Es war der größte Dopingskandal der Radsport-Geschichte bis dato: die Festina-Affäre bei der Tour de France 1998. Zwei Tage vor Start der Rundfahrt, am 8. Juli 1998, fanden Polizisten bei einer Grenzkontrolle zahlreiche Dopingmittel im Fahrzeug des Festina-Betreuers Willy Voet: 236 Ampullen EPO, 82 Packungen mit Wachstumshormonen, Testosteron-Präparate, Amphetamine und Corticoide.
Die Mannschaft um Richard Virenque und Alex Zülle durfte trotzdem zunächst beim Tour-Start in der irischen Hauptstadt Dublin teilnehmen. Doch am 14. Juli gestand Voet, die Dopingmittel im Auftrag der Teamleitung mitgeführt zu haben. Im Anschluss ging alles Schlag auf Schlag: Verhaftung des Festina-Sportdirektors Bruno Roussel, Durchsuchung des Mannschaftshotels und der Ausschluss von der Rundfahrt durch Tour-Chef Jean-Marie Leblanc vor der 7. Etappe. Die Fahrer wurden vorübergehend sogar inhaftiert. Die meisten legten ein Geständnis ab.
Die Folge: Doping war plötzlich ein reales Thema im Radsport – und die Festina-Affäre nur die Spitze des Eisberges. Ein Überblick, wie es den neun Fahrern aus dem damaligen Festina-Aufgebot seitdem erging.
Der Franzose war der Kopf der Festina-Mannschaft und damals als Tour-Mitfavorit im Mittelpunkt der Berichterstattung. Anders als seine Teamkollegen beteuerte Virenque jedoch unter Tränen seine Unschuld. Erst im Jahr 2000 gestand er im Zuge des Strafprozesses zur Festina-Affäre seinen Dopingmissbrauch und bekam eine siebenmonatige Sperre. Für viele Landsleute blieb er jedoch ein Liebling. Nach seinem Comeback gewann der heute 55-Jährige 2003 und 2004 sein sechstes und siebtes Bergtrikot bei der Tour de France – bis heute Rekord.
2024 trug er zudem das Olympische Feuer im Vorfeld der Spiele in Paris. Nach der Karriere arbeitete Virenque bis 2018 als Experte für den französischen Ableger des TV-Senders Eurosport. Außerdem nahm er an einigen Reality-TV-Formaten teil und gewann eine französische Variante des Dschungelcamps. Im Jahr 2014 kaufte er die Radmarke CKT und ist seit 2012 – ironischerweise – Markenbotschafter für Festina. Trotz der Dopingvergehen genießt Virenque in Frankreich weiterhin große Popularität.
In den 1990ern galt Zülle als einer der populärsten Sportler aus der Schweiz. Immerhin hatte der heute 56-Jährige die Tour de France 1995 auf Platz zwei beendet und 1996 und 1997 jeweils die Vuelta a Espana gewonnen. Umso größer war die Aufregung in der Schweiz, dass auch Zülle Teil der Festina-Affäre war. Unter Tränen legte er damals per TV-Interview aus einem französischen Gefängnis sein Dopinggeständnis ab. Acht Monate war der Schweizer daraufhin gesperrt, ehe er bei der Tour 1999 hinter Lance Armstrong erneut Platz zwei belegte.
Sein Dopingmissbrauch hängt ihm bei vielen Landsleuten allerdings bis heute nach – auch wenn er oft bei Rennen in der Schweiz zu Gast ist. Aus dem Profi-Radsport hat sich Zülle zurückgezogen, zuletzt arbeitete er als Geschäftsführer in einem Fitnesscenter im schweizerischen Frauenfeld.
Das Markenzeichen des Franzosen war sein Pferdschwanz. Ein weiterer Blickfang bei der Tour de France 1998: Das Regenbogentrikot des Weltmeisters, das Brochard 1997 beim Rennen in San Sebastian gewann. Allerdings gab es bereits damals erste Dopingvorwürfe, da er nach der WM positiv auf ein Betäubungsmittel getestet wurde, wofür er aber ein Attest vorlegen konnte. Teambetreuer Willy Voet beschrieb allerdings später in seinem Buch “Massacre à la chaîne”, dass das Attest erst im Nachhinein erstellt worden war.
Im Zuge der Festina-Affäre gestand Brochard dann die Einnahme von Doping-Mitteln und wurde sieben Monate gesperrt. Bis 2007 setzte er seine Karriere im Anschluss fort. Inzwischen organisiert er für Amateure die Radevent “La Sancy Arc-en-Ciel” in der Region Puy-de-Dome, bei dem verschiedene Gravel- und Straßenstrecken angeboten werden. 2023 gewann Brochard zudem einen weiteren WM-Titel: im Gravel, in der Altersklasse von 55 bis 59 Jahren.
Der Schweizer galt als Bergspezialist und gewann in seiner Karriere hochkarätige Etappenrennen wie das Criterium du Dauphine und die Tour de Romandie. Die Tour de France 1996 beendete er zudem Platz vier. Durch die Festina-Affäre gestand allerdings auch Dufaux die Einnahme von Dopingmitteln und wurde mit einer siebenmonatigen Sperre belegt. Beim Comeback 1999 landete Dufaux dann erneut auf Rang vier bei der Tour de France.
