Die 15. Etappe bringt mutmaßlich keine Änderungen im Klassement. Ausreißer werden versuchen durchzukommen, die Sprinterteams werden gegenhalten. Denn heute dürfte die vorletzte Möglichkeit sein, dass es zu einem Sprint kommt.
Die Sprinterteams werden aber sehr damit beschäftigt sein, die Ausreißer zu kontrollieren und ihre Sprinter über die zwei Berge des Tages zu bugsieren. Der zweite Berg des Tages hält Steigung bis 9 % parat – kein Terrain, auf dem die schweren Jungs glänzen. Kletterstarke Ausreißer werden hier schneller sein.
Vom Col de Fontbruno, dem letzten Gipfel, sind es noch 42 Kilometer ins Ziel. Wenn vorne eine Gruppe mit Schmackes fährt, dürfte es für die Teams schwierig werden, abgehängte Sprinter noch nach vorne zu fahren. Es hängt an der Qualität der Ausreißergruppe, wie das Finale ausschaut. Aber ein Sprint aus einer Gruppe scheint das plausibelste Szenario. Die Räder des Tages sind gesetzt: Aero is everything!
Bei dieser Tour wird so hart gefahren – meist vom Kilometer Null weg – dass völlig klar ist, worauf es ankommt, nämlich so gut wie möglich durch den Wind zu schlüpfen. Bei 50 km/h ist der Luftwiderstand absolut dominant. Und je länger ein Fahrer sich dem Wind exponiert, umso wichtiger wird auch der Faktor, über die ganze Strecke Energie zu sparen, um im Finale noch Reserven zu haben.
In unserer Simulation des Tages lassen wir nicht Top-Sprinter gegeneinander antreten, sondern ermattete Ausreißer, die nach taktischem Geplänkel aus wenig Tempo 200 Meter vor dem Ziel den Sprint eröffnen.
Die Zielgerade in Carcassone auf dem Boulevard Marcou ist leicht ansteigend, nach einem leichten Linksknick geht es 200 Meter gerade zum Ziel. Welches Rad ist unter diesen Bedingungen am hilfreichsten? Schlägt das Gewicht stärker durch, wenn Ausgangstempo und Top-Speed geringer sind als in einem Massensprint mit Anfahrern?
Den Sprint gewinnt das Cervélo S5 mit der Mischung aus sehr guter Aerodynamik und niedrigem Gewicht. Das Van Rysel RCR-F Pro ist aber trotz Übergewicht ganz dicht dran, ebenso wie das von uns gewogene Canyon Aeroad von Mathieu van der Poel. Das bedeutet, dass auch in diesem langsameren Sprint Aerodynamik Übergewicht neutralisiert. Am langsamsten ist einmal mehr das Leichtbike von Cervélo, dass 14 Hundertstel Rückstand kassiert.
Aus technischer Sicht kommt es in so einem Finale auf alle Details an: Rad, Kleidung und Position. Die Summe vieler technischer Kleinigkeiten bestimmt, wer sich durchsetzt. Immer unter der Annahme, dass die Beine jeweils die gleiche Leistung bringen.
Zu den Kleinigkeiten gehört auch das Entsorgen der Flasche vor dem Zielsprint. Nicht wegen des Gewichts, sondern weil die Flasche am Unterrohr ein paar Watt zusätzlichen Aero-Widerstand verursacht.
Im Sprint über 200 Meter mit Antritt aus niedriger Geschwindigkeit schiebt sich erneut das leichte und aerodynamische Cervélo S5 nach ganz vorne.
*) Die Berechnungen beruhen auf den von TOUR in Labor und Windkanal getesteten Rädern. Die Maschinen bei der Tour de France können in Details davon abweichen. Auch Last-Minute-Prototypen konnten wir natürlich noch nicht untersuchen. Hintergründe zur Simulation.
Robert Kühnen ist studierter Maschinenbauer, schreibt für TOUR über Technik- und Trainingsthemen und entwickelt Prüfmethoden. Die Simulationsrechnungen verfeinert Robert seit Jahren, sie werden auch von Profi-Teams genutzt.