Tour-Bilanz: 4 Starts: Sieger 2020 und 2021, Zweiter 2022 und 2023
26 Jahre nach Marco Pantani greift Pogacar nach dem Double aus Giro und Tour: Aus dem Kreis derer, die es seither versucht haben wie Chris Froome, Alberto Contador oder Vincenzo Nibali hat Pogacar die besten Chancen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern musste der Slowene beim Giro nicht auf Biegen und Brechen bis zum Schluss in den tiefroten Bereich gehen. Mit seiner extremen Dominanz in Italien hat sich der 25-Jährige in die Rolle des Top-Favoriten für die Tour de France gefahren - und das trotz Doppelstart. Der zweifache Gewinner der Frankreich-Rundfahrt kann alles: Klettern, Zeitfahren, Klassiker, Gravel und sogar Sprints gewinnen bei schweren Ankünften. Das Team ist durch die Verpflichtung von Nils Politt nochmal stärker geworden im Vergleich zum Vorjahr. Die entscheidende Frage: Wie viel Giro steckt beim Tour-Start in Florenz noch in den Beinen des Slowenen?
Tour-Bilanz: 3 Starts: Zweiter 2021, Sieger 2023 und 2023
Der dominierende Fahrer der letzten beiden Jahre geht nur als Außenseiter an den Start (sollte er überhaupt starten). Grund dafür ist ein fürchterlicher Sturz Anfang April bei der Baskenland-Rundfahrt, bei dem sich der Däne das Schlüsselbein und mehrere Rippen brach und sich zudem eine Lungenprellung sowie einen Pneumothorax zuzog. Erst Anfang Mai trainierte Vingegaard wieder auf dem Rennrad. Um noch Rennpraxis zu sammeln, bleibt keine Zeit mehr. Die investiert der Bergspezialist ins Training. Falls der 27-Jährige überhaupt bei der Tour an den Start geht, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass er 100 Prozent seines Leistungsvermögens abrufen kann. Deshalb bekommt er statt fünf auch nur drei Sterne beim Klettern und Zeitfahren. Abschreiben sollte man den Titelverteidiger aber keinesfalls.
Tour-Bilanz: 5 Starts: 38. 2017, Vierter 2018, Zweiter 2020, DNF 2021, DNF 2022
Zwei Jahre nach dem Giro-Sieg von Jai Hindley will Bora-Hansgrohe nun auch die Tour de France gewinnen. Dafür wurde Primoz Roglic von Jumbo-Visma verpflichtet. Nach drei Vuelta-Siegen und einem Giro-Triumph peilt der 34-Jährige die Vervollständigung seiner Grand-Tour-Sammlung an. Der Slowene kann fast alles: Berg-, Zeitfahren, Sprints und auch hügeliges Terrain. Allerdings stürzt Roglic sehr oft: 2021 und 2022 machte ihm das bei der Tour bereits einen Strich durch die Rechnung und auch in diesem Frühjahr musste Roglic bei der Baskenland-Rundfahrt bereits zu Boden. In Sachen Teamstärke muss sich Bora hinter keiner anderen Mannschaft verstecken. Der Raublinger Rennstall ist sowohl im Flachen, als auch in den Bergen mit Top-Fahrern gespickt.
Tour-Bilanz: Erster Start
Mit Spannung erwartet wird das Debüt des belgischen Wunderkindes bei der Tour. Genau wie Vingegaard und Roglic war auch Evenepoel in den schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt verwickelt. Dabei zog er sich einen Schulterblatt- und Schlüsselbeinbruch zu. Rund drei Wochen später saß der Belgier bereits wieder auf dem Rennrad, was ihm noch genügend Zeit für den Formaufbau hin zur Tour gibt. Evenepoel hat im Zeitfahren als amtierender Weltmeister in dieser Spezialdisziplin sogar leichte Vorteile gegenüber Roglic und Pogacar. Nur im absoluten Hochgebirge muss der 24-Jährige leichte Abstriche machen. Zudem fährt der Belgier in einem Team, das jahrelang auf Klassiker gepolt war und erst langsam für die großen Rundfahrten umgebaut wird.
