Tour de France 2025Die Tops und Flops der ersten Rennwoche

Andreas Kublik

 · 15.07.2025

Tour de France 2025: Die Tops und Flops der ersten RennwocheFoto: Getty Images/Dario Belingheri
Eine der positiven Überraschungen der Tour de France: Ben Healy
TOUR - das Rennradmagazin zieht am Ruhetag Zwischenbilanz. Wer oder was ist auf den bisher zehn Etappen positiv aufgefallen, was lief eher schlecht? Je 5 Tops und Flops zur Diskussion.

TOUR-Tops

Wer hat uns bisher bei der Tour de France 2025 besonders gut gefallen?

1. Thierry Gouvenou

Mann mit Weitblick: Thierry Gouvenou ist Protagonist bei der Streckenplanung der TourFoto: Getty Images/Tim de WaeleMann mit Weitblick: Thierry Gouvenou ist Protagonist bei der Streckenplanung der Tour

Merci monsieur, möchte man Thierry Gouvenou zurufen. Der 56-jährige Franzose ist der Streckenplaner der Tour de France. Er ist dafür verantwortlich, dass die Tour de France in diesem Jahr maximal reich an Action war und nicht wie in der Vergangenheit in der ersten Woche aus gähnend langweiligen Flachetappen bestand. Die Tour hatte ein nahezu perfektes Design für beste Unterhaltung. Weiter so!

2. Ben Healy

Sympathieträger im Gelben Trikot: Ben Healy hat die Herzen von Fans und Berufskollegen im Sturm erobertFoto: Getty Images/Dario BelingheriSympathieträger im Gelben Trikot: Ben Healy hat die Herzen von Fans und Berufskollegen im Sturm erobert

Der irische Radprofi ist erst 24 Jahre alt - aber er darf jetzt schon als einer der besten Entertainer im Radsport gelten. Seine rosa Arbeitskleidung, der Lockenschopf, die Ohrringe - Ben Healy, Radprofi vom US-Team EF-Education, tritt optisch auf wie ein Rockstar - bietet aber eine viel längerer Show als die meisten Top-Acts in der Musikszene. Healy gibt sich ruhig und zurückhaltend, wenn er vom Rad steigt, wie ein britischer Gentleman. Healy ist als Engländer geboren und hat erst später die irische Staatsbürgerschaft angenommen. Im Rennen sucht er unermüdlich die Chance zur Attacke und entwischt so den Kontrollfreaks in den Mannschaften von Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard. Erst Etappensieg als Solist am 6. Renntag, all out auch am zehnten Renntag - Tagessieger Simon Yates musste sich bei Healy für dessen Schlepper-Arbeit an der Spitze der Ausreißergruppe bedanken. Healy belohnte sich selbst mit dem Gelben Trikot - nachdem Verfolger Tadej Pogacar sein Tempo derart gedrosselt hatte, dass er das mit vielen Pflichten verbundene Leibchen abtreten konnte - vielleicht auch, weil ihm dieser hart arbeitende Ire gefällt.

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3. Nils Politt

Spitzenleister: Nils Politt führte in den ersten Tagen sehr oft und sehr lange das Hauptfeld an - ganz uneigennützig im Dienste Tadej PogacarsFoto: Getty Images/Tim de WaeleSpitzenleister: Nils Politt führte in den ersten Tagen sehr oft und sehr lange das Hauptfeld an - ganz uneigennützig im Dienste Tadej Pogacars

In Deutschland feiert man nur einmal den Tag der Arbeit und damit die Arbeiter. Bei der Tour können die Kapitäne ihre viel arbeitenden Helfer täglich feiern - das fachkundige Publikum tut es ohnehin. Eine Art Vorreiter der Werktätigen auf Rennrädern war in den ersten zehn Renntagen Nils Politt. Der lange Schlaks aus Hürth bei Köln weiß, wie man wertvolle Fracht richtig transportiert. Er ist gelernter Speditionskaufmann. Und so zieht er als Lokomotive den Personenzug in den Trikots von UAE Team Emirates mit Tempomat Richtung Paris. Sein wichtigster Passagier: Teamkollege Tadej Pogacar - denn selbst der braucht während der drei Wochen auch mal Windschatten. Kurz: Politt arbeitet dafür, dass ein Tour-Sieg des Slowenen Pogacar auch ein gutes Wegstück made in Germany wäre.

