Die vierte Etappe ist eine weitere Sprintetappe. Nur 780 Höhenmeter sind insgesamt zu überwinden, damit ist die Strecke flach wie ein Tortenboden, die paar kleinen Hügel, die im Profil stehen, werden vom Feld plattgebügelt.
Flach und ausgesprochen übersichtlich ist auch die Zielanfahrt in Poitiers. Der letzte Kilometer führt schnurgerade über die Avenue John Kennedy, nur sechs Höhenmeter liegen zwischen Teufelslappen und Zielstrich.
Das taktische Szenario ist damit klar: Die Teams der Sprinterinnen werden das Rennen kontrollieren. Einzig der Wind könnte ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Windkantenfahren birgt immer die Gefahr, dass das Feld in mehrere Gruppen zerfällt.
Was bedeutet das aus technischer Sicht? Die Fahrerinnen werden auf Aero-Material setzen. Ausnahmslos alle können davon profitieren – egal ob an der Spitze des Feldes bei der Nachführarbeit, beim Anfahren des Sprints oder dem Sprint selbst, die Aero-Stellschraube ist diejenige mit der größten Wirkung.
Wird Seitenwind erwartet, gibt es Kniffe, auch hier noch etwas rauszuholen. Spezielle Aero-Vorderradreifen, wie der Conti Aero 111, verbessern die Aerodynamik, insbesondere bei seitlichem Windeinfall. Zwei Effekte sind dabei zu beobachten: Das Vorderrad zappelt weniger bei böigem Wind, wenn diese Reifen montiert sind, das kommt dem Fahrverhalten zugute und der Fahrwiderstand ist auch geringer. Win-win!
Im Windkanal konnten wir das Verhalten des Reifens bei verschiedenen Geschwindigkeiten und in Kombination mit unterschiedlichen Felgen erproben. Erstaunlicherweise hat der Reifen dabei immer funktioniert. Das spezielle Profil, das aus quaderförmigen Vertiefungen besteht, regt eine sogenannte turbulente Grenzschicht an, die zur Folge hat, dass der Luftstrom der Kontur des Felgenprofils länger folgen kann. Dadurch sinkt der Druckwiderstand auf das Profil und in der Lenkung ist zwar ein ansteigendes, aber kontinuierlich verlaufendes Drehmoment zu spüren: Das Vorderrad verhält sich dann wie ein Segel, kann sogar Vortrieb aus der Strömung generieren. Kommt es hingegen zum Strömungsabriss, schwanken die Lenkmomente stark.
In unserer Simulation des Tages fahren wir einen etwas kürzeren Sprint als am Vortag aus einer höheren Anfangsgeschwindigkeit. Macht das etwas mit dem Ergebnis?
Der Vorsprung durch Technik wird knapper, aber er ist noch da. Um fünf Tausendstel schlägt das Cervélo S5 das Canyon Aeroad im Hochgeschwindigkeitssprint. Marianne Vos hat damit aus technischer Sicht erneut die besten Karten für den Endspurt.
Die Tabelle zeigt das Ranking nach 180 Metern virtuellem Sprint. Die Räder an der Spitze eint die sehr gute Aero-Performance.
Robert Kühnen ist studierter Maschinenbauer, schreibt für TOUR über Technik- und Trainingsthemen und entwickelt Prüfmethoden. Die Simulationsrechnungen verfeinert Robert seit Jahren, sie werden auch von Profi-Teams genutzt.