Das TOUR Tech-Briefing zur 19. Etappe der Tour de France 2025

Robert Kühnen

 · 24.07.2025

Das TOUR Tech-Briefing zur 19. Etappe der Tour de France 2025Foto: picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Thibault Camus
Vom 5. Juli bis zum 27. Juli messen sich die besten Radsportler der Welt bei der Tour de France. Über Sieg und Niederlage auf den Straßen Frankreichs entscheiden dabei nicht nur die Beine, sondern auch das Material. Das TOUR Tech-Briefing zur 19. Etappe.

Tour de France 2025 - 19. Etappe: Albertville - La Plagne | 93,1 Kilometer

Das Höhenprofil der 19. Etappe | Foto A.S.O.Das Höhenprofil der 19. Etappe | Foto A.S.O.

Wer halbwegs klettern kann, aber noch nichts gewonnen hat bei dieser Tour, wird schon beim Warmfahren vor der 19. Etappe auf der Rolle darüber nachdenken, wie er in die Fluchtgruppe des Tages kommen kann. Praktisch muss man dafür vermutlich am ersten Anstieg ausblenden, was der Tag noch bringt, und einfach Vollgas fahren, bis eine Gruppe steht oder aber die Kraft versiegt.

Wer im Klassement noch Boden gutmachen will, muss im Prinzip ähnlich handeln. Denn heute ist der letzte Tag, um zumindest theoretisch noch ein paar Minuten in der Gesamtwertung gutzumachen. Und das wird nicht auf den letzten Drücker gelingen. Wer viel Zeit gutmachen will, muss ins Risiko gehen. Damit ist klar, was heute passieren wird: Ein brutales Ausscheidungsfahren unter all jenen, die dafür noch die Kraft aufbringen.

Ausscheidungsfahren

Kommt es wie skizziert, ist der komplette Rennfahrer gefordert. Bergauf und bergab gilt es immer achtsam zu sein und das Tempo über die Strecke zu tragen. Auf solch einer Etappe können die Chefs früh isoliert sein, wenn zeitig ein Ausscheidungsfahren einsetzt. Pannen, Ausrutscher, Schwächeanfälle – alles ist möglich. Auch, dass das Klassement nochmal auf den Kopf gestellt wird, ist nicht ausgeschlossen.

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Was bedeutet das für die Radtechnik? Geschwindigkeit und Sicherheit sind gefragt. Aeroräder haben die Tour bis hierhin dominiert. Daran wird sich heute nichts ändern, denn etwaigen Rückstand holt ein isolierter Kapitän damit eher wieder auf als mit einem minimal leichteren Bergrad.

Tadej Pogačar war ja schon zuletzt auf dem unlackierten Y1RS unterwegs, um 100 g Lack einzusparen. Das können wir auch heute erwarten. Bei den Reifen ist abzuwägen zwischen Sicherheit und Rollwiderstand. Zeitfahrreifen rollen einen Tick leichter, haben aber einen schlechteren Pannenschutz. Sind sie das Risiko wert? Aus unserer Sicht sollte ein überlegener Fahrer wie Tadej Pogačar eher auf Sicherheit spielen als auf Mini-Gewichtsvorteile. Das spräche für die normalen Conti 5000 statt der TT-Version, da diese anfälliger für Durchstiche ist. Andererseits sehen wir dieses Jahr wenig Reifenpannen. Tubeless hat das Pannenrisiko sichtbar gesenkt.

Der Col du Pré hat die steilsten Passagen. Dort könnte ein Großangriff auf Gelb laufen. Schafft es ein Team vorher, einen tempostarken Adjutanten vorauszuschicken, könnte dieser in der Abfahrt vom Col de Pré und dem anschließenden kurzen Flachstück für den aufschließenden Chef Tempo fahren. Würde er den Anstieg zum Cormet de Roselend mit dem Kapitän meistern, könnte er auch in der letzten Abfahrt noch Helferdienste leisten.

Da Tadej Pogačar und Jonas Vingegaard aber in ihrer eigenen Liga fahren, ist es wahrscheinlicher, dass sie früher oder später zusammen und ohne Teamkollegen unterwegs sein werden und der Rest hinterherfährt.

In unserer Simulation schauen wir auf den Schlussanstieg. Mit welchen Fahrzeiten ist zu rechnen, welche Bikes haben das Potential, den Fahrer am besten zu unterstützen?

Die Zahl des Tages: 46 Sekunden

Jonas Vingegaard wird auch heute das mutmaßlich schnellere Rad fahren. Sein Cervélo S5 führt das Ranking an. Die Strafe für ein Kilogramm Übergewicht lässt sich auch ablesen: rund 30 Sekunden Rückstand bedeutet dies am Schlussanstieg. Das langsamste Rad im Feld verliert 46 Sekunden auf das schnellste – damit ist klar, dass die Räder auch ihren Teil dazu beitragen, die Zeiten zu verbessern. Die modernen Räder machen die Fahrer in allen Situationen schneller. Wobei der Aero-Vorteil bei höheren Geschwindigkeiten stärker durchschlägt als am Berg.

Das (fast) vollständige Feld im Überblick*

tour/stage-19-25_18348978499381651ac99b3d23ac5e52Foto: Robert Kühnen

Die simulierten Fahrzeiten am Schlussanstieg bringen nicht Neues: Bikes, die dicht am Mindestgewicht liegen und trotzdem aerodynamisch sind, sind auf der letzten Bergetappe die erste Wahl.

Der Anstieg zum Cormet de Roselend auf der 19. EtappeFoto: A.S.O.Der Anstieg zum Cormet de Roselend auf der 19. EtappeDer Schlussanstieg der 19. Etappe nach La PlagneFoto: A.S.O.Der Schlussanstieg der 19. Etappe nach La Plagne

*) Die Berechnungen beruhen auf den von TOUR in Labor und Windkanal getesteten Rädern. Die Maschinen bei der Tour de France können in Details davon abweichen. Auch Last-Minute-Prototypen konnten wir natürlich noch nicht untersuchen. Hintergründe zur Simulation.

Unser Experte

                               Foto: Robert Kühnen

Robert Kühnen ist studierter Maschinenbauer, schreibt für TOUR über Technik- und Trainingsthemen und entwickelt Prüfmethoden. Die Simulationsrechnungen verfeinert Robert seit Jahren, sie werden auch von Profi-Teams genutzt.



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