4. Die Fans

Straßenfete: Fans beim Einzelzeitfahren der Tour de FranceFoto: Getty Images/Dario BelingheriStraßenfete: Fans beim Einzelzeitfahren der Tour de France

Die Tour de France ist vermutlich das längste Spalier der Welt. Zwar sind erst rund 1.690 Kilometer der 3.338 Kilometer Gesamtstrecke gefahren. Aber was in diesem Jahr wieder an der Strecke los war - Chapeau! Der Radsport und die Franzosen bieten das weltweit größte Volksfest ! Und dieses Kompliment kommt vom Redaktionsstandort München in Sprintdistanz zum Schauplatz des Oktoberfests. Wer noch nicht an der Strecke ist: hinfahren! Am besten mit einem Leder in der Hose.



5. Florian Lipowitz

Ruhiger Senkrechtstarter: Florian Lipowitz hat bisher ein starkes Tour-Debüt im Trikot von Red Bull - BORA - hansgrohe gezeigtFoto: Getty Images/Dario BelingheriRuhiger Senkrechtstarter: Florian Lipowitz hat bisher ein starkes Tour-Debüt im Trikot von Red Bull - BORA - hansgrohe gezeigt

Beim Team Red Bull - BORA - hansgrohe würden sie ihr größtes Rundfahrttalent gerne verstecken. Warum bleibt rätselhaft - angeblich um den jungen Mann vor Erwartungen zu schützen, die er aber längst selbst befeuert nach seinen Leistungen bei der Spanien-Rundfahrt 2024 (Siebter) und in diesem Jahr bei Paris-Nizza (Zweiter), Baskenland-Rundfahrt (Vierter) und Dauphiné-Rundfahrt (Dritter), als er am Berg deutlich stärker war als Remco Evenepoel. Damit hat er sich selbst als Podiumskandidat bei der Tour empfohlen. Zudem steckt er ständig die Nase in den Wind, um möglichst an den beiden Topfavoriten dranzubleiben oder ihnen auf den Zahn zu fühlen. Vielleicht verschwendet er bei seinem Tour-Debüt damit etwas Energien, aber das sei ihm verziehen. Er macht deutschen Radsportfans Lust, in den kommenden Tagen in den Pyrenäen und Alpen live am TV oder im Internetstream zuzusehen.



TOUR-Flops

Drei Wochen harte Arbeit sind immer aller Ehren wert. Dennoch im Spitzensport muss man Kritik abkönnen. Unsere Liste, bei wem einiges besser laufen könnte.

1. Team Red Bull - BORA - hansgrohe

Worten müssen Taten folgen: Teamchef Ralph Denk will mit dem neuen Sponsor Red Bull ganz nach oben, seine Mannschaft rollt aber unrund durch FrankreichFoto: Getty Images / KERSTIN JOENSSONWorten müssen Taten folgen: Teamchef Ralph Denk will mit dem neuen Sponsor Red Bull ganz nach oben, seine Mannschaft rollt aber unrund durch Frankreich

Seit einigen Jahren trägt Teamchef Ralph Denk die Devise vor sich her, dass er mit seinem Rennstall die Tour de France gewinnen möchte - und dabei am besten einen Tour-Sieger selbst fördern und formen - von der Jugend weg. Stand jetzt ist der Weg weit von diesem Ziel. Er holte entwicklungsfähige Rennfahrer wie Emanuel Buchmann, Lennard Kämna, Jai Hindley und Aleksandr Vlasov ins Team. Aber so richtig nachhaltig war keines dieser Projekte - stattdessen setzte er den ehrgeizigen Mitarbeitern den in die Jahre gekommenen Primoz Roglic vor die Nase. Der 35-jährige Slowene wirkt mittlerweile etwas altersschwach - seine einstigen Vorzüge, stark im Einzelzeitfahren (Olympiasieger 2021) und explosiv in Bergauf-Finishs (zu viele Beispiele, um sie zu benennen), scheinen ihm abhandengekommen. Sportchef Rolf Aldag vertröstet kritische Beobachter, die fragen, ob nicht der junge Deutsche Florian Lipowitz die bessere Option im Gesamtklassement sei, damit, dass man erst einmal die langen Berge abwarten solle - sprich die Etappen in Pyrenäen und Alpen. Wir sind gespannt! Wenig Unterstützung für Lipowitz, fragwürdige Teamaufstellung, schwer erklärbare Positionierungsfehler im Rennen, kaum sichtbares Teamwork - es gibt viel Verbesserungspotenzial ...

