Die holte noch Kastelijn aus der ehemaligen Spitzengruppe ein, Fisher-Black konnte sie nicht mehr stellen.
Und schon gar nicht Gigante. Die fuhr 1:45 Minuten nach der Siegerin ins Ziel, eine halbe Minute hinter ihr Fisher-Black, die damit Tagesdritte wurde. Vollering hatte 3:03 Minuten Rückstand auf Ferrand-Prévot. Die Niederländerin konnte aber immerhin noch Niewiadoma abschütteln. Die Polin kam 23 Sekunden später rein, musste aber auch noch ihrer Landsfrau Dominika Wlodarczyk (UAE Team ADQ) und Kerbaol den Vortritt lassen. Rooijakkers bekam nochmal zwölf Sekunden mehr aufgebrummt.
Das Gelbe Trikot von Le Court kam nochmal deutlich später gemeinsam mit van der Breggen ins Ziel. Beide kassierten mehr als neun Minuten Rückstand und fielen dadurch sogar noch aus den Top 10 der Gesamtwertung.