Nach der Karriere stieg der heute 55-Jährige in das Textilunternehmen New Wave ein. Bis heute betreut er dort das Geschäft der Sportbekleidungsmarke Craft in den Regionen Romandie und Tessin. Von 2015 bis 2018 war Dufaux ebenfalls Organisationschef der schweizerischen Cyclocross-Rennserie EKZ CrossTour und von 2018 bis 2020 als Sportlicher Leiter beim Continental-Team Akros tätig.
Ebenso wie Richard Virenque beteuerte Hervé 1998 zunächst seine Unschuld, ehe er im Strafprozess zwei Jahre später ein Doping-Geständnis ablegte. Auch Hervé bekam daraufhin eine mehrmonatige Sperre. Beim Giro d’Italia 2001 wurde der gebürtige Franzose dann erneut positiv auf EPO getestet und beendete daraufhin seine Karriere.
Inzwischen lebt der heute 60-Jährige in Montreal und hat die kanadische Staatsbürgerschaft angenommen. Im Jahr 2022 gewann er in der Masters-Kategorie den kanadischen Meistertitel in der Klasse 55 bis 64 Jahre. In Montreal betreibt er ein Trainingszentrum für Amateurfahrer und veranstaltet regelmäßig Radtouren durch Frankreich.
Nach seinem Karriereende 2001 machte sich Meier einen Namen im Sportsmanagement. Für das Unternehmen International Management Group (IMG) leitete er rund zehn Jahre diverse Aufgaben in der Schweiz, unter anderem agierte er ab 2004 für sechs Jahre als Renndirektor der Tour de Suisse. Außerdem war er Geschäftsführer im Sportmarketing-Unternehmen Infront-Ringier, bevor er 2015 seine eigene Agentur Firma Human Sports Management gründete, mit der er Breitensportevents vermarktet und Sportler betreut. Zu den Klienten von Meier gehörte unter anderem Fabian Cancellara. Während seiner aktiven Karriere gewann der heute 55-Jährige zweimal die Schweizer Straßenmeisterschaft. Nach seinem Geständnis 1998 bekam er eine sechsmonatige Sperre.
16 Jahre gehörte Moreau zu den erfolgreichsten französischen Radprofis, trug Gelb bei der Tour de France und gewann den nationalen Straßenmeistertitel. Im Zuge der Festina-Affäre erhielt Moreau 1998 eine sechsmonatige Sperre. Nach dem Karriereende 2010 war der Franzose mehrere Jahre als Experte für den französischen Ableger von Eurosport tätig sowie als Markenbotschafter für den Radhersteller Origine.
Privat geriet der Moreau in den vergangenen Jahren allerdings in einige Schwierigkeiten: Nach Vorwürfen häuslicher Gewalt und Bedrohungen gegenüber seiner Ex-Frau, einer ehemaligen Hostess bei der Tour de France, wurde er im Januar 2023 in der Schweiz verhaftet und verbrachte einige Zeit in Untersuchungshaft. Außerdem begab sich Moreau in eine Entziehungskur für Alkohol- und Drogenprobleme. Seine Tätigkeit als Manager des französischen Amateurteams Philippe Wagner Cycling musste er daraufhin aufgeben.
Auch Rous zeigte sich in der Festina-Affäre geständig und erhielt eine mehrmonatige Sperre. Die aktive Laufbahn musste der zweifache französische Straßenmeister und Tour-de-France-Etappensieger aufgrund von Herzproblemen im Jahr 2007 aufgeben. Im Anschluss übte er zahlreiche Tätigkeiten als Sportlicher Leiter bei den Teams Bouygues Telecom (2009 bis 2010), Cofidis (2011 bis 2017) und Vital Concept-B&B Hotels (2018 bis 2022) aus. Seit 2024 ist der heute 54-Jährige Sportdirektor beim Team Arkea-Samsic.
Wie Rous ist auch Stephens dem Profi-Radsport bis heute erhalten geblieben und ist seit dem Jahr 2000 als Sportlicher Leiter für verschiedene Teams tätig. Den Einstieg fand er beim Linda McCartney Racing Team (2000 bis 2001), ehe er für Liberty Seguros (2005 bis 2006) und Caisse d’Espargne (2008 bis 2010) arbeitete. Seine prägendste Zeit erlebte der Australier von 2012 bis 2018 bei Orica GreenEdge. Nach zwei Jahren bei UAE Team Emirates gehört er der heute 61-Jährige seit 2021 zu den Sportlichen Leitern bei Bahrain-Victorious. Als aktiver Fahrer feierte er mit einem Etappensieg bei der Tour de France 1997 seinen größten Erfolg. Stephens argumentierte im Zuge der Festina-Affäre, er habe die Dopingmittel in dem Wissen genommen, dass es sich um Vitaminpräparate handele. Er bekam keine Sperre, beendete jedoch Ende 1998 seine Karriere.