2. Die deutschen Sprinter

Will sich die gute Laune nicht verderben lassen: Pascal Ackermann, der angekündigt hat, Frankreich nicht ohne Etappensieg verlassen zu wollenFoto: Getty Images / Tim de WaeleWill sich die gute Laune nicht verderben lassen: Pascal Ackermann, der angekündigt hat, Frankreich nicht ohne Etappensieg verlassen zu wollen

Zugegeben: In Deutschland war man verwöhnt in der jüngeren Vergangenheit: André Greipel und Marcel Kittel lieferten fast täglich Erfolgsmeldungen mit ihren Etappensiegen aus Massensprints. Aber das Land der Sprinter sucht noch nach Nachfolgern. Phil Bauhaus und Pascal Ackermann bemühen sich redlich, mit aller Kraft die Nase an der Ziellinie vorne zu haben. Aber Jonathan Milan, Tim Merlier und Jasper Philipsen sind aktuell sichtbar schneller - da fehlen viele Watt, viele Newton auf dem Pedal.

3. Das Concussion Protocol

Radsport sei hinfallen und wieder aufstehen - ob das aber gesund ist, ist die entscheidende Frage, wie sich am Fall Georg Zimmermanns zeigtFoto: Getty Images/ MARCO BERTORELLORadsport sei hinfallen und wieder aufstehen - ob das aber gesund ist, ist die entscheidende Frage, wie sich am Fall Georg Zimmermanns zeigt

Die Regelungen für gestürzte Rennfahrer hat der Weltverband UCI nachgebessert - mehr Vorsicht wird verlangt, wenn man gestürzte Rennfahrer wieder ins Rennen schickt. Davon war während der ersten Etappen jedoch wenig zu sehen. Das Regelwerk selbst kann nichts dafür. Es wird von Menschen interpretiert. Aber dass die Rennärzte der Tour den sichtlich benommenem Georg Zimmermann nach schwerem, unkontrolliertem Einschlag im Straßengraben wieder aufs Rad steigen und die Etappe zu Ende fahren ließen, widersprach dem Geist der Regelung. Für den nächsten Tag nahm man Zimmermann dann doch aus dem Rennen - wegen Verdachts auf eine Gehirnerschütterung. Es war nicht der einzige Fall bei dieser Tour, wo man in dieser Angelegenheit (zu) wenig Lerneffekt erkannte. Ein Rennfahrer mit Gehirnerschütterung gefährdet im Falle eines weiteren Sturzes nicht nur das eigene Leben, sondern auch das anderer.

4. Emanuel Buchmann

Neues Trikot, aber keine frischen Kräfte: Emanuel Buchmann, erstmals im neuen Trikot bei der TourFoto: Getty Images/Tim de WaeleNeues Trikot, aber keine frischen Kräfte: Emanuel Buchmann, erstmals im neuen Trikot bei der Tour

Er begeisterte die deutschen Fans im Jahr 2019, als er im Trikot von Team Bora bei der Tour im Hochgebirge mit den Besten um Egan Bernal und Geraint Thomas mitfuhr. Rang vier - die beste Leistung eines Deutschen in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Danach kam er nicht mehr so richtig auf die Beine. Während der diesjährigen Tour machte er sich Luft über die Behandlung bei seinem langjährigen Arbeitgeber, wo er im Vorjahr kurz vor dem geplanten Giro-Start ausgebootet wurde. Vermutlich zurecht. Leider gab es nach der Flucht zum französischen Team Cofidis keinen zweiten Frühling zu sehen. Wir hoffen, dass der Kletterer aus Oberschwaben auf den Hochgebirgsetappen sichtbarer wird und wieder in die Erfolgsspur findet.

5. TotalEnergies

Doppelspitze: Carlos Rodriguez von den INEOS Grenadiers (rechts) und Jordan Jegat von TotalEnergies (daneben) führen eine Gruppe an - im Auftrag desselben GeldgebersFoto: Getty Images / Tim de WaeleDoppelspitze: Carlos Rodriguez von den INEOS Grenadiers (rechts) und Jordan Jegat von TotalEnergies (daneben) führen eine Gruppe an - im Auftrag desselben Geldgebers

Der französische Energieriese schickt genaugenommen zwei Teams ins Rennen - was laut UCI-Reglement nicht erlaubt ist. Sowohl die französische Equipe TotalEnergies, die dank einer Wildcard des Veranstalters am Start steht, als auch die INEOS Grenadiers fahren mit dem Schriftzug TotalEnergies auf dem Trikot durch Frankreich. Das ist bei genauer Betrachtung unlauterer Wettbewerb und sollte nicht durchgehen. Wenn man es freundlich formuliert: Die beiden Teams waren bisher derart unauffällig, als wollten sie die Diskussion um die fragwürdige Regelauslegung in diesem Fall des Doppelsponsorings nicht noch befeuern. Die Unternehmen TotalEnergies und INEOS sind seit langem eng verbunden - so übernahm INEOS jüngst 50 Prozent der Anteile am französischen Konzern im Bereich Petrochemie.

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