Team US Postal 1999Was machen die Fahrer heute?

TOUR Online

 · 02.12.2024

Lance Armstrong feiert 1999 den Sieg bei der Tour de France auf den Champs Elysees.
Foto: Picture Alliance / Patrick Kovarik
Bei der Tour de France 1999 begann der Siegeszug von Lance Armstrong, der später zum größten Dopingskandal der Radsport-Geschichte wurde. TOUR zeigt, wie es nach dem Karriereende für die Fahrer von damals weiterging - von Küchenhändler über App-Entwickler bis zum erfolgreichen Podcaster.

Nach dem Festina-Skandal 1998 sollte die Tour de France 1999 ein Neuanfang für den damals dopinggeprägten Radsport darstellen. Und mit dem Gewinner Lance Armstrong bekam der Sport tatsächlich ein neues Aushängeschild: Armstrong, von einer Krebserkrankung genesen, wurde fortan die dominierende Figur des Radsports. Von 1999 bis 2005 gewann er siebenmal in Serie die Tour de France. Armstrongs Präsenz und Status überdeckten dabei auch die Zweifel, die es bereits zur damaligen Zeit gab – auch da der Radsport einen weltweiten Sportstar wie Armstrong zu jener Zeit gut gebrauchen konnte.

Doch was 1999 als neue Zeitrechnung galt, entpuppte sich später als größter Dopingskandal der Radsport-Geschichte. Die Erfolge von Armstrong und seinem Team US Postal basierten auf einem umfangreichen Dopingsystem. Die Ermittlungen der US-Antidopingagentur USADA brachten diese ab 2012 ans Tageslicht. Jene Tour de France aus dem Jahr 1999 war der Anfang. Ein Überblick, wie es den Fahrern aus dem damaligen Aufgebot des Teams US Postal seitdem ergangen ist.

Lance Armstrong

Geht es nach Armstrong, dann dürfte sich der Texaner womöglich immer noch als rechtmäßiger Sieger von sieben Tour-de-France-Erfolgen sehen. Immerhin hat er alle sieben Gelben Trikots weiterhin in seinem Fahrradladen “Mellow Johnny’s” in Austin ausgestellt. Aus den Siegerlisten ist sein Name für die Jahre 1999 bis 2005 jedoch gestrichen worden.

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Lance Armstrong auf dem Podium 1999 in Paris, eingerahmt von Alex Zülle (links) und Fernando Escartin (rechts).Foto: Picture Alliance / RothLance Armstrong auf dem Podium 1999 in Paris, eingerahmt von Alex Zülle (links) und Fernando Escartin (rechts).

In den Jahren 2009 und 2010 unternahm Armstrong ein zweijähriges Comeback, das jedoch von überschaubarem Erfolg blieb. Im Anschluss geriet er dann in die Schusslinie der US-Antidopingagentur USADA, in deren Ermittlungen immer mehr ehemalige Teamkollegen Armstrong belasteten. 2012 kam es zur Anklage und 2013 legte Armstrong in einem TV-Interview bei Oprah Winfrey sein Dopinggeständnis ab: Bei allen sieben Tour-Siegen war er gedopt. Es folgte die Aberkennung seiner Erfolge und eine lebenslange Sperre. Außerdem musste sich der Texaner zahlreichen gerichtlichen Klagen von Versicherungen und ehemaligen Partnern stellen, die ihn nahe an den finanziellen Ruin führten.



Mittlerweile hat sich Armstrong jedoch eine neue erfolgreiche Existenz aufgebaut. Zum einen verdiente er sich sein Geld als Investor, unter anderem setzte er früh auf das Unternehmen Uber, zum anderen gründete Armstrong 2016 das Unternehmen WEDU, mit dem er früh in das Podcast-Business einstieg. Insbesondere das Radsport-Format “The Move” ist bis heute einer der erfolgreichsten Sportpodcasts der USA und brachte Armstrong viele neue Markenpartnerschaften ein.

Damit hat sich Armstrong in Teilen auch im Radsport rehabilitiert. Inzwischen sind aktuelle Größen wie Mark Cavendish und Geraint Thomas bei ihm zu Gast. Öffentlich unterstützte Armstrong zudem seinen einstigen Widersacher Jan Ullrich in dessen schweren Phasen mit Drogen- und Alkoholexzessen.

