Kurz, steil, entscheidend; die achte Etappe verspricht, die Gesamtwertung zu formen. Vorjahressiegerin Kasia Niewiadoma erwartet Minuten- statt Sekundenabstände.
Die Kletterei startet gleich nach dem Start mit dem Col de Plainpalais (13,2 km, 6,3 %). Hier wird sich das Feld bereits zerlegen. Die Fahrerinnen werden sich schon vor der Etappe ausgiebig auf der Rolle warmfahren.
Ab Kilometer 91,6 wartet dann der härteste Anstieg der Rundfahrt, der Col de la Madeleine (18,6 km, 8,1 %). Am Ende dieses Anstiegs könnte das Gesamtklassement ganz anders aussehen als zum Start der Etappe.
In den letzten Briefings ging es immer wieder um Aerodynamik und Abfahrtsperformance. Kommt auf der achten Etappe nun endlich die Zeit der Bergräder?
Um diese Frage zu beantworten, simulieren wir die Fahrt auf den Col de la Madeleine.
Der entscheidende Anstieg der Rundfahrt: 8,1 Prozent Durchschnittssteigung und über 1500 Höhenmeter werden das Klassement durcheinanderwirbeln.
Im Anstieg auf den Col de Madeleine setzt sich einmal mehr das Cervélo S5 durch. Unter der Prämisse, dass das S5 dicht am Mindestgewicht von 6,8 Kilo liegt, ist es sogar bergauf schneller als das R5, das die 6,8 Kilo sicher einhält.
Der Vorsprung gegenüber dem langsamsten Rad am Berg beträgt 1:06 Minuten. Ein Kilo Übergewicht bedeutet rund 47 Sekunden Rückstand am Madeleine. Je leichter die Fahrerin, desto größer wird zudem der Hebel des Materials.
Da allen die Bedeutung des Gewichts bei dieser Etappe bewusst sein wird, können wir annehmen, dass die Mechaniker fleißig Teile tauschen und wiegen, bis die Räder tatsächlich 6,8 Kilo wiegen. Besonders die Laufräder und Reifen sind dazu geeignet, die Räder auf Diät zu setzen. Visma könnte wieder den Trick mit dem 1x12-Antrieb realisieren, um das S5 so leicht wie möglich zu machen.
Solch ein Aero-Leichtbike hat gegenüber reinen Klettermaschinen auch den Vorzug, dass es Vorteile in der Anfahrt auf den Schlussanstieg bietet. Da die Etappe kurz ist, wird das Tempo sicherlich auch zwischen den Bergen hoch sein. Besonders für eine isolierte Kapitänin kann eine schnelle Maschine bedeutsam werden, wenn sie vor dem Finale durch Defekt in Rückstand geraten sollte.
Die Tabelle zeigt die Fahrzeiten für den Schlussanstieg. Leichte Räder liegen erwartungsgemäß vorne. Bei geringen Unterschieden gibt aber wiederum die Aerodynamik den Ausschlag, da in den flacheren Abschnitten der Steigung aerodynamisch relevante Geschwindigkeiten erreicht werden.
*) Die Berechnungen beruhen auf den von TOUR in Labor und Windkanal getesteten Rädern. Die Maschinen bei der Tour de France können in Details davon abweichen. Auch Last-Minute-Prototypen konnten wir natürlich noch nicht untersuchen. Hintergründe zur Simulation.
Robert Kühnen ist studierter Maschinenbauer, schreibt für TOUR über Technik- und Trainingsthemen und entwickelt Prüfmethoden. Die Simulationsrechnungen verfeinert Robert seit Jahren, sie werden auch von Profi-Teams genutzt.