Tour-Bilanz: 1 Start: Fünfter 2023
Dem Mann aus Almunecar an der Costa Tropical wird zugetraut als erster Spanier seit Alberto Contador 2015 beim Giro eine Grand Tour zu gewinnen. Im Gegensatz zu Contador fährt Rodriguez wenig spektakulär, sondern eher mit Auge und ressourcenschonend. Mit diesem Stil gelang dem Ineos-Profi 2023 im Windschatten von Vingegaard und Pogacar der Sprung auf Platz fünf im Tour-Endklassement und 2024 der Gesamtsieg bei der Tour de Romandie. Der 23-Jährige kann gut klettern, hat Luft nach oben im Zeitfahren und kann auf ein Team bauen, das denen von Pogacar, Vingegaard und Roglic in nichts nachsteht.
Tour-Bilanz: 4 Starts: 15. 2018, Sieger 2019, DNF 2020, 36. 2023
Wird Egan Bernal wieder der Alte? Mit dieser Frage hat sich TOUR-Autor Daniel Brickwedde kürzlich sehr ausführlich beschäftigt. Die Auftritte des Kolumbianers in diesem Frühjahr geben allen Grund zur Hoffnung. Rang sieben bei Paris-Nizza und der dritte Platz bei der Katalonien-Rundfahrt zeigen einen eindeutigen Aufwärtstrend. Möglich, dass der 27-Jährige bereits wieder auf seinem Niveau von 2019 fährt, als er die Tour de France als erster Kolumbianer gewann. Doch der Radsport hat sich weiterentwickelt und es werden mittlerweile andere Wattwerte gefordert, um in den Bergen ganz vorne mitzufahren. Wenn die Entwicklung bei Bernal so weitergeht, ist ihm auch das zuzutrauen - womöglich schon bei der Tour de France an der Seite von Rodriguez.
Tour-Bilanz: Ein Start: Achter 2023
Der Österreicher fühlt sich im Hochgebirge richtig wohl. Nicht umsonst gewann Gall 2023 die Königsetappe der Tour de France über den Col de la Loze und wenige Wochen zuvor einen schweren Abschnitt bei der Tour de Suisse. In der Endabrechnung reichte es für den 26-Jährigen letztes Jahr für Rang acht bei der Tour. Achillesferse bei Gall ist das Zeitfahren. Aber auch hier ist es seinem französischen Team, das seit dem Einstieg von Decathlon wie ausgewechselt wirkt, zuzutrauen, nochmal einen Schritt nach vorne zu machen.
Tour-Bilanz: Sechs Teilnahmen; DNF 2014, 89. 2015, Siebter 2017, 49. 2019, DNF 2021, Vierter 2023
Ähnlich wie Rodriguez schaffte es Yates im Vorjahr hinter seinem Zwillingsbruder Adam als Vierter, einen Top-5-Platz bei der Tour de France einzufahren. Stark ist Simon Yates vor allem in den Bergen. Im Zeitfahren und auch was die Teamstärke angeht, kann er mit Pogacar, Vingegaard oder Roglic nicht mithalten. Zudem profitiert der 31-Jährige, der 2018 die Vuelta a Espana gewann, von seiner Erfahrung aus 15 Grand-Tour-Teilnahmen.
Tour-Bilanz: Vier Teilnahmen; 15. 2020, 32. 2021, 17. 2022, 12. 2023
Ist Sepp Kuss der Plan B von Visma | Lease a Bike, falls Vingegaard nicht richtig fit wird? Dass er eine Grand Tour gewinnen kann, bewies Kuss bei der Vuelta 2023. Dabei übernahm er nach einem Ausreißversuch etwas unverhofft das Führungstrikot und verteidigte es souverän bis zum Ende vor seinen Teamkollegen Vingegaard und Roglic. In den Bergen ist Kuss an einem guten Tag kaum abzuhängen, im Zeitfahren hat er allerdings leichte Defizite. Die entscheidende Frage lautet: Könnte Kuss mit dem Druck der Kapitänsrolle beim bedeutendsten Radrennen der Welt umgehen?