25 Jul 1999:  Lance Armstrong of the USA and USP toasts his victory after winning the 1999 Tour de France between Arpajon and Paris, France.  \ Mandatory Credit: Doug Pensinger /AllsportFoto: Getty Images/Doug Pensinger/Allsport

Tyler Hamilton

Dass die Doping-Ermittlungen gegen Armstrong in Schwung kamen, lag insbesondere an Hamilton, der 2011 ein Geständnis ablegte und darin Armstrong und US Postal umfangreich belastete. Hamilton fungierte als Kronzeuge im Dopingverfahren der USADA. Später veröffentlichte er das Buch “The Secret Race”, in dem er die Dopingpraktiken seiner Karriere für eine breite Öffentlichkeit zusammenfasste.

Tyler Hamilton (vorne) war von 1999 bis 2001 ein wertvoller Helfer in den Bergen für Lance Armstrong. Später sorgte er maßgeblich dafür, dass die damaligen Dopingpraktiken aufflogen.Foto: Picture Alliance / RothTyler Hamilton (vorne) war von 1999 bis 2001 ein wertvoller Helfer in den Bergen für Lance Armstrong. Später sorgte er maßgeblich dafür, dass die damaligen Dopingpraktiken aufflogen.

Hamilton selbst galt von 1999 bis 2001 als wichtiger Helfer von Armstrong bei US Postal, ehe er eigene Ambitionen als Kapitän beim Team CSC und ab 2004 bei Phonak verfolgte. 2004 wurde er nach seinem Olympia-Sieg im Zeitfahren von Athen allerdings des Blutdopings überführt und gesperrt, er war später Teil des Dopingskandals um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes. Sein erfolgloses Comeback endete 2009 mit einem erneuten positiven Dopingbefund.

Inzwischen ist Hamilton als Trainer tätig und leitet die Finanzkommunikation bei der Black Swift Group in Missoula. Mit dem Profi-Radsport hat er nichts mehr zu tun.

George Hincapie

Der US-Amerikaner war zu seiner aktiven Zeit der einzige Fahrer, der bei allen sieben Tour-Siegen von Armstrong dabei war. Und auch im Anschluss blieb Hincapie ein enger Vertrauter von Armstrong. Inzwischen sind beide Geschäftspartner und Hincapie regelmäßig als Co-Moderator im Podcast “The Move” dabei.

George Hincapie war neben seiner Helferrolle bei der Tour de France auch ein Mann für die Klassiker.Foto: Picture Alliance / RothGeorge Hincapie war neben seiner Helferrolle bei der Tour de France auch ein Mann für die Klassiker.

Als Fahrer war der heute 51-Jährige mit kräftiger Statur ein idealer Helfer und bis 2012 im Peloton aktiv, zuletzt für das Team BMC. 17-mal nahm er an der Tour de France teil, was nur von Sylvain Chavanel (18 Starts) übertroffen wird. Im Zuge der USADA-Ermittlungen gestand Hincapie, bis zum Jahr 2006 gedopt zu haben und belastete in seinen Aussagen auch Armstrong. Er selbst erhielt eine sechsmonatige Sperre und verlor seinen Tour-de-France-Etappensieg aus dem Jahr 2005.



Bereits als Aktiver stieg Hincapie 1998 in das Sportbekleidungsunternehmen “Hincapie Sportswaear” seines Bruders Richard ein. Beide betreiben ebenfalls das Hotel Domestique in Greenville. Nach dem Karriereende etablierte Hincapie zudem das Breitensport-Event “Gran Fondo Hincapie”, das inzwischen auf fünf Veranstaltungen pro Jahr in den USA angewachsen ist.

Pascal Deramé

Der Franzose ist rückblickend sicherlich der unbekannteste Name im damaligen Aufgebot von US Postal. 1997 schloss sich Deramé dem Team an und wurde bis 1999 aufgrund seiner guten Helferdienste dreimal mit einem Platz im Tour-Aufgebot belohnt. Der heute 54-Jährige setzte seine Karriere bis 2002 beim französischen Team Bonjour fort.

