Es gab das erwartete Duell bei der Tour de France. Wie in den Vorjahren beäugten sich die ewigen Rivalen Tadej Pogačar und Jonas Vingegaard drei Wochen lang. Der 26-jährige Slowene hatte bei seinem vierten Triumph alles im Griff und den knapp zwei Jahre älteren Dänen stets unter Kontrolle, der ihn in den Jahren 2022 und 2023 bei der Grande Boucle besiegt hatte. In den Pyrenäen deklassierte „Pogi“ die Konkurrenten und betrieb danach nur Ergebnisverwaltung, wie hier beim Zieleinlauf auf dem Mont Ventoux, als er den verbissen kämpfenden Rivalen relativ leichtfüßig weitere Sekunden abnahm. In Paris hatte der Sieger 4:24 Minuten Vorsprung auf den ersten Verfolger. Ob der Kreis der Sieganwärter im Jahr 2026 größer und das Rennen damit spannender wird?
Die Stimmung beim Straßenrennen der Olympischen Spiele 2024 hatte Lust auf mehr gemacht. So führte auch die Schlussetappe der diesjährigen Tour de France erstmals durch das Künstlerviertel Montmartre hinauf zur Basilika Sacré-Cœur. Zwar endete das wichtigste Radrennen dennoch wieder auf der Prachtmeile Champs-Élysées, die Sprinter waren aber diesmal früh abgehängt. Den Tagessieg feierte der Belgier Wout van Aert als Solist, nachdem er auf dem regennassen Kopfsteinpflaster am Montmartre Tadej Pogačar hinter sich lassen konnte.
Tim Merlier hatte am Ende der 9. Etappe eine wichtige Durchsage zu machen. Der 32-jährige Belgier von Soudal-Quickstep teilte über den Teamfunk mit, dass er in Chateauroux am Ende der 9. Etappe erneut den Massensprint für sich entschieden hatte, wie zuvor auf dem dritten Tagesabschnitt vor dem Italiener Jonathan Milan.
Fast drei Wochen lang war Simon Yates beim Giro d’Italia einigermaßen unauffällig an der Spitze mitgefahren. In aller Ruhe schien er sich die Unstimmigkeiten beim Team UAE anzusehen, wo sich Isaac del Toro und Juan Ayuso sichtlich nicht darüber einig waren, wer der Chef sein sollte. Auf der letzten Kletterpartie über die Schotterstraße zum Colle delle Finestre enteilte der 32-jährige Brite allen Konkurrenten und fuhr bis ins Ziel in Sestriere 5:13 Minuten Vorsprung auf die verbliebenen Rivalen del Toro und Richard Carapaz heraus. Die beiden hatten morgens am Start noch in der Gesamtwertung vorne gelegen, verstrickten sich aber in Yates’ Rücken in ein zeitraubendes Duell.
Simon Yates strahlte, als er die „Trofeo senza fine“, den Pokal für den Gesamtsieg beim Giro d’Italia, in den blauen Himmel über Rom stemmen konnte. Es war eine besondere Genugtuung. Bereits im Jahr 2018 sah er wie der Sieger der Italien-Rundfahrt aus, ehe ihm sein Landsmann Chris Froome mit einem legendär gewordenen Solo-Ritt noch das Rosa Trikot und die Trophäe entriss. Damals war Yates auf der Bergetappe über den Colle delle Finestre fürchterlich eingebrochen und kassierte bis ins Ziel fast 39 Minuten Rückstand. Diesmal war der gleiche Berg die Schlüsselstelle für seine Revanche.
Auf der 17. Etappe der Spanien-Rundfahrt kletterte die kleine Gruppe der Favoriten um Jonas Vingegaard durch eine menschenleere Ödnis auf den Alto de El Morredero – worüber Veranstalter und Rennfahrer angesichts massiver Störungen durch Demonstrationen zum Gaza-Konflikt ausnahmsweise froh gewesen sein dürften. Den zumindest vom Streckenrand kaum beobachteten Auftritt der Radprofis nutzte der 21-jährige Italiener Giulio Pellizzari vom Team Red Bull-Bora-hansgrohe zu seinem bisher wichtigsten Sieg als Profi. Starker Wind machte Rad fahren und Zuschauen am Gipfel besonders ungemütlich.
Es war eine Art Ersatzbefriedigung: Jonas Vingegaard gewann im Spätsommer die Vuelta a España. Der Däne erhielt als Belohnung das Rote Trikot des Gesamtbesten – statt Gelb in Frankreich. Bei der Tour de France war er chancenlos gegen Tadej Pogačar, dessen Abwesenheit in Spanien er für einen erfolgreichen Auftritt nutzte. Vor zwei Jahren hatte er den Gesamtsieg dort gemäß Teamorder noch mehr oder weniger freiwillig seinem wichtigen Helfer Sepp Kuss überlassen müssen.