Demi Vollering (rechts) steuerte die Gruppe der Gesamtbesten auf der Schlussetappe der Tour de France Femmes durch die französischen Alpen. In ihrem Windschatten hing ein illustrer Kreis aus Rundfahrtspezialistinnen der Gegenwart (von rechts nach links): Die Vorjahressiegerin Kasia Niewiadoma aus Polen, die leichtgewichtige Neuseeländerin Niamh Fisher-Black, die spätere Gesamtsiegerin Pauline Ferrand-Prévot im Gelben Trikot und die Australierin Sarah Gigante, die in diesem Jahr eine der besten Kletterspezialistinnen war. Letztere fiel im Laufe dieser Etappe noch deutlich zurück – und musste Vollering und Niewiadoma die Plätze zwei und drei im Gesamtklassement überlassen. Am Ende der Etappe übernahm Ferrand-Prévot die Führungsrolle und feierte in Châtel Etappen- und Gesamtsieg. Die Niederländerin Vollering, als Top-Favoritin ins Rennen gegangen, belohnte sich für die Mühen des Jahres und konstant gute Leistungen mit der Position als Weltranglisten-Erste zum Jahresabschluss.
Die Mehrheit mag der Ansicht sein, dass die Tour de France das wichtigste Rennen im Frauen-Radsport ist. Die meinungsstarke Elisa Longo Borghini betont jedoch, dass der Giro d’Italia ihr Herz höher schlagen lässt. Das große Saisonziel der 33-jährigen Italienerin war es, das neuntägige Etappenrennen durch ihre Heimat für sich zu entscheiden. Nochmals. Im Vorjahr konnte sie die Belgierin Lotte Kopecky erst auf der Schlussetappe entscheidend distanzieren. Auch in diesem Jahr war es spannend, weil sich die Schweizerin Marlen Reusser als äußerst hartnäckige Widersacherin entpuppte. Die Zeitfahrspezialistin kletterte in der abgelaufenen Saison so stark wie nie zuvor. Erst bei der Bergankunft am Monte Nerone gelang es Longo Borghini, Reusser deutlich abzuhängen. Die Teamkolleginnen von UAE-ADQ feierten die Gesamtsiegerin im Rundfahrtziel in Imola.
In starker Form zeigte sich Liane Lippert aus Friedrichshafen. Auf der Mittelgebirgsetappe nach Orciano di Pesaro hängte sie im Finale ihre einzige Begleiterin Pauliena Rooijackers ab. Auch die Schlussetappe entschied die Deutsche im Duell mit Anna van der Breggen für sich.
Man kann trefflich darüber streiten, ob die Spanien-Rundfahrt der Frauen die Anforderungen an eine sogenannte Grand Tour erfüllt. Der Begriff stammt aus dem Radsport der Männer, der drei dreiwöchige Landesrundfahrten mit dieser Bezeichnung kennt. Nun haben die Veranstalter der Rennen auch ein Herz und das nötige Geld für jeweils ein Etappenrennen bei den Frauen. Trotz des Rückenwinds für den Frauen-Radsport kürzte der Veranstalter Unipublic, eine Tochterfirma des Tour-Organisators ASO, das Rennen in Spanien von acht Tagesabschnitten im Vorjahr auf sieben. Die Gesamtsiegerin war dennoch dieselbe – mit ihrem zweiten Etappensieg auf dem vernebelten Alto de Cotobello baute Demi Vollering ihren Vorsprung aus und untermauerte mit dem Rundfahrtsieg Anfang Mai den Anspruch, auch im Trikot ihres neuen Arbeitgebers FDJ-Suez die stärkste Rundfahrtspezialistin zu sein. Da ahnte noch niemand, dass sie bei der Tour de France im August der Mountainbike-Olympiasiegerin Pauline Ferrand-Prévot am Berg nicht würde folgen können.