In den Doping-Enthüllungen der USADA spielte er später keine Rolle. Nach der Karriere übernahm Deramé in seiner bretonischen Heimat die Position als Sportdirektor im Amateurteam U Nantes. Diese Aufgabe führte er bis 2017 aus. Heute soll er in Nantes leben. Viel bekannt ist über Deramé allerdings nicht.

Jonathan Vaughters

Mit seinem Team EF Education EasyPost bestritt Vaughters in diesem Jahr zum 17. Mal die Tour de France. Der 51-Jährige ist somit der einzige Akteur aus dem damaligen US-Postal-Aufgebot, der auch heute noch im Profi-Radsport aktiv ist. Unter anderem war Vaughters von 2009 bis 2013 Präsident der Teambetreibervereinigung AIGCP.

Jonathan Vaughters führt seit vielen Jahren als Teamchef die Equipe EF Education EasyPost.Foto: Picture Alliance / Pascal PavaniJonathan Vaughters führt seit vielen Jahren als Teamchef die Equipe EF Education EasyPost.

Insbesondere beim Thema der Ökonomie des Profi-Radsports ist Vaughters eine der prägendsten und innovativsten Persönlichkeiten unter den Teamchefs, unter anderem, da er selbst mehrere Male nach Sponsorenrückzügen sein Team vor dem Aus retten musste.

Dass Vaughters in der Profiszene akzeptiert ist, liegt auch daran, dass er sich nach seinem Karriereende 2003 als Anti-Doping-Aktivist engagierte. Sein Dopinggeständnis legte Vaughters allerdings erst 2012 ab und belastete auch Armstrong, der seitdem häufiger seine geringschätzende Meinung über Vaughters öffentlich kundtat. Für US Postal fuhr Vaughters für zwei Jahre ab 1998. Die Tour de France 1999 endete für ihn bereits nach einem Sturz auf der 2. Etappe.

2003 Jahr gründete der US-Amerikaner dann das Unternehmen Slipstream Sports, das bis heute der Betreiber seines Radteams ist. Zur Teamphilosophie gehörte es, auch überführten Dopingtätern eine zweite Chance zu geben – stets unter der Prämisse, dass sie geläutert sind. Beispielsweise fuhr David Millar nach seiner Dopingsperre viele Jahre für das Team. 2020 veröffentlichte Vaughters seine Biografie “One Way Ticket”.

Christian Vande Velde

Beim Team von Vaughters kam später auch Vande Velde unter, der dort seinen größten Erfolg als Profi erreichte und die Tour de France 2008 auf Rang vier beendete. Ein Jahr später belegte er Platz acht bei der Frankreich-Rundfahrt.

Christian Vande Velde unterschrieb 1998 bei US Postal seinen ersten Profivertrag.Foto: Picture Alliance / RothChristian Vande Velde unterschrieb 1998 bei US Postal seinen ersten Profivertrag.

Im Zuge der USADA-Ermittlungen gestand Vande Velde 2012 seinen Dopingmissbrauch und wurde für sechs Monate gesperrt. 2013 beendete er dann nach einigen Stürzen seine Karriere. Bei US Postal unterschrieb der US-Amerikaner 1998 seinen ersten Profivertrag und blieb bis Ende 2003. Zweimal, 1999 und 2001, gehörte er dabei zum siegreichen Tour-Team um Armstrong.

Trotz des Dopinggeständnisses standen Vande Velde im Anschluss im Radsport die Türen weiter offen. Seit 2014 arbeitet er als Tour-de-France-Experte für den amerikanischen TV-Sender NBC. Daneben übernahm er die Vertretung der amerikanischen Radprofis in der CPA-Fahrergewerkschaft und arbeite zwischenzeitlich als Trainer auf der virtuellen Trainingsplattform Peloton. In diesem Jahr kehrte er in diese Aufgabe zurück. 2020 entwickelte er mit zwei ehemaligen Strava-Mitarbeitern zudem seine eigene Trainingsapp namens “The Breakaway”.

Peter Meinert-Nielsen

Mit 33 Jahren war der Däne 1999 der älteste Fahrer im Tour-Aufgebot von US Postal und bestritt damals seine letzte Frankreich-Rundfahrt, die er nach Sturz auf der 13. Etappe nicht beendete. Nach seiner letzten Saison im Jahr 2000 beim dänischen Team Fakta übernahm er dort bis 2003 die Position als Sportlicher Leiter.

Im Anschluss kehrte er dem Radsport für einige Jahre komplett den Rücken und leitete bis 2016 ein Geschäft von Luxusküchen in Dänemark. 2013 übernahm er nebenbei für ein Jahr als Sportlicher Leiter beim Team Blue Water, ab 2014 engagiert er sich für die Organisation DGI, einer nichtstaatlichen Radsportvereinigung in Dänemark, für die er Amateurvereine berät und Ausfahrten organisiert.

Als TV-Experte begleitet er den Profi-Radsport für den dänischen Ableger des TV-Senders Discovery. In den Enthüllungen rund um die USADA-Ermittlungen spielte Meinert-Nielsen keine Rolle.

Kevin Livingston

Der US-Amerikaner fuhr in den früheren Profijahren stets an der Seite von Armstrong, wechselte mit diesen 1997 von Motorola zu Cofidis und gehörte ab 1999 auch zum Team US Postal. Bei der Tour de France in jenem Jahr war er einer der zuverlässigsten Helfer von Armstrong und füllte diese Rolle auch bei der Tour im Jahr 2000 aus.

Kevin Livingston (rechts) wechselte später zum Team Telekom und zog damit den Ärger von Lance Armstrong auf sich.Foto: Picture Alliance / Gero BreloerKevin Livingston (rechts) wechselte später zum Team Telekom und zog damit den Ärger von Lance Armstrong auf sich.

Im Jahr darauf wollte er als Kapitän zum Team Linda McCartney wechseln, welches sich jedoch auflöste. Daraufhin landete Livingston beim Team Telekom – als Helfer für Armstrongs großen Tour-Rivalen Jan Ullrich. Dieser Wechsel brachte einen jahrelangen Bruch zwischen Livingston und Armstrong mit sich.

Mit nur 29 Jahren beendete Livingston 2002 dann seine Karriere. Mit Armstrong näherte er sich in den Folgejahren wieder an. Livingston gründete die Pedal Hard Company, die sich auf Trainingsberatung spezialisierte, und kam in den Geschäftsräumen in Armstrongs Fahrradgeschäft “Mellow Johnny’s” unter.

Zeitweise war Livingston zusätzlich beim U23-Team Trek-Livestrong tätig und in die Organisation der US-Rennen wie der Tour of California und der Tour of Missouri involviert. Bei Nachtests zur Tour de France 1998 wurde Livingston des Dopings überführt. In den USADA-Ermittlungen tauchte er öffentlich nicht auf.

Frankie Andreu

Einst eng mit Armstrong befreundet, war Andreu nach seinem Karriereende im Jahr 2000 alsbald eine der größten Feindfiguren für Armstrong. Bereits 2006 bezeugten Andreu und seine Frau Betsy in einem Gerichtsverfahren, dass Armstrong 1996 während seiner Krebsbehandlung den behandelnden Ärzten die Einnahme von Dopingmitteln bestätigte.

Frankie Andreu war einer der ersten Fahrer von US Postal, die Lance Armstrong öffentlich des Dopings beschuldigten.Foto: Picture Alliance / RothFrankie Andreu war einer der ersten Fahrer von US Postal, die Lance Armstrong öffentlich des Dopings beschuldigten.

Kurz darauf gab Andreu öffentlich den eigenen Dopingmissbrauch seit 1995 zu, auch in Vorbereitung der Tour de France 1999. In den USADA-Ermittlungen belastete Andreu 2012 als Zeuge erneut Armstrong.

Ab 2001 war er als Reporter für das amerikanische Fernsehen bei der Tour de France und anderen Radrennen tätig. Als zweites Standbein versuchte er sich als Sportlicher Leiter zu etablieren – seine Fehde zu Armstrong, so glaubte Andreu, stand diesem Vorhaben allerdings im Weg. So kam er zunächst vor allem bei kleineren US-Teams unter, beispielsweise für fünf Jahre beim Team Kenda Pro Cycling. Inzwischen betreibt der 58-Jährige sein eigenes Unternehmen Andreu Racing LLC und tritt als Kommentator und Moderator bei verschiedenen Sportveranstaltungen auf.

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